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Kommentar Lissabon-VertragOberaufseher der EU

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Karlsruher Urteil zum Lissabon-Vertrag ist pragmatisch und doch von Misstrauen geprägt. Europa muss zwar sein, doch die eigentliche Sorge gilt dem deutschen Nationalstaat.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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16 Kommentare

 / 
  • M
    Martin

    Die Richter haben deutlich gemacht, dass ein Europäischer Bundesstaat (also mehr oder weniger die Auflösung nationaler Souveränität ) mit dem GG nicht vereinbar ist.

     

    Das heißt, wenn das jemand will, so sagen die Richter, muss eine neue Verfassung her. Und das geht nicht ohne den Bürger zu befragen (Volksentscheid - GG.Art. 146). So das Urteil. Was ist daran schlecht? Ist es besser, rücksichtslos das Grundgesetz auszuhebeln, wie es versucht wurde?

  • A
    AnnaMirl

    Wirklich erstaunlich! Da bekommt das deutsche Parlament und die Regierung vom höchsten deutschen Gericht eine Watsche um anschließend zu konstatieren: "Wichtige Hürde genommen" (Merkel = die, die zum Wohle des deutschen Volkes ... und Grundgesetz achten...).

    Ein solches Verhalten gleicht sich Autismus an!

  • P
    Paula

    Ich glaube die ganze undifferenzierte Bejubelung des Vertrages seitens der Presse der Herrschenden nimmt schon vorweg was uns der Vertrag bringt.

     

    Der Tod der neutralen Information

  • E
    Ellen

    Der Artikel zeigt ziemlich deutlich wie es um die journalistische Qualität der TAZ steht.

  • L
    L.A.WOMAN

    Ich bin entsetzt und fassungslos über diesen Kommentar von C Rath!

    Es wird doch mit dem Urteil festgestellt, dass unsere Politiker das GG bei ihrer Unterschrift unter den Vertrag außer Acht gelassen haben!

    Welch eine Schande, es müsste eine Flut von Rücktrittsforderungen über diese Bande hereinbrechen,

    nein, die Propagandapresse hat es schon wieder gerichtet. Im SPON war es schon teilweise schlimm, und beim kurzen Forumbesuch wurde ich mit meinem Kommentar zu den 'Mauermördern Gysi und Lafontaine' in den Sack gepackt, aber von der taz hätte ich alles andere erwartet, aber nicht diesen kalten arroganten Schlag ins Gesicht jedes Bundesbürgers, der sich wirklich mit der Materie versucht zu befassen.

    ES GEHT UM DIE GRUNDRECHTE UND SOMIT UM DIE ZUKUNFT UNSERER KINDER!

    Hierzu gehört das Todesurteil bei Aufruhr, das durch den Vertrag möglich wird.

    Da ich meine Kinder versucht habe zur Kritikfähigkeit zu erziehen, werden sie auch in Zukunft nicht die Klappe halten und sind unter dem Vertrag weitaus ungeschützter als mit unserem Grundgesetz.

    Dies ist nur einer der vielen Kritikpunkte.

    Übrigens: ich bin in keiner Partei, nicht bei attac, aber :

    ich habe den Vertrag seit mehr als zwei Jahren.

  • W
    Wahrheit

    Es kann als eindeutig betrachtet werden, dass die aboslute Mehrheit der Bevölkerung in ganz Europa den Lissabon-Vertrag NICHT will. Aber nur weil jemand etwas nicht will, bedeutet es leider nicht gleichzeitig, dass er sich auch dagegen wehrt.

    Solange jeder nur herumredet, wie schlimm doch alles ist, wird sich keiner der Lissabon-Vertrag-Erfinder in irgendeiner Weise dazu veranlaßt fühlen, ihn zu stoppen.

    Ist der Vertrag ersteinmal in Kraft getreten, wird es keine Demokratie mehr geben. Es wird eine Diktatur herreschen, angeführt von Multikonzernen. Der Markt der frei zur Verfügung stehenden Arbeitssklaven in ganz Europ wird geöffnet werden. Soziale Rechte, Humanität wird es ab dato nicht mehr geben.

  • HU
    Hinz und Kunz

    Da gint es einen Vertrag, der Europa eine Art Verfassung geben soll. Diese wird in Frankreich und den Niederlanden durch das urdemokratische Instrument der Volksabstimmung abgelehnt. Macht ja nix, denken sich die EU-Poltiker, nennen wir es anders und versuchen wirs nochmal, diesmal ohne das lästige Volk zu fragen. Nur im kleinen Irland geschieht dies und wird wiederum abgelehnt. Macht aber immer noch nix, befindet die EU, so Ernst wird das Nein nicht gemeint gewesen sein, geben wir den Iren ein paar Sonderrechte und lassen sie ganz einfach nochmal abstimmen und nochmal...irgendwann müssen sie ja mal ja sagen. Die Art wie der Lissabon-Vertrag eingeführt wird, hat meiner Ansicht nach nicht mehr viel mit Demokratie zu tun. Vom teilweise zweifelhaften Inhalt des Vertrags mal gar nicht zu reden. Dass Kritiker des Werkes von Politikern fast aller Parteien gebetsmühlenartig als Nationalisten udn Extremisten abgetan werden, daran hat man sich ja gewöhnt, wo kämen wir denn hin, wenn im ach so demokratischen Europa mehrere gleichwertige Meinungen gestattet wären! Dass jetzt aber auch noch die Taz in dieses dumpfe Horn tutet, enttäuscht mich ein wenig....Wir brauchen Institutionen wie das BVG dringend, sie sind das Einzige was Leute wie Barroso und Schäuble manchmal ausbremsen kann. Der Bürger kann es nicht, der wird ja auf breiter Front ignoriert..

  • F
    FrederikeMK

    "Oberaufseher der EU". Haben Sie das Urteil überhaupt verfolgt und gelesen, Herr Rath? Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass das Begleitgesetz NICHT dem Grundgesetz entspricht, das Grundgesetz auf undemokratische Weise aushebelt und die Rechte von Bundesrat und Bundestag zum Großteil aufhebt. Und diese Feststellung des Gerichtes, Herr Rath, ist eine gigantische Ohrfeige in die Gesichter der in der (wohlgemerkt: deutschen) Regierung befindlichen Personen und Parteien.Das heißt, diese haben ein undemokratisches und dem (wohlgemerkt: immer noch DEUTSCHEN) Grundgesetz widersprechendes Gesetz verabschiedet. Zum wiederholten Male übrigens. Entweder haben diese Leute dies in grob fahrlässigster Weise getan, oder aber bewußt. Beides widerspricht ihrem Amtseid, Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden und das Grundgesetz zu achten. Gegenüber diesen Vorgängen kann man auch ganz andere Worte finden. Wie wär's damit: ein kalter Putschversuch der Bundesregierung gegen die Vertretungen des Volkes (Bundestag) und die Vertreter der Länder (Bundesrat) zur Aushebelung deren verfassungsrechtlich geschützter Befugnisse konnte durch Klagen von der LINKEN und Herrn Gauweiler u.a. durch das Bundesverfassungsgericht rückgängig gemacht werden.

    Was das schlimmste ist, die Abnicker im Bundestag haben diesem Gesetz zugestimmt.

    Das die herrschenden Parteien und Politiker jetzt so tun, als wäre gar nichts passiert, ist für diese Leute normale Routine.

    Man muss als Journalist dieses Spiel aber nicht mitspielen.

    Man kann diese Vorgänge auch tiefer reflektieren, als Sie, Herr Rath, uns dies in Ihren Beiträgen nahebringen.

    Quo vadis, taz?

  • KK
    Klaus Keller

    Sandstreuer:Wer streut Sand? Ich denke der Kommentator.Das Bundesverfassungsgericht prüft ob der Vertrag vefassungswiedrig ist oder nicht wenn ich das richtig verstanden habe.Wenn unsere Regierung nationale Rechte delegieren und damit abgeben will muß sie vorher die Verfassung ändern.Ich habe zb kein Interesse an einem katholisch gefärbten Abtreibungsrecht oder das Christum als Bestandteil irgendwelcher Grundlagebverträge das wir uU bekommen wenns in der EU entspreche Katholische Mehrheiten gibt.

    Die Idee das die EU ist in erster Linie ein Wirtschafts.-Währungsraum.- und Lebensraum aus national gefärbten Einzelstaaten wo individuelle Lösungen möglich sind ist nicht das schlechteste.

     

    Klaus Keller Hanau

  • A
    alcibiades

    Nur weil es vielen nicht schmeckt, wie im Lissabon-Vertrag durch die Hintertür fragwürdige Regelungen wie die Festschreibung neoliberaler Ideen auf quasistaatlicher Ebene oder auch die Legitimation der Todesstrafe bei Aufruhr - um nur mal ein paar der jüngst diskutierten Punkte rauszugreifen, das Werk hat ja Tausende von Seiten - kann man sie doch nicht gleich als Oberaufseher und Nationalisten diffamieren, wie es Herr Rath hier nahelegt. Ein Europa, in dem Mitbestimmung und Kritik kaum möglich sind, interessiert mich tatsächlich nicht besonders, das heisst aber nichts über meine grundsätzliche Sympathie für den europäischen Gedanken.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Denkt überhaupt noch irgendjemand bei der taz ????

    Wir sollen noch enger abhängig werden von Kriegsverbrechern ( GroßBritanien - IRAK ) , Koalition der Willigen ( Polen, Dänemark, etc - IRAK)

    Warum wohl wird Irland eine Autonomie in Militärfragen zugebilligt ? Dies wäre doch würdig der juristischen Beleuchtung !

    Dieses Europa ist ein mieses Konstrukt und gebiert immer Mieseres. Noch nicht einmal eine Ausstiegsklausel ( oder irre ich mich ? ) enthält die EU wie die excelente SowjetVerfassung.

    Ich befürchte Trennungskriege wie in Jugoslawien, wenn es denn mal wirklich länger krieselt.

    Und dann wird den korrupten Eliten - wie immer - fast nichts passieren. Die gewöhnlichen Bürger werden es ausbaden müssen.

    Deutschland hat mit Schröder, Fischer und Co seine Nachkriegsunschuld verloren. Es gab historische Chancen neue Wege zu beschreiten ... Aber wenn wir schon Verbrechen begehen, wie fast alle Anderen, dann doch lieber selbstbestimmte !

  • W
    Wolfghar

    Sehr guter Artikel,

     

    zu viel Demokratie ist nur Sand im Getriebe des neuen starken Europa.

    Der Wächterrat um Ayatollah Sarkozy und Baroso wissen am besten was gut ist für das Volk.

    Wie wollen wir denn unsere heiligen Firmen wirklich stark machen wenn wir immer auf so rückständige Werte wie Identität, Demokratie und Rechte der Proleten setzen.

    Das macht in China auch niemand.

    Deshalb weiter so! Für ein Europa der starken Konzerne. Lasst Euch nicht aufhalten von ewig gestrigen links und rechts Dummschwätzern.

    Wir wollen ein MultiKultieinheitskonsumentenbrei werden der leicht zu regieren ist.

    Solch einen Fortschritt kann man nicht erreichen wenn man zuviel das Volk fragt.

    Die Bürger sind einfach noch nicht so weit, man muss ihnen die Entscheidungen abnehmen.

    Tolle Sache das die Mainstreampresse das so erkennt und daran mitwirkt.

    Ich weiss schon warum ich keine TAZ mehr kaufe.

  • H
    Henning

    Ein nahezug populistischer, oder besser: Wischi-Waschi-Kommentar.

     

    Es werden etliche Behauptungen aufgestellt, ohne sie jedoch fundiert zu begründen. Die Entscheidung wird dahingehend banalisiert, dass man sie nur als "Gouvernante Europas" auffasst, wobei die Kritik des BVerfG jedoch angebracht und richtig ist.

     

    Denn bei einem müssten wir uns doch einig sein: Kein europäischer (Integrations)prozess ohne demokratische Legitimation!

  • F
    Florentine

    "...die eigentliche Sorge (des Bundesverfassungsgerichts)gilt dem deutschen Nationalstaat, seiner Demokratie und seiner Souveränität". Ja, und das ist auch gut so. Wenn die Politiker und die Parteien (ausser der Linken und Gauweiler ua.) schon so tun, als wäre Deutschland und die hier lebenden Menschen(incl. Migranten mit Staatsbürgerschaft) nichts mehr Wert, dann sorgt sich zum Glück noch das Bundesverfassungsgericht über das Grundgesetz. Welch Armutszeugnis für die Politiker von CDU/CSU/SPD/FDP. Die nicken immer öfter irgendwas ab, ohne die Inhalte zu lesen, geschweige denn, darüber nachzudenken. Das Grundgesetz hat für diese Leute ganz offensichtlich keine Bedeutung mehr. Und sowas will als UNSERE Vertreter im Bundestag UNSERE Interessen vertreten haben? Weg mit diesen Leuten. Nix Lissabon-Vertrag.DEmokratie jetzt.

  • T
    thomsen

    Das Problem ist doch eher, dass in Brüssel in erster Linie die Regierungen sowie die Kommission und ihre Bürokratie entscheiden.

     

    Und dass die Europa-Politiker im EU-Parlament und die Medien es einfach (noch) nicht geschafft haben, eine demokratische europäische Öffentlichkeit zu schaffen, welche diese europäische Kungelrunde wirksam kontrolliert.

     

    Bisher beschränkt sich die Demokratie eben immer noch auf den Nationalstaat. Wer die Demokratie schützen will, muss deshalb dafür sorgen, dass die nationalen Parlamente und Verfassungsgerichte das letzte Wort behalten.

     

    Deshalb ist es gut, dass das Verfassungsgericht den Bundestag zwingt, sich mit dem Lissabon-Vertarg inhaltlich auseinanderzusetzen, und ihn nicht einfach wie gewünscht durchzuwinken. Ich wette, die ganz überwiegende Mehrheit der Abgeordneten hat den Vertrag noch nicht einmal gelesen. In Frankreich kam das "non!" übrigens nicht zuletzt deshalb zustande, weil es eine öffentliche Diskussion gab, und die Wähler anfingen, sich für den Inhalt zu interessieren ...

     

    "Es gibt noch Richter in Karsruhe!"

  • H
    Hemd

    Genau, die Gouvernante von Europa...

    Mit Verlaub - wie kann man nur so einen Unsinn schreiben??

    Die Völker Europas, die sehr wahrscheinlich ähnlich wie Irland abgestimmt hätten (bzw. haben im Falle der Niederlande und Frankreichs), wenn sie gefragt worden wären, hätten ja sicher auch nur Sand ins Getriebe gestreut?!

    Komisch, dass sie ihrer eigenen Entmachtung auch nicht zustimmen wollen, oder??

    Ein schönes Demokratieverständnis hab Sie da!