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ARD-Doku über KonsumDie heimlichen Verführer

Beim Einkauf werden wir unterbewusst manipuliert. Das behauptet die Doku "Angriff auf die Sinne" (Mi, 23.30 Uhr, ARD) - und bleibt den Beweis schuldig.

Wie beeinflussen Düfte und Geräusche unser Kaufverhalten? Labortests sollen Antworten liefern. Bild: ndr

Sissel Tolaas riecht in einem Berliner Hotel an Vorhängen, Bettdecken, Möbeln, Geländern, einfach an allem. Dafür wird sie bezahlt. Die Geruchsexpertin Tolaas hat von einer Schweizer Hotelkette den Auftrag bekommen, einen unverwechselbaren Geruch zu kreieren, den "Corporate Smell". Der Clou: Die Kunden sollen gar nicht erst merken, dass sie durch unterschwellige Geruchsbedieselung zum Wiederkommen verführt werden sollen. Um mit dem perfekten Duft "ein bisschen Wärme reinzubringen" ins kalte Hotel, hat die Chemikerin aus Norwegen ein halbes Jahr Zeit. Die Hotelkette erhofft sich durch ihre Arbeit mehr Kunden und folglich mehr Geld.

In seinem Film "Angriff auf die Sinne - Wie wir Verbraucher verführt werden" geht Jan Tenhaven der Frage nach, warum wir kaufen, was wir kaufen. Treffen wir Entscheidungen wirklich immer bewusst? Was spielt neben Preis und Qualität noch eine Rolle? Tenhavens These lautet: Firmen manipulieren unser unterbewusstes Kaufverhalten immer raffinierter - mit künstlichen Gerüchen und Geräuschen.

So zeigt Tenhaven beispielsweise, wie die Verführung zum Geldausgeben in den Niederlanden systematisch erforscht wird. Vom Licht über die Musik bis hin zum Geruch, alles in der Kantine der Uni Wageningen ist steuerbar. Kaufen wir lieber bei rotem oder bei grünem Licht? Bei klassischer Musik oder Pop? Zehn Jahre soll das Experiment dauern. Finanziert wird es zum Großteil von der Industrie. "Wir wissen eigentlich nicht, warum wir tun, was wir tun", sagt Rene Koster, der das Projekt betreut. Wir handeln nicht immer rational, sondern lassen uns von den Sinnen täuschen, so die bisherige Erkenntnis. "Licht, Ton und Duft wird im Marketing mehr genutzt", sagt Koster und fügt hinzu, entscheidend sei, dass man das Kaufen "sozusagen erlebt".

Aber sind wir denn wirklich so leicht zu manipulieren? Wie funktioniert das psychologisch? Laufen wir in Zukunft immer der Nase nach? Der Frage geht Tenhaven leider nicht nach. Um seine These zu belegen, zeigt er stattdessen einen Düsseldorfer Erlebnissupermarkt. Dort geben die Menschen kurze Statements in die Kamera ab, wie etwa: "angenehm" und "gutes Gefühl". Wenn sich die Kunden wohlfühlen, so der Supermarktleiter, "dann bleiben sie auch länger und geben mehr Geld aus".

Außerdem begleitet Tenhaven einen Psychoakustiker bei der Suche nach dem perfekten Staubsaugergeräusch für einen großen deutschen Elektrohersteller. Der gelernte Instrumentenbauer Friedrich Blutner analysiert in seinem Labor Staubsaugergeräusche und lässt von Hausfrauen saugen und bewerten. Das Ergebnis: "Die wollen Power und Saugkraft hören", sagt Blutner, selbst wenn das Gerät diese gar nicht hat. Die Lösung nach 14 Monaten Arbeit ist ein kleiner Propeller, der im Staubsaugerrohr das optimale Rauschen erzeugt. Ob das jetzt mehr Käufer bringt, bleibt ungeklärt.

"Am Ende geht es ums Verkaufen, dafür werden wir von unseren Firmen bezahlt", sagt auch Per Nimer. Der Schwede arbeitet als Farbdesigner für den weltgrößten Farbhersteller. "Wir müssen herausfinden, was die Leute kaufen, bevor sie es selber wissen", sagt Nimer. "Terrorismus, Reisen, Mode machen die Leute empfindlich für neue Farben", erklärt der Farbexperte die Entwicklung des Geschmacks.

Tenhaven macht den Verbraucher in seinem Film zum steuer- und manipulierbaren Wesen. Direkte Belege bringt er dafür nicht. Ob die Bemühungen der Konzerne, ihre Kunden mit allen Sinnen zu verführen, wirklich fruchten, bleibt offen. Sissel Tolaas ist nach langwieriger Arbeit und einem Kurztrip in die Schweiz mit ihrem Duft fertig. Nach Schnee, Bergen und Geld soll es künftig im Hotel riechen. "Kannst du damit leben?", fragt sie den Hoteldirektor am Ende des Filmes. Der ist zufrieden - mit einer Einschränkung: Das Geld könne er in dem Duft noch nicht erkennen.

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6 Kommentare

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  • N
    Nea

    Ich erinnere mich noch gut an einen Besuch in einer Filiale einer großen Schuhladenkette. Bereits kurz nach dem Betreten habe ich mich unwohl gefühlt, nach ein paar Minuten Aufenthalt kamen Atemnot und Übelkeit dazu. Ich musste den Laden mehr oder weniger "fluchtartig" verlassen. Davor und danach (nach ein paar Minuten frischer, geruchsfreier Luft) war wieder alles gut.

  • B
    Barbara

    Denkt dabei eigentlich niemand an die immer zahlreicher werdenden Duftstoffallergiker? Wäre mal zu klären, ob diese Duftberieselung nicht eine Körperverletzung ist.

  • O
    onkelklaus

    Das mit der Musik funktioniert nur eingeschränkt. Wenn jemand z.B. Klassik nicht leiden kann, nervt ihn die Hintergrundberieselung eher. Ein Wagner-Fan wird auch von leichter Klassik eher abgetörnt. Das was uns am meisten als Kaufhausbeschallung zugemutet wird, lässt einen ohnehin fluchtartig in Richtung amazon rennen.

  • N
    NoneMoreNegative

    ""Terrorismus, Reisen, Mode machen die Leute empfindlich für neue Farben", erklärt der Farbexperte die Entwicklung des Geschmacks."

    Terrorismus? Der 11. September also ein geheimes Produktdesignprojekt? Diese korrupten Kapitalisten werden immer skrupelloser ...

  • D
    Designer

    Ohne die Doku schon zu kennen, kann ich behaupten, dass gezielte Beeinflussung stattfindet. Manipulation mag ich es nicht nennen, denn es wird in dem Sinne niemand "willenlos" gemacht auch wenn die Kampagnen schon sehr ausgeklügelt sind.

     

    Das Buzzword für Unternehmen heißt Corporate Identity und beschreibt eine Vielzahl von Maßnahmen zur Selbstprofilierung, die darauf abzielt sich "unique" zu präsentieren und Identifiktaion bei dem Kunden zu bilden. Ganz klassische Bereiche sind das Corporate Design, mit Formen, Farben, Fonts, Bildsprache und -welten, Rastern, usw., aber auch Corporate Soundbrands, wie z. B. das der Telekom, welches jedes zweijährige Kind mit da-da-da-da-daaa wiedergeben kann; sitzt es nur lang genug vor der Glotze. Besonders gut kann man es, wie beschrieben, in Kaufhäusern beobachten. Zum einen sind sie von der Innenraumarchitektur so angeordnet, dass Kunden für Produkte des täglichen Bedarfs möglichst weit laufen, um an allem möglichst einmal vorbeigekommen zu sein. Blickrichtung spielt dabei eine Rolle und das Tempo. Musik ist dabei nicht unwichtig. Seichter Pop in Herzfrequenz mit ca. 80 bpm oder niedriger hört man sehr häufig. Am Regal selbsr erleben wir eine gezielte Produktplatzierung, die weithin bekannt ist.

     

    Das die Corporate Identity sich auch im Produktdesign wiederfindet ist ganz normal. Autohersteller achten sehr genau auf den Klang aller Teile in einem Auto, dass ein Gefühl von Stabilität und Hochwertigkeit geben soll. Innenraumgerüche sind ebenfalls sehr wichtig. Das sich eine Hotelkette dafür interessiert ist nicht verwunderlich. Was könnte für sie besser sein, als wenn sich Kunden allein aufgrund des Geruchs schon wohlfühlen. Das olfaktorische Gedächtnis ist sehr langlebig und stark geprägt. Es ist etwas perfide aber besten wäre ein Geruch, der Assosiazion von "zu Hause" bewirkt. Was dabei passiert kann jeder nach mehreren Stunden Abwesenheit an sich selbst ablesen, wenn er zur Haustür reinkommt.

  • V
    vic

    Ich kaufe was ich brauche und in einem Hotel dessen Duft mir aufgefallen wäre, war ich noch nicht. Vermutlich liegt so etwas über meiner Einkommensklasse.

    Aber ok, Menschen sind grundsätzlich manipulierbar. Also wird´s wohl hier und da funktionieren.