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Parlament wütet über 1. MaiDer große Krawall im Bundestag

Erstmals seit Jahren schafft es die Kreuzberger Randale im Rahmen einer Aktuellen Stunde in den Deutschen Bundestag. Und wirklich: Es ging richtig ab.

Erst krachte es in Kreuzberg, jetzt auch verbal im Bundestag Bild: REUTERS

Es gibt Strategen in der Antifa-Szene, die behaupten: Nur wenns knallt, horcht die Öffentlichkeit auf. Ausgerechnet die Bundes-CDU hat diesen Antifa-Strategen Recht gegeben. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt haben es die jährlichen Kreuzberger Mai-Krawalle am Donnerstag im Rahmen einer Aktuellen Stunde in den Bundestag geschafft. Ein größeres Geschenk habe die Union den Autonomen nicht machen können, kommentierte der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne) den Palaver-Antrag der CDU.

Es wäre nicht akzeptabel gewesen, "wenn sich die Menschen in ganz Deutschland über diese Eskalation der Gewalt am 1. Mai zu Recht empören, aber im Deutschen Bundestag darüber kein Wort verloren wird", begründete der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Hartmut Koschyk, das Anliegen seiner Fraktion. Er verwies auf die offiziell 479 Polizisten, die Prellungen, Knalltraumata oder andere Schäden davontrugen. "Unser Mitgefühl gehört den verletzten Polizisten und Polizistinnen und ihren Angehörigen", sagte Koschyk.

Mit Vorwürfen wurde auch nicht gespart. In der einstündigen Debatte hielten sich Christdemokraten und Liberale auf der einen Seite sowie Grüne und Linkspartei auf der anderen gegenseitig "Verharmlosung", "Hetzerei", "geistige Brandstiftung", "Schande" und "Wahlkampfgeplänkel" vor.

Am schärfsten griff der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl, den Berliner Innensenator an. Ehrhart Körting (SPD) habe mit seinem zurückhaltenden Polizeieinsatz bewusst Rücksicht auf die "Umtriebe des Koalitionspartners" Linkspartei genommen, meinte Uhl. Dabei sei klar, dass "jede Strategie der Deeskalation völlig fehl am Platz" sei. Der Berliner Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Gesine Lötzsch, brüllte Uhl entgegen: "Sie sind die Schutzpatronin dieser Chaoten." Die 18-Uhr-Demonstration am 1. Mai, von der die ersten Scharmützel ausgingen, war von Kirill Jermak angemeldet worden, einem Politiker der Linkspartei.

Der Erkenntnisgewinn der Debatte hielt sich in Grenzen. So bezeichnete es der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner als fahrlässig, dass Körting die Polizisten aufgefordert habe, ihre Helme abzusetzen, weil sie sonst provozieren könnten. Unklar blieb, welche Veranstaltung Wegner genau gemeint haben könnte. In Kreuzberg hatten am 1. Mai selbst Journalisten Helme auf.

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3 Kommentare

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  • K
    Krause

    Mein Mitgefühl gilt denjenigen, die nur lamentieren aber keine (bezahlbaren)Vorschläge haben wie man das Leben in diesem Lande verbessern kann.

  • U
    urmel

    Schliesse mich an. Hab noch nie gehört, dass Politiker ihr Mitgefühl den Opfern von Polizeigewalt und Repression widmen. Die Trennung der Gewalten sowie die Maxime, dass jeder Mensch vor dem Gesetz gleich sei, sind Minimalkriterien der Rechtstaatlichkeit. In Deutschland werden sie systematisch verletzt. Daher kann man nur von einem eingeschränkten Rechtstaat sprechen. Angriffe auf die Hundertschaften sind somit keinesfalls Angriffe auf den Rechtstaat.

  • P
    Paradiesfrucht

    "Er verwies auf die offiziell 479 Polizisten, die Prellungen, Knalltraumata oder andere Schäden davontrugen. "Unser Mitgefühl gehört den verletzten Polizisten und Polizistinnen und ihren Angehörigen", sagte Koschyk."

     

    Schön.

     

    Mein Mitgefühl gehöhrt denjenigen, die Tag für Tag dem kapitalistischem Machtapparat zum Opfer fallen.

     

    Mein Mitgefühl gehöhrt denjenigen, die sich vom Leben mehr erwarten, als Tag für Tag morgens aufzustehen und gedankenlos zu funktionieren.

     

    Mein Mitgefühl gehöhrt denjenigen, die mit 400 Euro im Monat auskommen müssen, dessen Kinder kein Spielzeug bekommen können und die auf der Straße schief angesehen werden weil sie so aussehen wie sie aussehen und weil sie vll. auch mal zur Flasche greifen, weil dass ihnen wenigstens für einen Momant Wärme gibt.

     

    Mein Mitgefühl gilt denjenigen, die nicht in der Lage sind 10 Euro für den Artzt zu bezahlen und weil sie zu wenig Zähne haben nicht mehr richtig beißen können.

     

    Mein Mitgefühl gilt denjenigen die jeden Tag aufs neue Rassismus und Faschismus in diesem Land erleben.

     

    Mein Mitgefühl gilt denjenigen die im Irak und Afghanistan leben und jede Minute mit der Angst leben müssen, eine von der NATO geworfene Bombe würde ihr Leben und das ihrer Angehöhrigen auslöschen......usw...

     

    Mein Mitgefühl gilt all denjenigen, die diesen Zustand für Untragbar halten, auf die Straße gegangen sind, obwohl bei dem Staatsaufgebot eine gewaltige Portion Mut dazugehöhrt, und dies mit Schockgranaten, Knüppelschläge und Tränengas seitens der Bulizei bezahlem mussten!!!!!!