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Kolumne Das SchlaglochDie falsche Botschaft

Kolumne
von Hilal Sezgin

Warum erhält die Initiative, die gegen religöse Toleranz kämpft, so viel Zustimmung?

Links lesen, Rechts bekämpfen

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

8 Kommentare

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  • A
    Aktueller

    Man dürfte sagen, ohne Religionen keine Werte...

     

    Atheismus ist im Lehrplan (Studienstufe 3. Semester = 12. Klasse:) z.B. Feuerbach, Nietzsche etc - Atheismus ist eigentlich auch erst auf der Auseinandersetzung mit Theologien entstanden, Feuerbach hat Theologie studiert, außerdem sagt er nicht, Religion ist dumm, sondern Religion ist bei ihm sogar das erste Selbstbewußtwerden des Menschen, also auch nicht wegzudenken: die Erfahrung seiner eigenen Begrenztheit...Das alles LERNT man im Fach RELIGION!

  • M
    manfred (57)

    Ein sehr guter Artikel.

     

    Mir fällt auf, daß die Alternative fast immer Religion oder Ethik lautet. Heißt das, daß Religion nichts mit Ethik zu tun habe?

     

    Und noch eine Frage: Muß eine Schule, die Religion im Lehrplan hat, nicht auch Atheismus im Lehrplan haben? Wo bleibt sonst die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit?

  • A
    Aktueller

    Auch in der parlamentarischen Demokratie sollte es ja die Möglichkeit geben, über (Schul-)Verhältnisse zu diskutieren und die Meinung der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler miteinzubeziehen, deshalb gibt es ja den Volksentscheid. Zu einer lebendigen Demokratie gehört ja gerade, dass über die politischen Entscheidungen des Parlaments öffentlich debattiert wird und das ist mit der Initiative Pro-Reli gegeben. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, die viele Mitdiskutanden aber noch nicht erkannt haben.

    Das Wort "Wahlzwang", das auf dem Plakat einer Gegeninitiative erscheint ist ja wohl eher die Verhöhnung der Demokratie.

     

    Das Problem der Schule und der Fächer Ethik und Religion liegt eher an einer anderen Stelle. Erstens ist ein pädagogischer Grundsatz, dass man nicht das Fach sondern den Lehrer/die Lehrerin lernt. Es hängt also mit der Qualität des Unterrichts zusammen, ob er zur gegenseitigen Achtung erzieht oder polarisiert. Das ist auch bei Berliner EthiklehrerInnen zu beachten, die oft früher DDR-Staatbürgerunterricht gegeben haben. Hier ist dann oft eben öfters der Atheismus bekenntnishafter Unterrichtsgegenstand.

    Religionsunterricht, so wie ich ihn kenne, ist gerade hier in Hamburg, wo ich Religion und Philosophie unterrichte, integrativ, d.h. es gibt keinen konfessionellen, sondern einen Reliunterricht, der von einem "Gesprächskreis interreligiöser Religionsunterricht" getragen wird, was ich für sehr sinnvoll erachte (vgl.: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 6 (2007), H. 1, 50-67, im Internet downloadbar).

    Das ist ein Modell auch für Berlin!

     

    Nach Art 7 GG ist der Religionsunterricht ein geschütztes Fach. Die Berliner Regelung schiebt u.a. den RU in die Randstunden und schafft somit eine unzulässige Benachteiligung, das ist einfach Fakt.

    Es wird allerdings auch eine Bewegung von seiten der Religionsgemeinschaften in Berlin vonnöten sein, um einen gemeinsamen RU anzubieten, aber ich denke, das ist der einzig gangbare Weg.

  • M
    Martin

    Die Befreiung von religösem Glauben, das Lernen selbst und frei zu denken, taugt weit eher als "Glücklichmacher" als das Beibringen von Glauben. Religion ist vor allem die Glorifizierung des banalen, des oberflächlichen und des Geist- und Gedankenlosen.

     

    Religionsunterricht in der Schule ist als institutionalisierte Kindesmißhandlung anzusehen.

  • TF
    Thomas F.

    Die Autorin hat recht, wenn sie sagt, die Religionsgemeinschaften sollte froh sein, dass Weltanschauungsunterricht überhaupt noch an Schulen gelehrt wird. Jede klare Ratio spricht gegen christliche, muslimische oder jüdische Kirchenlehre(nicht immer gegen Werte in diesen Lehren)! Sie ist Auffangbecken für Haltsuchende. Frei denkende Menschen brauchen keine Vorstellung eines Mannes mit Rauschebart o.ä. die Kirche ficht in Berlin einen Kampf um die Köpfe unserer Kinder aus. Die gilt es zu verteidigen! Statt selbsstständig und kritisch denken zu lernen sollen sie weiter Geschichten mit unglaublichem Inhalt als Wahrheit lernen.

    Ausweg in einer säkularen Gesellschaft muss sein, diese Haltsuchenden (Kirchenmäuse, um mit Koeppen zu sprechen)zu respektieren, doch sollte es Pflicht für jeden Schüler bleiben, das Denken in Philosophie und Ethik zu lernen statt sich die Märchen in Bibel, Koran oder Tora als Wahrheit und Lebensanleitung verkaufen lassen zu müssen. Jeder der Nietsche und andere Autoren wie Deschner gelesen hat, wird die Kirche ablehnen. Damit sind nicht die unzähligen Menschen gemeint, die sich unter ihrem Namen für gute Dinge engagieren!

    Christliche, islamische und sogar jüdische Werte sind teilweise sehr wertvoll!!! Jesus war sicher ein guter Mensch mit vielen guten Ideen. Was die Kirche aus seinen und den anderen Predigerlehren, die dann zur Religion erhoben wurden, gemacht hat, bedarf keines Kommentars. Religiöse Anschauungen sollten aber an Schulen im Philosophie- und Ethikunterricht nur von einer Metaebene aus betrachtet statt gelehrt werden, um den Schülern zu zeigen, an welche Dinge die Menschen früher geglaubt haben (und glauben). Sie sind wie die Autorin sagt heute für unser Leben nicht mehr passend, da wir (die Kirchenfreien) uns von den Gedankenfesseln befreit haben! Wer dann nach der Betrachtung in der Schule noch Bedarf an Geschichten hat und die dargebotenen Dinge glaubt, soll in die Kirche gehen...

  • CR
    christine rölke-sommer

    hach! endlich mal ein beitrag, der in aller klarheit daran erinnert, dass ethik mehr ist als religion, zumal in gestalt von religionsunterricht in klasse sieben! ab klasse acht spätestens neun sind die kiddies dann sowieso religionsmündig, jedenfalls in unseren breiten, und wählen den religionsunterricht ganz aus eigenen gründen wieder ab.

    weshalb ja pro-reli auch nichts anderes ist als der versuch leicht zurückgebliebener eltern, ihre kinder etwas länger unter ihrem geistigen einfluß zu behalten, als ihnen nach dem hier geltenden GG in dieser hinsicht zusteht. schon denkwürdig, dass ausgerechnet ein anwalt der ober-pappnas dieser initiative ist. hätte doch der anwalt als studierter rechtskundiger es besser wissen müssen. oder können.

     

    aber dank an Hilal Sezgin, dass sie so kurz vor ostern, dem fest der eher doch kreuzigung denn auferstehung, solch schön klare worte gefunden hat!

  • M
    mar

    Dass Glaube bei moralischen Entscheidungen den Ausschlag gibt oder die Entscheidungsfindung unterstützt, ist zum Glück selten erforderlich; gut sein kann der Mensch auch ohne Glauben. Aber glücklich? Glaube ist in erster Linie ein großer Glücklichmacher, der Freude, Vertrauen und Dankbarkeit schenkt; er ist kein "Du sollst", sondern ein großes "Du darfst". (Wo er das *nicht* ist, ist äußerste Vorsicht geboten, es handelt sich dann vermutlich um ein gefährliches Konstrukt!) Religionsunterricht kann Kindern diese Quelle zugänglich machen, wenn er *sehr* gut ist. (Kommt selten vor.) Ethik und Religion kann man also ganz gut getrennt betrachten und auch unterrichten. Religion als Grundlage von Ethik halte ich für fragwürdig. Denn Leute, die nur deshalb gut sind, weil Gott gesagt hat, dass man das sein soll, und die sich ihren schlechten Charakter nur mühsam verkneifen, weil sie hoffen, dafür in den Himmel zu kommen -- die Art Leute kann man sowieso in der Pfeife rauchen. Denen möchte man im Himmel eh nicht wieder begegnen. (Wird man auch nicht! :-)) Gutsein ohne Eigenwert, als Tauschhandel, nur gegen Belohnung, ist ja wohl das Letzte. Wer das Richtige nicht um seiner selbst willen tut, "hat seinen Lohn dahin". Das lehrt das neue Testament, aber auch z.B. das Märchen von Frau Holle.

     

    Gesegnete Ostern!

  • P
    Peter

    Ich finde, Religionsunterricht hat überhaupt nichts an einer staatlichen Schule zu suchen. Weder christlicher noch jüdischer oder muslimischer. Denn so weltoffen und tolerant sich manche Verfechter des Religionsunterrichtes auch gebären mögen - letztendlich läuft er stets auf eine Indoktrination hinaus, wenn er seinen Zweck erfüllen soll.