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Nutzung landeseigener GrundstückeBezirke wollen Hausherr bleiben

Das Land verkauft derzeit kaum Grundstücke. Das liegt nicht nur an der Finanzkrise und zögerlichen Investoren. Politiker stemmen sich im Nachhinein gegen die Geschäfte des Liegenschaftsfonds.

Investor macht das Licht aus

Für ein Grundstück an der Falckensteinstraße hat der Liegenschaftsfonds das Höchstgebot eines Investors erhalten, der auf dem Areal im Herzen Kreuzbergs ein Hotel plant. Der Protest dagegen wächst – denn noch ist dort der Club „Lux“

Ralph Borchert fühlt den Boden unter seinen Füßen wanken. Er wird ihm sozusagen weggerissen. Seit 1966 mietet seine Familie das Grundstück an der Falckensteinstraße. Spiralfedern ließ sein Großvater dort herstellen, sein Vater baute eine Halle, in der heute der Club „Lux“ ist. In dem Nachbarhaus, das der Familie samt Grundstück gehört, arbeiten selbstständige Handwerker und Künstler zu sozialverträglichen Mieten.

Mit dem Sozialverträglichen könnte bald Schluss sein. Das Land veräußert derzeit über den Liegenschaftsfonds das Gelände mit der Halle im Bieterverfahren. Das Höchstgebot von 800.000 Euro hat ein Investor abgegeben, der dort ein Hotel errichten will. Das wäre das Aus für den Club; Borchert fürchtet zudem, dass das Hotel sein Haus einkeilen könnte. Noch sei das Verfahren nicht abgeschlossen, beschwichtigt der Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann. Doch der Protest dagegen wird immer lauter. „Ein Hotel würde den Kiez definitiv verändern“, so Borchert.

Seit sein Vater 1976 die Halle baute, versuche die Familie, das Grundstück zu kaufen, erzählt Borchert. Da er langjähriger Nutzer sei, müsste das Areal eigentlich in Direktvergabe an ihn gehen. Doch das sei laut Liegenschaftsfonds nur möglich, wenn der Wirtschaftssenator der Nutzung eine für die Stadt außergewöhnliche Bedeutung beimesse. Der habe sein Votum dafür aber nicht gegeben.

Also beteiligte sich Borchert mit einem eigenen Projekt, dem „Oberbaumdreieck“, an dem Bieterverfahren. Er will die alte Halle abreißen und einen neuen Bau errichten. Auch der soll kulturell und zum Wohnen genutzt werden – mit moderaten Mieten wie bisher. Borchert wurde allerdings überboten.

Da einige Bewerber ähnlich hohe Angebote abgegeben hätten, gebe es eine weitere Runde, sagt Lippmann – um allen zu ermöglichen, ihr Gebot zu erhöhen. Borchert hat sein Angebot auf 850.000 Euro aufgestockt. Es sei nicht nachvollziehbar, schimpft er, „wieso ein nachhaltiges, lokales Projekt zugunsten einer ortsunspezifischen Hotelnutzung, die sich aller Voraussicht nach nur an der Renditeerwartung orientiert, trotz unserer höheren Gebotssumme vorgezogen werden sollte.“

Sehr fragwürdig findet auch Andreas Rieger den Verlauf des Verfahrens. Der Architekt hat mit einem Baugruppenprojekt mitgeboten, wurde kürzlich vom Liegenschaftsfonds allerdings informiert, dass er überboten wurde. Von einer weiteren Runde wisse er nichts. Rieger bewirbt sich seit fast zwei Jahren um das Gelände. Der Liegenschaftsfonds selbst sei vor einem Jahr auf ihn zugekommen, er solle das schwierige Grundstück doch in einem Projektplan entwickeln. Dass letztlich doch ein Bieterverfahren eröffnet wurde, ärgert ihn. Er und andere Architekten seien vorgeschickt worden, „das Grundstück interessant zu machen“. Selbst Baustadträtin Jutta Kalepki (parteilos), Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und sogar Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hätten noch vor einem Jahr sein Wohn-Gewerbe-Projekt favorisiert. „Wenn sich der Bezirk mehr eingesetzt und den Konflikt mit dem Liegenschaftsfonds und dem Finanzsenator nicht gescheut hätte, hätte man das Bieterverfahren verhindern können“, glaubt Rieger. Er bietet jetzt Ralph Borchert seine Hilfe an, damit wenigstens ein Projekt den Zuschlag bekommt, das im Kiez verankert ist. Hilfe erhält Borchert vom Bezirksbürgermeister: „Wir haben dem Fonds klargemacht, dass wir das Projekt von Herrn Borchert deutlich favorisieren“, so Schulz. Aber schon länger stünde seine Verwaltung im Konflikt mit der Senatsverwaltung für Finanzen – die denke nicht an die Entwicklung der Bezirke, sondern nur an Gewinnmaximierung.

Architekt Rieger fragt sich, ob ein Hotel überhaupt realisiert würde: Angesichts des Überangebots in der Stadt dürfte es derzeit schwierig sein, Kredite zu bekommen. Der Liegenschaftsfonds gebe letztlich dem Bestbietenden den Zuschlag, wenn dieser denn auch glaubwürdig seine Bonität nachweisen könne, erklärt Liegenschaftsfonds-Sprecherin Irina Dähne.

Auch wenn das der Hotelinvestor sein sollte, muss das noch nichts heißen. Rieger ist sicher: „Der Fall wird auf dem Parkett der Politik landen.“ Und außerdem: Schräg gegenüber an der Schlesischen Straße sei der Liegenschaftsfonds schon mal baden gegangen. Dort wollte ein Investor ein Hochhaus bauen, scheiterte aber an den ansässigen Dönerbudenbesitzern. Schließlich haben sie das Grundstück gekauft.

GRIT WEIRAUCH, MAREN KELLER

Dem Chef des Liegenschaftsfonds sitzt die Krise im Nacken. Im ersten Quartal dieses Jahres hat die Gesellschaft zur Vermarktung der landeseigenen Grundstücke 60 Millionen Euro weniger Erlös an das Land abgeführt als noch vor einem Jahr. Waren es vor einem Jahr noch knapp 99 Millionen Euro, so sind es seit Jahresbeginn nur noch knapp 40 Millionen Euro.

Nicht nur der Verkauf von Immobilienobjekten stagniere, sagt Geschäftsführer Holger Lippmann. Selbst Verträge, die in Sack und Tüten waren, kommen ins Wanken: so bereits geschehen mit der einstigen Geldfabrik "Alte Münze" am Molkenmarkt in Mitte. Dem Investor ist der Eigenkapitalgeber abgesprungen, der Kauf droht zu platzen. Zwar hält der Liegenschaftsfonds an dem Projekt fest - das Gebot war zu verlockend. Doch ob die Verkaufssumme je fließen wird, ist offen. Der Liegenschaftsfonds gibt dem Unternehmer einen Aufschub bis 2010, wenn dieser wenigstens die 120.000 Euro Betriebskosten berappen kann. Auch eine Zwischennutzung ist im Gespräch. Bis zum endgültigen Verkauf gilt der Vertrag als "schwebend unwirksam".

Aber es sind nicht nur die schlechte wirtschaftliche Lage und die Tatsache, dass derzeit kaum einer wagt zu investieren, die Lippmann zu schaffen machen. Sondern es ist - und das ist viel schlimmer für ihn - die Politik, die ihm die besten Geschäfte versaut. 20 Millionen gingen dem Land Berlin in den vergangenen Monaten flöten, hat Lippmann ausgerechnet, weil immer mehr Verträge im Nachhinein annulliert, verändert und Verkäufe verschoben werden. Seit einem dreiviertel Jahr werde es immer schlimmer, sagt er: Fertige Verträge mit Investoren würden die Parlamentarier des Abgeordnetenhauses nicht absegnen oder die Entscheidung darüber aufschieben. Auch die Bezirke und der Senat wollten das Baurecht verändern, sogar Ausschreibungen müssten neu aufgerollt werden. Weil im Nachhinein doch nicht nur das Geld und der maximale Gewinn zählen soll, sondern auch die Stadt.

Zwei Beispiele: Bereits Ende 2007 hatte der spanische Investor und Hotelbetreiber Barceló Group das Grundstück auf dem Hammarskjöldplatz vor dem Messegelände am Funkturm erworben, um ein 90 Meter hohes Hotel zu errichten. Der Liegenschaftsfonds hat einen Vorvertrag mit dem Investor in der Tasche. Doch dann kamen die Denkmalschutz-Bedenken von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und der Mehrheit ihrer Partei. Bis heute hat das Parlament dem Verkauf nicht zugestimmt und wird es laut dem baupolitischen Sprecher der SPD, Michael Arndt, auch nicht tun: "Das denkmalgeschützte Ensemble am Messegelände würde mit dem Bau eines Turms an städtebaulichem Wert verlieren."

Deshalb soll laut neuem Bebauungsplan gar kein Gebäude auf dem Platz hinzukommen. Laut Arndt liege die Verantwortung für den gescheiterten Verkauf beim Liegenschaftsfonds, schließlich habe dieser voreilig und im Alleingang gehandelt, "ohne sich nach der "Stimmungslage im Abgeordnetenhaus zu erkundigen".

Auch im Fall eines Grundstücks an der Wuhlheide in Köpenick muss der Liegenschaftsfonds mitansehen, wie seine Verkaufsträume platzen. Das rund 60.000 Quadratmeter große Grundstück wurde vor einem halben Jahr an einen Investor verkauft, der dort Wohnungen errichten will. Weil aber vor allem die Linkspartei und ihr dort ansässiger Bundestagsabgeordneter Gregor Gysi das Areal dem Jugendprojekt Mellowpark zur Verfügung stellen wollen, will der Bezirk das Areal im Nachhinein doch nicht verkaufen.

Für Lippmann sind Fälle wie diese klares Politikversagen. Die Konsequenzen für Berlin seien aber fatal: Investoren würden abgeschreckt. Als Erklärung führt Lippmann die Sparmüdigkeit an: Mit der Krise sei die Priorität der Haushaltssanierung abhanden gekommen. Auch dass Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) seinen Posten Ende April räumt, führe dazu, dass "die Zügel lose" seien. Der Fonds-Chef hofft darauf, dass Sarrazins Nachfolger Ulrich Nußbaum wieder ein strengeres Regiment einführt. Denn: "Man kriegt keine Maximalerlöse, wenn man all die Kriterien - sozialpolitische, stadtentwicklungspolitische und wirtschaftspolitische - erfüllen soll."

Wenn die Politiker schon von der bisherigen Linie abkommen, meint Lippmann, dann sollten sie das auch klar ansagen, etwa: "Wir wollen nicht Grundstücke verkaufen, um den Haushalt zu sanieren, sondern Stadtentwicklungs- und Wirtschaftspolitik machen." Das steht zwar bereits im Gesellschaftervertrag des Liegenschaftsfonds festgeschrieben, wurde jedoch selten umgesetzt. Bisher hatte die Finanzverwaltung das Sagen, und deren Maxime hieß: Maximalerlös.

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