piwik no script img

Polit-Show im ZDFGermany´s Next Super-Kanzler

„Ich kann Kanzler“ kürt am Freitag den Nachwuchs-Kanzler. Mit der "politischen Talentshow" will das ZDF junge Deutsche für Politik begeistern - und sein Programm verjüngen.

Die Jugend von heute. Bild: dpa

Keiner guckt, als die "Kanzler"-Kandidaten das Foyer des ZDF-Studios betreten. Dabei ist der Raum voller Journalisten und Fotografen. Aber woher soll man die auch kennen? Die Auswahl für den politischen Nachwuchs der Talentshow „Ich kann Kanzler“ läuft seit mehreren Monaten. Aber ausschließlich auf der ZDF-Homepage - und nicht im Fernsehen.

2.500 junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren hatten sich beworben, 40 siebte der Sender intern aus. Aus den Kandidaten wählte die Jury – Anke Engelke, Günter Jauch und Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf – sechs Finalisten. Heute Abend wird der "ZDF-Kanzler" live ermittelt. Erst wählt das Saalpublikum, für die letzten beiden Kandidaten stimmt das Volk per Telefon.

Mit der Show will das ZDF bei Jugendlichen im Bundestagswahljahr das Interesse für Politik wecken – und dafür deren eigene Mittel, also StudiVZ und YouTube, benutzen. "Mit klassischen Formaten erreichen wir das mittlere Alter, aber nicht die jungen Leute", sagt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Der Obama-Wahlkampf habe gezeigt, dass sich über das Internet auch jüngere Menschen für Politik begeistern lassen.

Auf gar keinen Fall will Brender mit der Sendung in die Nähe der Castingshows gerückt werden. "Wir wollen nicht, dass die Leute leiden", sagt er. Deshalb habe man sich für ein Konzept entschieden, das nach der Vorwahl im Netz mit einer einzigen großen Show endet. Der Nachteil: Anders als bei 'Germanys next Topmodel' und 'Deutschland sucht den Superstar' kann der Zuschauer nicht monatelang mit den Kandidaten leiden, feiern, fiebern.

Die Besetzung des Finales ist trotzdem ziemlich nett zusammen gecastet; die sechs könnten locker als Popgruppe durchgehen. Nuray Karaca ist 18, unterstützt die Grünen und kommt aus Wiesbaden. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, die hätten ihr das nur erlaubt, weil die Show im ZDF stattfindet, sagt sie.

Jacob Schrot will mit seiner Teilnahme zur Ehrenrettung der deutschen Jugend beitragen. "Wir können mehr als Komasaufen und pöbeln", sagt er. Schrot ist 18 und Kreisvorstandsmitglied der Jungen Union. Außerdem ist er noch Schulsprecher, Junior-Botschafter der Unicef, Mitglied des Sicherheits- und Präventionsrates der Stadt Brandenburg/ Havel und Favorit für den „ZDF-Kanzler“.

Siegfried Walch ist 25, das Politikergrinsen hat er schon drauf, beim Fototermin ballt er die Siegerfaust. In seiner bayrischen Heimatstadt findet am Abend eine "Kanzlerparty" statt. Antje Krug ist 31, Mutter von vier Kindern, Hartz IV-Empfängerin. Für Krug ist die Sendung eine Chance, ihre Pläne für ein Eltern-Kind-Projekt bekannt zu machen. Philip Kalisch trägt Baggy-Jeans, Chucks, Dreitagebart. Er ist 30, aus Hamburg und arbeitet für die SPD. Und dann ist da noch Delano Osterbrauck aus München, 18, nett, unscheinbar.

Die Macher der Sendung haben sich auf Schelte eingestellt. Das Format biete genügend Angrifffläche, es in der Luft zu zerreißen, sagt Juror Jauch. "Nichts Überragendes“ sei die Sendung, sagt Chefredakteur Brender - aber etwas Natürliches, um junge Leute für Politik zu interessieren. In den vergangenen Monaten gab es aus der Bundespolitik Kritik an der Sendung. „Aus dem Kanzleramt hieß es, das Format sei 'anmaßend', sagt Brender. Und kontert: Es sei anmaßend, dass die Politik sich nicht mit dem Nachwuchs beschäftigt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

9 Kommentare

 / 
  • C
    culturewalk.de

    Kleine Info, weil es so gut zum Thema passt:

    In einem türkischen TV Kanal ist zum September 2009 die Ausstrahlung einer neuen TV Show nach dem Superstar oder Top-Model Muster geplant. Das Thema allerdings ist nach bisherigem Wissensstand einzigartig.

    Ein christlicher Geistlicher, ein jüdischer Rabbi, ein buddhistischer Mönch und natürlich ein muslimischer Imam sollen um die Gunst … und nun kommst … von 10 Atheisten werben.

    Die Atheisten im Lande, die sagen dass niemand sie missionieren kann sind aufgerufen sich zu melden ...

  • O
    ole

    "Wir wollen nicht, daß die Leute leiden." Herr Brender, hatten Sie auch mal an die Zuschauer gedacht?

    Ich frage mich ernsthaft, welche Gruppe man eigentlich mit dem Format erreichen möchte/wollte. Okay, bei DSDS oder Frau Klum scheint die Sache klar. Aber hier?

     

    Na jedenfalls wird diese Sendung als "geschenkt" in die Annalen des ZDF eingehen, wenn überhaupt. Und auch die junge Internetcommunity hat dem billigen Obama-Kopiervorgang unserer Medien und Parteien längst eine Abfuhr erteilt.

     

    Eines wurde mir aber klar:

    Die Demonstrationen der Schüler und Studenten sind nicht nur berechtigt sondern längst überfällig.

  • UR
    Udo Radert

    Kanzler kann doch jeder.

     

    Ok, ich revidiere mich: Kanzler *kann* vielleicht nicht jeder - aber jedenfalls kann es jeder werden, siehe die Zeit seit 1998.

     

    Und Gesundheitsministerin erst recht, das ist noch viel einfacher. - Man braucht da wirklich keinen Funken Ahnung, man braucht nicht mal eine halbwegs passable Rednerin zu sein, man braucht nur GLÜCK.

     

    Hat man auch dieses nicht, dann wird man trotzdem noch in den Himmel gelobt und eben weichgespült als "glücklose" Ministerin bezeichnet. ;-)

     

    Oh Menne, bin ich froh, wenn wenigstens die schlimmsten aus DIESER TRUPPE im Dezember endlich gehen müssen.

  • F
    Florence

    Was für ein Verdummungsprogramm, die Kids sollten für umfassende und freie Bildung eintreten, die ihnen noch bevorstehen sollte, anstatt nur an eine fiktive oberflächliche Karriere mit leerem Hirn zu denken.

  • S
    schreiber

    schade um die schöne gez gebühr ...

  • L
    L.A.WOMAN

    ZDF ist eigentlich nicht auf unsererZapp-anlage zu finden außer bei

    - Neues aus der anstalt

    - Frontal 21

    - Auslandsjournal (mit Einschränkung)

    Zufällig aber war gestern nacht die Wiederholung der Vorstellung der KandidatInnen zu sehen, und da kein Kerner weit und breit, war es doch ganz gut zu ertragen.

    Leider sind aber nun die Finalisten so eindeutig CDU-lastig, selbst bei der sog. Grünen war die Merkel vorn, dass mal wieder die Sendung als "Tiger" angekündigt, dann aber als Kuscheltier gelandet ist.

    Viele waren voll des Lobes für die Leyen:

    Wann sagt mal jemand den Jungspunden, dass alles, was z.B. die sog.CDU Familienpolitik sein soll, seit Jahrzehnten in ähnlicher Form von den Grünen und der SPD zur Betreuung und Familienentlastung beantragt wurde, durch den Bundesrat nie kam, weil die CDU immer blockiert hat?

    Auch zu anderen Fragen wurde der Mangel an politischer Bildung erschreckend evident bei den KandidatInnen. Damit liefert die Sendung den unfreiwilligen Beleg, dass die Demonstrationen zum Thema Bildung allemal berechtigt sind.

    Das Krönchen ist nun der Kommentar aus dem Kanzleramt "anmaßend".. ironisch betrachtet, ist es schon anmaßend, dass jede® KandidatIn für sich, die Merkel mit ihrer bräsigen Lobbyisten-Politik sehr sehr alt und blass aussehen lässt.

  • I
    ichbins

    Wir sind China

  • T
    Torben

    Die Show ist Kokolores und mir egal, aber das ZDF-Sieb ist ausgesprochen interessant:

     

    "Nuray Karaca ist 18, unterstützt die Grünen und kommt aus Wiesbaden. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, die hätten ihr das nur erlaubt, weil die Show im ZDF stattfindet, sagt sie."

     

    Klingt das nur für mich nach einer Konservativen im grünen Kleidchen? Interessant, wo das ZDF die Grünen sieht und nicht zuletzt, wie dem Rentner am Schirm die Grünen vorgekaut werden.

     

    Unabhängig davon habe ich längst eine ähnlich schlechte Meinung von den Grünen, das rechtfertigt aber meines Erachtens nicht eine breit angelegte Politpropaganda durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt.

  • O
    ole

    Oleeee, oleeee, oleeee

    Wir sind Papst, Du bist Deutschland, Ich kann Kanzler;

     

    Nach dem "Banküberfall" der Studenten muß unbedingt die Besetzung der Hauptstadtstudios der ÖR folgen.