piwik no script img

Wie Seehofer die CDU nervtImmer gegen die Berliner Linie

Für die CDU werden die Querschüsse aus Bayern zu einem strategischen Manko. Selbst einstige Verbündete haben sich von der CSU abgewandt.

Bayerischen Extratouren auf Kosten der Kanzlerin: Seehofer und Merkel. Bild: dpa

BERLIN tazAls wäre es ein politisches Naturgesetz, positioniert sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auch im Streit um notleidende Unternehmen in exaktem Gegensatz zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Beim Widerstand gegen die Opel-Rettung habe der Bundeswirtschaftsminister seine "totale Rückendeckung", befand Seehofer. Hilfen für die Karstadt-Kaufhäuser könnten dagegen erfolgversprechend sein. Merkel sieht es genau umgekehrt. Das Eingreifen bei Opel setzte sie gegen Widerstand durch, bei Karstadt zeigt sie sich demonstrativ skeptisch.

Die Motivlage des Ministerpräsidenten ist schnell erklärt: Karstadt-Filialen gibt es auch in Bayern, Opel-Fabriken nicht. Seit Seehofer im Oktober vorigen Jahres den CSU-Vorsitz übernahm, nervt er die Schwesterpartei CDU mit den Sonderwünschen jeder noch so kleinen bayerischen Sonderklientel. Ob er als Chef des größten Flächenlandes für die Pendlerpauschale kämpfte, bei der Erbschaftsteuer Sonderkonditionen für die in Bayern besonders zahlreichen Mittelständler heraushandelte oder verbilligten Agrardiesel für die notleidenden Milchbauern durchsetzte - immer ging es darum, mit Geld aus der Bundeskasse Stimmen für die bayerische CSU zu kaufen. Damit war die Partei so sehr beschäftigt, dass sie die Wirtschafts- und Finanzkrise nahezu ignorierte.

Für die CDU werden die bayerischen Extratouren mehr und mehr zu einem strategischen Manko. Bislang lautete das Argument, nur die Union mit Merkel an der Spitze könne in Deutschland noch stabile Zweierkoalitionen bilden - wenn möglich mit der FDP, notfalls mit der SPD. Das eigenständige Agieren der CSU macht aber selbst die große Koalition zu einem wackeligen Dreierbündnis, das kaum handlungsfähiger ist als eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen. Bei einem Jamaika-Bündnis müssten sich sogar vier Parteien zusammenfinden.

Genervt sind vom Verhalten der CSU auch Christdemokraten, die den Bayern früher nahe standen. So waren die Baden-Württemberger die Ersten, die den Sonderstatus der CSU-Landesgruppe vorigen Herbst in Frage stellten. Hessens Ministerpräsident Roland Koch positionierte sich im Streit um die Pendlerpauschale frontal gegen die Bayern. Die Ministerpräsidenten der norddeutschen Agrarländer zeigten sich jüngst verärgert über die Subventionierung bayerischer Kleinbauern.

Der Ärger richtet sich auch gegen Merkel, die der CSU zuletzt fast alles durchgehen ließ - etwa im Steuerstreit, wo sie Kritiker aus den eigenen Reihen zuvor kalt abblitzen ließ. Anders als bei der Landtagswahl im vorigen Herbst will sie sich bei einem neuerlichen CSU-Debakel keine Mitschuld nachsagen lassen. Das gilt umso mehr, als sie an einem Ende der bayerischen Sonderrolle ein strategisches Interesse hat.

Aus Sicht der CSU kommt es auf das Signal an, dass die Partei in Berlin noch etwas durchsetzen kann. Das wird sich bis zur Bundestagswahl im September nicht grundsätzlich ändern. Auch dann zählt für die Bayern allein das eigene Ergebnis, ganz gleich, wie viele Stimmen es die CDU in den übrigen fünfzehn Ländern kostet.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • B
    Bayer49

    Seehofer hat in einem Interview zugegeben, dass Franz-Josef Strauss sein Vorbild ist und er nach dessen Motto "in Bayern regieren und in Berlin opponieren" handelt. Beim Opponieren heuchelt er mit seiner CSU die Anwälte des kleinen Mannes vor, wobei das Erkaufen von Stimmen mit Geld aus der Bundeskasse eher ein Nebeneffekt ist. Der Erfolg beim Heucheln hält sich allerdings in Grenzen, denn selbst die Bauern haben die CSU inzwischen duchschaut und veranstalteten gestern ein Haberfeldtreiben gegen Seehofer. Ich halte zwar nicht viel von der SPD, aber um Seehofer als Schaumschläger zu überführen, reicht es:

     

    www.bayernspd-landtag.de/aktuell/details.cfm?ID=11497

     

    Aus meiner Sicht kann die CSU nicht mehr ausreichend über Heuchelei, Lüge und Täuschung hinwegtäuschen und wird deshalb langsam, aber sicher, am Transparentwerden "krepieren".

  • B
    Bayer49

    Seehofer hat in einem Interview zugegeben, dass Franz-Josef Strauss sein Vorbild ist und er nach dessen Motto "in Bayern regieren und in Berlin opponieren" handelt. Beim Opponieren heuchelt er mit seiner CSU die Anwälte des kleinen Mannes vor, wobei das Erkaufen von Stimmen mit Geld aus der Bundeskasse eher ein Nebeneffekt ist. Der Erfolg beim Heucheln hält sich allerdings in Grenzen, denn selbst die Bauern haben die CSU inzwischen duchschaut und veranstalteten gestern ein Haberfeldtreiben gegen Seehofer. Ich halte zwar nicht viel von der SPD, aber um Seehofer als Schaumschläger zu überführen, reicht es:

     

    www.bayernspd-landtag.de/aktuell/details.cfm?ID=11497

     

    Aus meiner Sicht kann die CSU nicht mehr ausreichend über Heuchelei, Lüge und Täuschung hinwegtäuschen und wird deshalb langsam, aber sicher, am Transparentwerden "krepieren".

  • B
    Bayer49

    Seehofer hat in einem Interview zugegeben, dass Franz-Josef Strauss sein Vorbild ist und er nach dessen Motto "in Bayern regieren und in Berlin opponieren" handelt. Beim Opponieren heuchelt er mit seiner CSU die Anwälte des kleinen Mannes vor, wobei das Erkaufen von Stimmen mit Geld aus der Bundeskasse eher ein Nebeneffekt ist. Der Erfolg beim Heucheln hält sich allerdings in Grenzen, denn selbst die Bauern haben die CSU inzwischen duchschaut und veranstalteten gestern ein Haberfeldtreiben gegen Seehofer. Ich halte zwar nicht viel von der SPD, aber um Seehofer als Schaumschläger zu überführen, reicht es:

     

    www.bayernspd-landtag.de/aktuell/details.cfm?ID=11497

     

    Aus meiner Sicht kann die CSU nicht mehr ausreichend über Heuchelei, Lüge und Täuschung hinwegtäuschen und wird deshalb langsam, aber sicher, am Transparentwerden "krepieren".