Schanzenfest-Nachlese: Solidarität mit Angreifern
Organisatoren sehen Ausschreitungen gegen Polizeiwache als unausweichliche Folge staatlichen Handelns: Repression erzeuge immer Widerstand.
Die Organisatoren des Schanzenfestes sehen keinen Grund, sich von den Ausschreitungen in der Nacht zu Sonntag und dem Angriff auf das Polizeirevier Lerchenstraße durch eine Gruppe angeblich "erlebnisorientierter Besucher" zu distanzieren. "Es ist niemand davon ausgegangen, dass nichts passiert", sagen Silke Rot* und Bernd Weiß* vom Vorbereitungskreis in einem Hintergrundgespräch. "Das Schanzenfest war immer ein Ort, wo politische Intervention stattgefunden hat."
Die Ereignisse am Sonntagmorgen seien "Ausdruck der Verhältnisse, unter denen dieses Fest stattgefunden hat", sagt Rot. Die Umstrukturierung des Schanzenviertels habe einen neuen Höhepunkt erreicht. Auch wenn die Polizei optisch ein "etwas weniger härteres Konzept" gefahren habe, so Weiß, seien die "politischen und gesellschaftlichen Widersprüche" nicht aus der Welt. "Die Widersprüchen im Viertel sind größer als je zuvor", sagt Rot.
Nach dem Einsatz der Polizei auf das Schanzenfest im Juli habe eine repressive Stimmung geherrscht, auch wenn diese zum Teil durch "Hippielau" übertüncht worden sei. "Was ist das für ein Deeskalationskonzept, wenn 2.000 Polizisten in 300 Metern Entfernung auf dem Heiligengeistfeld stehen?", fragt Weiß. "Die parken ja nicht nur da."
Dass die Polizei irgendwann eingreifen würde, habe festgestanden, schließlich habe Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) zwei Monate lang angekündigt, das Schanzenfest aufzumischen. "Früher war es um zehn Uhr abends, diesmal um zwei Uhr nachts", sagt Weiß. "Ein Angriff auf das Lerchenrevier war daher eine logische Konsequenz", ergänzt Rot. Von wem er komme, ob Autonomer, Anwohner oder gesellschaftlicher Querschnitt, sei egal. "Die Wache ist Symbol einer kontinuierlichen Bedrohung", so Rot. Die Beamten des Lerchenreviers sind dafür bekannt, besonders hart durchzugreifen.
Es sei daher zu einfach, den Angriff auf die Wache und die anschließenden Polizeiübergriffe im Viertel allein auf erlebnisorientierte Jugendliche abzuschieben, die den "sozialen Kontext" in Frage stellten. Selbst wenn es so wäre, könnte man das nicht mit Repression lösen, sagt Weiß. Die Reaktion der Polizei sei völlig überzogen gewesen.
Die Polizei gibt an, das Schanzenfest gestürmt zu haben, um die mehreren Dutzend Angreifer der Lerchenwache zu verfolgen. Eine Tonbandaufzeichnung des Senders FSK von der Polizei-Pressekonferenz vom Sonntag ergibt jedoch ein ganz anderes Bild. Auf die Frage des FSK-Redakteurs, wohin die vermeintlichen Täter geflüchtet seien, wird auf dem Podium zwischen Ahlhaus, Einsatzleiter Peter Born und Polizeipräsident Werner Jantosch getuschelt, es fällt das Wort "Budapester Straße". Die Budapester Straße führt Richtung Reeperbahn, weg vom Schanzenviertel und seinem Fest.
Offiziell wird die Frage nicht beantwortet. "Sie hätten deswegen nicht durch die Menge pflügen und übers Schulterblatt fahren dürfen" so Weiß, "um 2.000 Menschen wegzuspritzen."
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