: Ariane-Spezialisten in Sorge
Anfang Dezember muss die Bundesregierung 50 Millionen Euro für die weitere Entwicklung der Trägerrakete Ariane freigeben – sonst stehe die Entwicklungsabteilung der Trägerrakete auf der Kippe, erklärt EADS-Chef Dudok und schlägt öffentlich Alarm
Bremen taz ■ Der Zeitpunkt war günstig gewählt: In der Nacht zum Donnerstag ist die zweite „große“ Ariane-V-Trägerrakete mit zwei Fernmeldesatelliten erfolgreich in Kourou gestartet. Am Donnerstag Mittag hat der EADS-Chef Evert Dudok einen Hilferuf an die Presse gestartet: „Wir haben ein Problem.“ Allein am Standort Bremen haben 120 seiner hochqualifizierten Entwicklungsingenieure vom kommenden März an keine Arbeit mehr, deutschlandweit sind es bei der Ariane 200, deren Arbeit auf dem Spiel steht.
Denn bisher hat Deutschland seinen Anteil – 50 Millionen Euro pro Jahr – für die Fortentwicklung der Ariane noch nicht genehmigt. Und am 5./6. Dezember ist „Ministerrat“ der Europäischen Raumfahrt-Agentur ESA , wo die Entscheidung fallen muss. Dabei stehe mehr auf dem Spiel als die 200 Jobs: „Es geht um einmalige Entwicklungskompetenzen“.
Wenn die Spezialisten für die „Oberstufe“ der Trägerrakete nicht in Bremen weiter sinnvoll beschäftigt werden, sei das ganze europäische Ariane-Projekt mittelfristig gefährdet. Denn solche Kompetenz-Zentren „baut man nicht in fünf Jahren so mal auf“, sagt Dudok. Und wenn die Ariane die weitere Entwicklung der nächsten Generation der Trägerraketen verschlafe, werde die Konkurrenz sie verdrängen. Kaum vorstellbar, dass Deutschland sich solch eine Blamage leistet. Aber der EADS-Chef ist in Sorge. „Normalerweise bekomme ich in drei Wochen einen Termin in Berlin beim zuständigen Staatssekretär“, schildert Dudok die Lage. „Aber vor drei Wochen hätte ich gar nicht gewusst, mit wem ich reden muss.“ Die ESA-Ministerkonferenz fällt in eine Zeit, in der Berlin handlungsunfähig ist. Immerhin ist jetzt klar, dass der Wirtschaftsminister zuständig werden und Michael Glos heißen soll. Da er aus Bayern kommt, könnte man unterstellen, dass er etwas für die Raumfahrt übrig hat. Genau weiß das aber niemand.
Die EADS hat schon mal einen Brief geschickt, aber sicherheitshalber geht sie auch an die Öffentlichkeit. Wenigstens aus der Zeitung sollen die zuständigen Politiker erfahren, worum es geht: Um 50 Millionen Euro zusätzlicher Entwicklungsgelder für die Fortentwicklung der Trägerrakete Ariane. Sie soll „wiederzündbar“ werden, also etwa fünf Galileo-Satelliten mitnehmen und, wenn sie einen abgesetzt hat, neu beschleunigen können. Sie soll mehr Schubkraft, bekommen, mehr Nutzlast (12 Tonnen) transportieren können. Alles wichtige Entwicklungen, damit die europäische Ariane der „Marktführer“ bei den Trägerraketen bleiben kann.
Dudok, ein Holländer, benutzt drastische Worte: „Ohne diese Zusatzmittel ist das Thema tot.“ Wobei die Chancen für den Nachschlag eigentlich gut seien: Im Koalitionsvertrag sind sechs Milliarden Euro für „Innovation“ festgeschrieben, Raumfahrt gehört dazu. Aber was für Absprachen es dazu gibt, wissen selbst die Ansprechpartner von Dudok im Forschungsministerium nicht. Die Lobby-Spezialisten der EADS sind unsicher, wer nun der richtige Adressat für sie ist.
Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) lädt daher am kommenden Mittwoch zu einer Pressekonferenz direkt nach Berlin – neben dem Bremer Evert Dudok sitzt da der Bremer OHB-Chef Manfred Fuchs, um gemeinsam zu trommeln. „Ein High-Tech-Bereich wie dieser kann nur überleben, wenn er seine Entwicklungskompetenzen erhält“, sagt Dudok. Das müsste auch dem Bayern Michael Glos einleuchten. Klaus Wolschner
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