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Der Ehrgeizige

Ayodele Medaiyese musste immer kämpfen. Er war vier Jahre alt, als sein Vater Nigeria verließ und nach Deutschland ging – Ayodele und den jüngeren Bruder ließ er bei einem Freund zurück. „Der war nicht gut zu uns“, sagt der 18-Jährige.

Statt regelmäßig in die Schule zu gehen, mussten die Jungen in der Autowerkstatt des Bekannten helfen. Jahrelang. Mittlerweile hatte auch Ayodeles Mutter das Land verlassen, wie der Vater lebte sie in Hamburg. Sie hätten versucht, die Kinder nachzuholen, beteuert der Vater, aber der Antrag sei abgelehnt worden.

Vor fast drei Jahren dann fasste der Bekannte einen Entschluss, der für Ayodele und seinen Bruder massive Folgen hatte – und die Chance ihres Lebens wurde: Die drei kamen nach Hamburg. Hier empfahl die Ausländerbehörde die Nelson-Mandela-Gesamtschule in Wilhelmsburg, eine von zwei Schulen, die besondere Kurse für Zuwanderer anbietet. Binnen eines Jahres schaffte Ayodele den Realschulabschluss. Nun lernt er für das Abitur. Fleißig und ehrgeizig sei der Junge, sagt Ayodeles Klassenlehrer. Nebenbei spielt Ayodele in der A-Jugend des HSV. Bis in die zweite Liga könne er es schaffen, sagt sein Betreuer. „Nach deutschem Maßstab ist Ayo ein echter Musterjunge.“ Beinahe täglich trainiert Ayodele, Zeit für Partys bleibt da keine.

Ein Außenseiter aber ist er nicht – nie sitzt er nach Schulschluss allein in der S-Bahn zurück nach Altona, immer sind da die Kumpels, essen Chips, machen Witze. „Ayo ist der Beste“, sagen sie, weil sie ihn für sein Durchhaltevermögen bewundern. Selbst als alles auf der Kippe stand und die Ausländerbehörde Ayodele abschieben wollte, versuchte er, ruhig zu bleiben. Er glaubt an Gott und geht jeden Sonntag zum Gottesdienst. „Als Kind habe ich geträumt, dass ich in einem Raum mit lauter Weißen sitze. Da wusste ich, dass ich nach Deutschland kommen und hier bleiben werde“, sagt er – und hat Recht behalten: Am Donnerstag hat die Härtefall-Kommission entschieden, dass Ayodele hier bleiben darf.  HEN

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