Kommentar NPD in Sachsen: Demokratisches Vakuum
Die demokratischen Parteien haben die sächsische Provinz aufgegeben. So wird die NPD gestärkt, denn ihr stellt sich niemand mehr entgegen, um all die heiße Luft herauszulassen.
I n Dörfern der Sächsischen Schweiz sieht der Wahlkampf erschreckend einseitig aus. Die einzige Partei, die flächendeckend plakatiert hat, ist die rechtsextreme NPD. Ob sie gegen Ausländer hetzt, Arbeit nur für Deutsche fordert oder zum Boykott ausländischer Produkte aufruft, ihre demokratiefeindlichen Positionen hängen an fast jeder Straßenlaterne. Von Plakaten demokratischer Parteien fehlt in der Provinz hingegen oft jede Spur.
Ulrich Schulte leitet das taz-Inlandsressort.
Diese augenfällige Abwesenheit belegt nicht die Stärke der NPD, auch wenn die Rechten dies der Öffentlichkeit gerne weismachen wollen. Die NPD hat laut Verfassungsschutz in Sachsen gerade mal 850 Mitglieder, die Zahl ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. Die Dominanz der Neonazis resultiert vielmehr aus der Schwäche der anderen Parteien. Sie befinden sich in vielen ländlichen Gebieten Ostdeutschlands auf dem Rückzug, oder sie haben aufgegeben.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Da wäre zum Beispiel das Personalproblem, das fast alle Parteien in der Fläche trifft - sie finden kaum noch Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Dem bestimmten Auftritt "Freier Kameradschaften" steht also keine starke Parteibasis gegenüber, die Plakate klebt, Marktplätze bespielt und rhetorisch Contra gibt.
Auch die Linkspartei, die in der Bevölkerung noch am besten verankert ist, kämpft mit der Überalterung ihrer Mitglieder. Nicht zuletzt treten Neonazis auch deshalb so selbstbewusst auf, weil sie Zustimmung in der Bevölkerung spüren, die diverse Studien belegen.
Indem die NPD also in ein Vakuum stößt und sich dort aufbläst, führt sie der Zivilgesellschaft eine unangenehme Tatsache vor Augen: Es gibt keinen mehr, der ihr die Luft herauslässt. Und wenn sie bei den Landtagswahlen einen Erfolg einfährt, verdankt sie ihn der Schwäche der Demokraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
US-Präsidentschaftswahlen
Die neue Epoche
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“