Kommentar Polizisten-Kennzeichung: Ein überfälliger Schritt
Das Argument von Innenpolitikern, die nun vorgesehene Nummer "schaffe Distanz" ist ein durchsichtiger Versuch, per Identitätsverschleierung eine stille Motivationsreserve für unrechtmäßiges, gewaltsames Vorgehen zu wahren.
D ie Entscheidung, Polizisten bei Demos künftig eindeutig zu kennzeichnen, wird in doppelter Hinsicht heilsame Wirkung haben. Direkt identifizierbare Beamte werden sich zweimal überlegen, ob sie sich in Gegenwart vieler Zeugen die Gewalttätigkeiten leisten, die bei Demonstrationen immer wieder zu beobachten sind. Zudem haben Opfer von Polizeigewalt künftig weit bessere Chancen, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Bisher war das fast unmöglich. Ausgerechnet in dem Bereich, in dem es zur unmittelbarsten Konfrontation zwischen staatlichem Gewaltmonopol und Bürger kommt, hielt der Staat es nicht für nötig, transparent zu sein.
Umgekehrt ist das Begehren, zu wissen, mit wem man es zu tun hat, umso größer: Bei Demos filmen üblicherweise mit Sturmhauben vermummte Beamte alles und jeden ab, bei verdachtsunabhängigen Kontrollen werden Personen immer wieder in polizeiliche Datenbanken eingespeichert. Am Zustand einer anonymen Polizeimacht kann nur festhalten wollen, wer ihr die Möglichkeit erhalten will, zur Not eben auch mal jenseits des rechtlich zulässigen Hand anlegen zu können. Das von Innenpolitikern vorgebrachte Argument, die nun vorgesehene Nummer "schaffe Distanz" ist ein durchsichtiger Versuch, per Identitätsverschleierung eine stille Motivationsreserve für unrechtmäßiges, gewaltsames Vorgehen zu wahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!