piwik no script img

Umweltausstellung in der VW-AutostadtDas grüne Netz

Klimawandel, technische Innovation und persönliche Verantwortung: Wie die Nachhaltigkeitsausstellung "Level Green" in der Wolfsburger Autostadt die Umwelt schützen will.

Klimawandel zum Anfassen: In Wolfsburg wird den Besuchern gezeigt, wie jeder Einzelne die Umwelt verschmutzt. Bild: dpa

Die zentralen planetarischen Probleme der Energiegewinnung und des Klimawandels werden gelöst durch politische Entscheidung und technische Innovation.Wir machen inzwischen weiter wie bisher. Das ist super. Aber nur die eine Schule.

Die andere geht davon aus, dass es keine politischen Entscheidungen zum ökosozialen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, keinen Einsatz von neuer Ökotechnik und keine nachhaltige Produktion von nachhaltigen Produkten geben kann, wenn nicht etwas Drittes diese Entwicklung antreibt: Bürgerwille und Bürgerengagement.

Dieses Engagement benötigt als Fundament Wissen und Bewusstsein, oder sloganesk gesagt: eine Klimakultur in der Gesellschaft. Sie zu schaffen, braucht es Vernetzung. Dieses grüne Netz gibt es noch nicht in der Gesellschaft. Aber in Wolfsburg. Genauer gesagt in einer neuen Dauerausstellung in der Autostadt Wolfsburg mit dem Titel "Level Green - Die Idee der Nachhaltigkeit".

Es geht um Klimawandel, technische Innovation und persönliche Verantwortung und ist ein mit großem Aufwand inszenierter US-amerikanischer Typus von Ausstellung, den man sich öfter wünschte: Setzt wenig voraus, ist ganz und gar nicht banal, dafür spielerisch, technikbegeistert, hochmodern, interaktiv und funktioniert so auf verschiedenen Ebenen und für ein heterogenes Publikum.

Wenn man seinen "ökologischen Fußabdruck" misst, das ist der persönliche Energiebedarf und Kohlendioxidausstoß pro Jahr, so kann man seinen Fuß mit jedem dazukommenden Flug wachsen sehen. Wenn man sicher sein will, ob weniger Fleisch essen nur symbolisch eigene Tugendhaftigkeit ausstellt oder tatsächliche Relevanz hat, kann man es an einem anderen Exponat auf einen Blick rausfinden.

taz

Dieser Text ist aus der aktuellen sonntaz vom 1./2.8.09 - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

Wenn man möchte, dass der Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker einen Appell zur Veränderung des Lebensstils hält, braucht man nur auf den Knopf zu drücken. Wenn man lieber hören möchte, dass ökoeffizientes Handeln reich macht, schaltet man den VW-Manager und obersten Konzernforscher Jürgen Leohold an.

Dominierendes Moment im Raum ist das grüne Netz; ein architektonisches Konzept des Berliner Architektenbüros J. Mayer H., das die 25 Exponate verbindet. J. Mayer H. haben als ein Arbeitsprinzip das Schaffen von Bildern, mit denen eine Geschichte erzählt wird, etwa mit ihrem vielgerühmten Projekt Metropol Parasol in Sevilla.

Dort hat man einen öden Platz auf verschiedenen Ebenen kulturell und kommerziell, lokal und touristisch neu erschlossen, ihm damit eine neue Identität gegeben und das Prinzip einer "demokratischen Kathedrale" durch die Überdachung mit riesigen "Sonnenschirmen" ausgedrückt.

In Wolfsburg haben die Architekten das simple Recycling-Symbol PET genommen und daraus eine Art grünes Netz entwickelt, das die gesamte Ausstellungsfläche von etwa 1.000 Quadratmetern abdeckt, die Atmosphäre bestimmt und am Ende den bleibenden ästhetischen Eindruck hinterlässt. Die grüne Welt der Zukunft ist weniger Biologie als Technologie. Das fühlt sich etwas glatt und leer an, aber keineswegs unangenehm.

Nachhaltige Architekten

Aber was ist die Geschichte? Anruf bei Jürgen Mayer H. "Wir kennen das Recyclingdreieck als vereinfachte Form, dass alles im Fluss bleibt und wiederverwendet wird. Wir wollten sagen, die Sache ist komplizierter, und haben die simplifizierte Struktur aufgebrochen und in eine komplexere Struktur überführt", sagt der Architekt.

Das Netz sagt einerseits, dass alles viel komplizierter ist, andererseits sagt es, dass es keine Lösung gibt, solange man die Bereiche nicht zusammendenkt. Die Struktur ist weder heimelig noch bedrohlich. Sie könnte auch die nötige Verbindung von Wissenschaft, Technik, Nachhaltigkeit und Pop symbolisieren.

Mayer H. hält nachhaltige Architektur im 21. Jahrhundert für eine "Selbstverständlichkeit", sieht sich aber bei diesem Thema als Teil einer "Unsicherheitsgesellschaft". Beispiel Biosprit. Was grade noch richtig war, sei jetzt schon wieder falsch, jeder müsse "für sich selbst entscheiden und das immer wieder neu".

Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Besucher, der gerade sein neues Auto abholt, umgehend alternative Mobilität zu seinem Lebensthema macht. Aber man zählt an jedem von 363 Öffnungstagen im Jahr 6.000 Menschen. Diese Besucher werden durch den gesamten Parcours der Konzernwelt geschleust, und nun eben auch durch die Öko-Ausstellung. Ob sie ein atmosphärisches Gefühl mitnehmen oder vertieftes Wissen - erreicht werden jedenfalls viele.

Nun kann man sagen, dass das kommunizierte Ziel der Automobilkathedrale Autostadt der Gewinn von Sympathie für VW ist. Man wird argwöhnen, dass es dem global produzierenden und verkaufenden Automobilkonzern zum jetzigen Zeitpunkt nicht darum geht, das Klima zu retten, in dem er keine Autos mehr herstellt. Logisch: Man wird aus erleuchtetem Eigeninteresse eher auf Lösungen durch Technologie setzen. Und das auch nur, so es denn unbedingt sein muss.

Aber da morgen schon alles anders sein kann, VW vielleicht ein völlig anderer Konzern sein wird, der andere, moderne Mobilität anbietet - bitte: Die Ausstellung soll "zum Nachdenken anregen". Und auf solche Gedanken kommt man im Banne des grünen Netzes.

"Level Green - Die Idee der Nachhaltigkeit". Dauerausstellung. Autostadt Wolfsburg, Stadtbrücke, täglich 9-18 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!