Europawahl in Berlin: Grüne werden wieder nur Zweite
Die Grünen toppen ihr gutes Ergebnis von 2004 nochmals und landen in Berlin knapp hinter der CDU. SPD unter 19 Prozent. FDP größter Gewinner. Linke stabil.
2009 (2004)
Wahlbeteiligung: 33,1 (38,6)
Berlin gesamt:
CDU: 24,5 (26,4)
Grüne: 23,7 (22,8)
SPD: 18,8 (19,2)
Linke: 14,7 (14,4)
FDP: 8,6 (5,3)
Sonstige: 9,7 (12,0)
Berlin West:
CDU: 29,9 (33,3)
Grüne: 25,2 (25,1)
SPD: 19,7 (20,5)
Linke: 5,7 (3,5)
FDP: 10,3 (6,3)
Sonstige: 9,2 (11,4)
Berlin Ost:
CDU: 14,6 (14,3)
Grüne: 21,2 (18,7)
SPD: 17,3 (16,9)
Linke: 30,2 (33,5)
FDP: 5,7 (3,7)
Sonstige: 11,0 (13,0)
Ergebnisse nach Angaben des Landeswahlleiters nach Auszählung von rund 94 Prozent der abgegebenen Stimmen. Aktuelle Ergebnisse unter www.wahlen-berlin.de.
Ein paar Zehntel fehlten, und die Grünen hätten erstmals in Berlin eine Wahl gewonnen: Knapp hinter der CDU holte die Partei in Berlin mit fast 24 Prozent die zweitmeisten Stimmen, weit vor der SPD. Die Sozialdemokraten rutschten noch deutlicher als 2004 unter 20 Prozent. Die Linkspartei legte geringfügig zu, die FDP hingegen verbesserte sich um mehr als die Hälfte. Die Berliner Liberalen sind mit der Juristin Alexandra Thein zum ersten Mal überhaupt im Europaparlament vertreten.
Die Stimme des Fernsehmoderators geht im Jubel unter, als auf dem Bildschirm die grüne Prozent-Säule immer höher wächst. Kopf an Kopf mit der CDU liegt die Partei auf Berliner Ebene, weit vor der SPD. Im Erdgeschoss der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung liegen sich die Spitzen der Berliner Grünen in den Armen. "Die CDU kriegen wir noch", jubelt Michael Cramer, der langjährige Landespolitiker, der 2004 nach Brüssel wechselte und nun wieder gewählt ist.
Auf 22 Prozent wie beim vergangenen Mal hatten sie in der Parteispitze gehofft - "aber dass wir fast ganz vorne liegen, dass hätte ich nicht gedacht", sagt Landeschef Stefan Gelbhaar. Seine Co-Chefin Irma Franke-Dressler sieht das Ergebnis als Folge des intensiven Wahlkampfs, der weniger auf Großveranstaltungen denn auf Gespräche in kleinen Runden setzte. "Das machen wir jetzt natürlich auch zur Bundestagswahl." Überraschenderweise schneiden die Grünen im Osten der Stadt kaum schlechter ab als im Westteil - "und das kann nicht alles Prenzlauer Berg gewesen sein". Der Jubel ist kaum kleiner, als das schlechte Ergebnis der SPD auf dem Bildschirm erscheint. Zu verhärtet sind die Fronten nach dem fortdauernden Streit um die A 100 und der Zoff um die jüngsten Parteiwechsel, als dass da einer Mitleid mit den Sozialdemokraten hätte.
In der SPD-Zentrale ist die Stimmung niedergeschlagen. Parteichef Franz Müntefering setzt im Willy-Brandt-Haus auf Durchhalteparolen. Landeschef Michael Müller ist merklich frustriert: "Das Ergebnis ist eine große Enttäuschung für die Berliner SPD. Wir hatten gehofft, das Ergebnis von 2004 verbessern zu können."
Die Parteibasis ist entsetzt. "Das Problem sind unsere Inhalte, unsere Politik in der Bundesregierung", schimpft einer aufgebracht. "Opposition ist zwar Mist, aber die große Koalition ist der viel größere Mist." Das solle Müntefering einmal sagen! Er hofft auf einen Politikwechsel. "Jetzt müssen sie etwas machen." Ein anderer widerspricht: "Da passiert gar nichts." Es gebe zu viele SPD-Funktionäre, die als Referenten in einem Bundesministerium arbeiten würden und nicht arbeitslos werden wollten.
Wie die Grünen jubeln auch die Liberalen überschwänglich, die ein paar Meter neben den Grünen in ihrer Bundeszentrale in der Reinhardtstraße feiern. Für die Landespartei personifiziert sich der Erfolg in der 45-jährigen Alexandra Thein. Sie rückt dank des FDP-Booms von Platz elf der Bundesliste ins Europaparlament. Noch nie zuvor hatten die hiesigen Liberalen ein Mandat in Brüssel. Thein saß noch nie in einem Parlament.
Die Linkspartei, die sich in der Kulturbrauerei trifft, braucht zwar nicht ihr Berliner Ergebnis zu beklagen, das knapp über dem Ergebnis von 2004 liegt. Zwar hat sie im Osten Berlins deutlich verloren, aber im Westteil der Stadt entsprechend dazugewonnen. Über der Zufriedenheit liegt aber noch die Spannung, ob bundesweit 7,7 Prozent für neun Mandate in Brüssel und damit auch für die bisherige Landespolitikerin Martina Michels reichen. Sie steht auf Platz neun der Liste und muss bei Redaktionsschluss noch um den Umzug nach Brüssel zittern.
SPD-LANDESCHEF MICHAEL MÜLLER
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