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Online-Petition gegen GemaDer Krieg der Kreativen

Freitag endet die Frist einer Online-Petition gegen die Gema. Fast 100.000 Menschen haben schon unterzeichnet. Die Petition ist ein Selbstläufer, in dem sich der Groll entlädt.

Wenn das die Gema sieht! Musikalische Aufführung auf dem Kopf. : photocase/pellegrina

Es herrscht Krieg. Auf der einen Seite Monika Bestle, Kulturhauschefin aus Sonthofen im Allgäu. Auf der anderen Seite die Gema, die "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte", mit Sitz in München und Berlin. Mit tausenden berühmten Mitgliedern aus der Musikbranche und viel Macht.

Monika Bestle, 60, ist eine kreative Kleinveranstalterin, sie organisiert Konzerte und muss bei der Gema dafür zahlen. "Die Gebühren bedrohen meine Existenz", sagt sie. Als die Gema wieder mal eine überhöhte Rechnung schickte, reichte es ihr. Bestle schrieb eine Online-Petition an den Bundestag; sie fordert darin "eine umfassende Reformierung der Gema in Hinblick auf die Berechnungsgrundlagen für Kleinveranstalter, die Tantiemenberechnung für die Gema-Mitglieder, Vereinfachung der Geschäftsbedingungen, Transparenz der Inkasso-Modalitäten". Eine sperrig formulierte Kriegserklärung.

Für Bestle arbeitet jetzt das Internet. Die Petition ist einer dieser Selbstläufer, in denen sich der Groll ganzer Gruppen bündelt und entlädt. Fast 100.000 Menschen haben schon unterschrieben. Endlich, sagen viele, wird mal öffentlich darüber diskutiert, die Gema umzukrempeln. Damit sie nicht mehr so arrogant auftritt, damit sie sich nicht mehr verhält wie eine Mischung aus schlecht organisierter Behörde und Inkassobüro. Damit nicht die meiste Zeit bei der Vorbereitung von Konzerten dafür draufgeht, Gema-Formulare auszufüllen.

Wem gebührt was?

Die Gema: Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Prinzip: Künstler werden Gema-Mitglied; wer ihre Werke nutzt (CD, Radio, Club), muss zahlen.

Die Petition: Fast 100.000 Menschen haben bereits eine Onlinepetition unterschrieben. Sie fordern, das Handeln der Gema zu prüfen. Nun lädt der Petitionsausschuss zum Gespräch.

Die Gema treibt für Komponisten, Texter und Verleger von Musik Geld ein, wenn andere deren Lieder spielen. Sie kassiert auch, wenn Monika Bestle in ihrer Kulturwerkstatt dienstags den Witwen- und Witwertreff organisiert und donnerstags das Abschlusskonzert der Musikschule veranstaltet. Bestle ärgert diese Bürokratie. Dass man jedes Liedchen melden muss, das man in der Konzerthalle und im Friseursalon spielt.

Es geht auch um Strafen, die Leute zahlen müssen, wenn sie was falsch machen bei all den Gema-Formularen. "Dann berechnen sie einfach mal das Doppelte", sagt Monika Bestle, "es geht darum, wie die mit einem umgehen."

Im Forum der Petitionsseite, unter der Kriegserklärung, kann man nachlesen, was die Monika Bestles denken. Ein User erzählt von einer Lesung, die er veranstaltet hat, die Gema will jetzt Geld von ihm, obwohl gar nicht gesungen wurde. Ein anderer beklagt, dass die Gema mehr Geld eintreibe, als sie an die Künstler ausschütte: "Die ist eine Abschöpfungs-Gesellschaft. Ein Schmarotzer. Ein wuchernder Kropf." Man liest da auch das Wort "Mafia" und dass Gema-Mitarbeiter sich auf Mittelaltermärkten herumtrieben, um nach Akkorden aus berühmten Liedern zu suchen, die sie dann in Rechnung stellen können.

Monika Bestle hat offenbar einen wunden Punkt getroffen. So viele Menschen haben schon unterschrieben, dass der Petitionsausschuss sie und Gema-Vertreter einladen muss, um sich beider Argumente anzuhören. "Damit Künstler endlich zu ihrem Recht kommen", sagt Bestle, "damit die Gema endlich solidarisch wird." Dass ihre Petition selbst nicht viel ändern wird, weiß sie selbst. Aber sie zwingt die Gema zum Gespräch.

Mehr Gema-Gebühren

Vielleicht ist Bettina Müller in diesen Tagen so was wie die Kriegsministerin der Gema. Sie ist verantwortlich für die Kommunikation. Wer zu Müller will, muss nach München kommen, in einen roten Ziegelbau an der Isar mit riesigem, weißem Foyer, "Music is our first Love" steht da an der Wand. Bestle würde "Love" wahrscheinlich am liebsten durch "Money" ersetzen.

Bettina Müller hat ihre eigene Erklärung für Monika Bestles Erfolg. "Das, was diese Petition so angetrieben hat, ist klassisches Guerilla-Marketing", sagt sie. Unzählige Leute, auch viele von Einfluss, hätten Massenmailings bekommen. Manche mehrmals am Tag. Nicht von Monika Bestle, sondern von den großen Konzertveranstaltern, solchen mit mehreren tausend Gästen am Abend. Denen hat die Gema gerade die Gebühren erhöht, denen kommt Monika Bestle mit ihrer Petition gerade recht.

Bei der Gema haben sie trotzdem keine Angst, sagt Bettina Müller. Manche Kollegen sind etwas verunsichert. Was sie denn sagen sollen, wenn Kunden anrufen und Fragen haben? "Sie wissen doch, wie das mit solchen Petitionen ist", wiegelt Müller ab. "Es gab auch schon eine, die hat gefordert: Schafft die Bild-Zeitung ab. Das geht ja auch nicht." Nicht so ernst nehmen also?

Die Gema ändere sich doch ohnehin längst, sagt Müller. Eine neue Unternehmensstrategie gibt es seit 2006, die brauche eben nur Zeit. Die neuen Geschäftsführer hätten die Probleme längst erkannt und die Gema, sagt Müller, habe jetzt einen besseren Internetauftritt. Und mehr Kulanz, Sozialtarife und Härtefallregelungen für schlecht besuchte Veranstaltungen. "Ein bisschen einlesen muss sich natürlich trotzdem jeder, der ein Konzert veranstaltet." Überhaupt müsse noch an dem Bewusstsein gearbeitet werden, dass Musik einen Wert habe, sagt Bettina Müller. Bei einem Produkt, das man in die Hand nehmen kann, sei das leichter. Wer Musik spiele, müsse dafür eben bezahlen.

"Das ist mir ja alles klar", sagt Monika Bestle dazu. Und dass es ihr darum gehe, wie sich die Gema ihr gegenüber verhält. Wie sie mit ihr spricht. Es hat noch kein Gespräch gegeben zwischen Bettina Müller und Monika Bestle.

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