Frauenfußball: Schröder wird zum Alten Fritz
Turbine Potsdam gelingt ein sensationeller Coup: Die Bundesligistin verpflichtet zwei U17-Nationalspielerinnen aus dem abgeschotteten Nordkorea.
In der kleinen brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam bahnt sich eine sportpolitische Sensation an. Publik wurde das am Sonntagnachmittag, in einem Rahmen, den man sich unauffälliger kaum hätte denken können. Im Tribünengebäude des Karl-Liebknecht-Stadions, einem alten DDR-Plattenbau, lüfteten die Vereinsverantwortlichen von Turbine Potsdam ein bis dahin wohlgehütetes Geheimnis. Nach dem gestrigen ungefährdeten 3:0-Sieg in der Bundesligapartie gegen den SC Neuenahr wurde es dann offiziell: Der Club steht vor der Verpflichtung von Jon Myong Hwa und Kim Un Hyang, zwei nordkoreanischen Fußballerinnen. Beide wurden vergangenen November in Neuseeland mit ihrem Team U17 Weltmeisterinnen. Es wären die ersten Sportlerinnen, die das bislang auf Selbstisolation bedachte kommunistische Regime im westlichen Ausland trainieren ließe.
Am Sonntag saßen die Jungtalente bereits in Potsdam auf der Tribüne, flankiert von ihrem nordkoreanischen Betreuerteam. Die Woche über werden sie mit der Mannschaft von Turbine trainieren. Nebenbei soll dann der Transfer-Coup ausgehandelt werden. So ließ sich das Ganze nicht länger verheimlichen.
Turbine Trainer Bernd Schröder spricht aber nur mit äußerster Vorsicht von der Angelegenheit. In den Formulierungen des 66-Jährigen tauchen immer wieder die Worte "sensibel", "heikel" und "brisant" auf.
Er weiß, warum. Turbine bekommt nämlich nun das Säbelgerassel der großen Weltpolitik direkt zu spüren. Eigentlich hätte die nordkoreanische Delegation bereits Anfang April in Potsdam eintreffen sollen. Doch ein Raketentest in Nordkorea und die damit verbundene Verurteilung des Landes durch den UN-Sicherheitsrat führten dazu, dass die Fußballerinnen und ihre Betreuer nicht ausreisen durften.
Doch was hat die bislang nicht gekannte Kontaktbereitschaft der Nordkoreaner grundsätzlich zu bedeuten? "Man kann nur spekulieren. Im Grunde ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum das auf einmal funktioniert", sagt Bernd Schröder. Kurios ist vor allem, dass sich Turbine Potsdam um die Asiatinnen gar nicht bemüht hat. Über Mittelsmänner wurden sie ihnen angeboten. Namentlich nennt Schröder nur einen Herrn Han, einen Nordkoreaner, der seit vielen Jahren in Köln lebt.
Des Weiteren habe es eine Schlüsselperson mit einem großen politischen Netzwerk gegeben. Einige Leute seien an diesem Deal beteiligt gewesen, die nicht genannt werden wollen. Die Angelegenheit sei letztlich "auf dem Obergefreitenweg" geregelt worden - ohne große Komplikationen im Zeitraum von einem halben Jahr.
Dass für den Transfer keine politischen Schwergewichte einstehen wollen, ist nachvollziehbar. Das Ganze mutet wie ein loses Experiment an. Vielleicht um die sowieso bereits guten nordkoreanischen Nachwuchsspielerinnen weiter zu stärken - auch im Hinblick auf die WM in Deutschland 2011. In Nordkorea wisse man gewiss, so Schröder, dass Turbine zu den besten europäischen Teams zählt. Geld dürfte jedenfalls nicht das maßgebliche Motiv sein. Denn bis zur Anreise der Asiatinnen sei darüber noch kein Wort gesprochen worden, versichert der Potsdamer Trainer.
Bemerkenswert ist, dass Nordkorea gewillt ist, den Versuchsballon mit seinen stärksten Kräften zu starten. Zuerst habe man mit den Namen wenig anfangen können, berichtet Schröder, aber nach ausgiebigem DVD-Studium habe sich herausgestellt, dass es sich bei Abwehrspielerin Kim Un Hyang und Mittefeldstrategin Jon Myong Hwa "um die Besten der Besten handelt". Gerade Letztere sei eine Ausnahmespielerin. Das habe ihm auch der deutsche U17-Nationaltrainer Ralf Peter bestätigt. "Die kann alles", sagt Schröder. Und nach wie vor erstaunt über das Potsdamer Glück, erklärt er: "Ich weiß auch nicht, warum das Füllhorn gerade über uns ausgeschüttet wird."
Folgt man Schröder, lassen die Qualitäten von Kim und Jon auf eine Art Seelenverwandtschaft mit seinem Team schließen. Er bescheinigt ihnen einen "hohen Grad an Athletik, Schnelligkeit und Einsatzwillen". Die Nordkoreanerinnen seien auch dafür bekannt, dass sie bedingungslos machen würden, was der Trainer sage. Schröder betont aber auch: "Ich will hier keinen Pferdehandel machen." Man trage eine große Verantwortung für die Mädchen, die im August erst 16 Jahre alt werden. Viel Arbeit und pädagogisches Geschick seien erforderlich, um die beiden in eine für sie völlig fremde Welt zu integrieren.
Deshalb werde man sie wahrscheinlich nicht gleich in den Bundesligabetrieb werfen, sagt Schröder. Auch für Turbine Potsdam ist es ein großes Experiment. Schröder beruft sich auf den Potsdamer Ahnherrn schlechthin: "Auch Friedrich der Große hat hier öfters ungewöhnliche Dinge gemacht."
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