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Konzepte zur Asse-Bergung vorgestellt126.000 Fässer Atommüll

Die Planungen zur Schließung des maroden Atommülllagers Asse kommen in eine entscheidende Phase. Dabei drängt die Zeit, weil die Grube einsturzgefährdet ist.

Videoanimation möglicher Bergungs-Szenarien für die Asse. Bild: dpa

HANNOVER/BERLIN dpa/afp | Drei Möglichkeiten gibt es, die Schachtanlage mit rund 126 000 Atommüll-Fässern dauerhaft stillzulegen. Am Freitag legte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Studien dazu vor. Welche Methode die Behörde für die beste und sicherste hält, soll im Dezember entschieden werden.

Da die Grube instabil ist und Wasser eindringt, stehen die Fachleute unter Druck. "Wir bewegen uns in einem engen Zeitkorsett", sagte BfS-Präsident Wolfram König am Freitag in Hannover. Es wird diskutiert, die Atommüll-Fässer herauszuholen, sie in tiefere Bereiche des Bergwerks umzulagern und die Grube komplett mit Spezialbeton zu füllen.

"Das Geld spielt keine Rolle."

Die Kosten dürfen nach Königs Worten die Entscheidung für eine sichere Schließung der Asse nicht beeinflussen. Die Politik habe ihm bisher keine finanziellen Vorgaben gemacht, sagte er. "Das Geld spielt keine Rolle."

Auch nach dem Regierungswechsel zu einer schwarz-gelben Bundesregierung erwartet er freie Hand. Die Fässer, von denen viele kaputt sind und rosten, herauszuholen, ist teurer als etwa die Füllung der Grube mit Beton. Auch wird bei den drei Konzepten mit unterschiedlicher Dauer für die Beseitigung der radioaktiven Belastung der Asse gerechnet. Je nach Konzept werden zwischen drei und 18 Jahre angegeben.

126.000 Fässer Atommüll

Die 126.000 Fässer Atommüll im maroden Endlager Asse bei Wolfenbüttel können laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ohne Gefährdung der Bergleute oder der Bevölkerung wieder aus dem ehemaligen Salzbergwerk zurückgeholt werden. Das BfS als Betreiber stellte am Freitag in Hannover drei gutachterlich untersuchte Möglichkeiten für die Stilllegung vor. Es kündigte zugleich an, dass bis zum Jahresende die sicherste Lösung ermittelt und eine konkrete Empfehlung ausgesprochen werden soll. "Die letztendliche Entscheidung muss dann die Politik treffen", sagte BfS-Präsident Wolfram König.

König wies darauf hin, dass alle Überlegungen über den Umgang mit den schwach- und mittelaktiven Abfällen unter dem Vorbehalt stehen, dass der schwankende Wasserzufluss in der Asse nicht dramatisch ansteigt: "Wir müssen immer mit Rückfallpositionen arbeiten."

Drei Gutachten vorgestellt

Die drei Gutachten wurden am Freitagnachmittag den Anwohnern und Umweltorganisationen auf einer Veranstaltung in Schöppenstedt unweit der Asse vorgestellt. Nach Einschätzung der Experten ist neben der Rückholung der Abfälle auch deren Verbleib in dem Salzstock möglich, wenn die Grube mit Beton geschlossen wird. Daneben halten die Experten es auch für möglich, den Atommüll von jetzt rund 600 Metern umzulagern in Tiefen um die 1000 Meter. In diesem Falle würden wie bei einer Rückholung unter Tage fast ausschließlich ferngesteuerte Maschinen und Fahrzeuge eingesetzt, um die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten.

Im Falle der Rückholung würde zudem über Tage ein Zwischenlager nötig. Bei einer hundertprozentigen Rückholung müssten rund 126.000 Kubikmeter Abfall in das noch im Bau befindliche Endlager Schacht Konrad in Salzgitter gebracht werden. Geprüft wird laut König auch eine Kombination verschiedener Optionen: "Wir haben bislang keine Präferenz."

Bergung binnen drei bis vier Jahren

Für die von vielen Anwohnern und Umweltorganisationen bislang befürwortete Rückholung des Abfalls haben die Gutachter vier Varianten entwickelt. Binnen drei bis vier Jahren könnten bei den beiden ersten Varianten 70 oder 92 Prozent des radioaktiven Inventars geborgen werden, dabei würden nur bis zu 28.000 Kubikmeter Atommüll neu verpackt an die Oberfläche gelangen.

Eine hundertprozentige Rückholung wird in den Varianten drei und vier auf etwa acht bis 15 Jahre eingeschätzt. Allerdings wird gegenwärtig die Standsicherheit des alten Bergwerks nur bis zum Jahr 2020 garantiert. Je nach Rückholungsvariante werden laut Gutachten die Grenzwerte für die Strahlenbelastung bei den Bergleuten bis zu 50 und bei der Bevölkerung im Umfeld bis zu 27 Prozent ausgeschöpft.

Bundesamt übernahm von Helmholtz-Zentrum

Das Bundesamt hatte nach einer langjährigen Serie von Negativschlagzeilen zum 1. Januar die Aufgabe des Betreibers vom Münchener Helmholtz-Zentrum übernommen. Den Atomkraftgegnern gelten die immer neuen Probleme in der Asse als Beleg dafür, dass auch der Gorlebener Salzstock ungeeignet ist als Endlager für hoch radioaktiven Müll.

Der Naturschutzbund NABU forderte, die Energiekonzerne sollten an den Kosten für die Sanierung der Asse beteiligt werden. Schließlich stamme der Großteil des Atommülls unter Tage aus der Atomindustrie.

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11 Kommentare

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  • K
    karljosef

    Um den ach so kostengünstigen Atomstrom weiterhin anbieten zu können, spielt Geld keine Rolle!

     

    Man hat Milliarden in die Erforschung gesteckt (alles vom Steuerzahler)

     

    Die Entsorgung wird wieder Milliarden kosten (wieder der Steuerzahler)

     

    Die Milliardengewinne des "kostengünstigen" Atomstroms gehem in die Taschen von RWE, Eon usw.

     

    (Dieses Mal nicht der Steuerzahler)

  • R
    Ralf

    @Betroffener

    Die Atomlobby hat die Presse voll im Griff. Sogar die taz hat folgendes nur unter was fehlt erwähnt und das kurz vor der Wahl:

     

    was fehlt ...

    ... einem Atomlobby-Papier die Relevanz

     

    Schöne neue Transparenz? Greenpeace hat in seinem Blog ein von einer Unternehmensberatung erstelltes Papier (PDF) "geleakt" - und nur kaum später befindet sich das gute Stück auf Spiegel Online. Der Anti-Atom-Reflex hat funktioniert.

     

    Lustig und unterhaltsam ist es ja schon, das Papier - so wird mehrfach auf die Strategien der Anti-Atom-Bewegung rekurriert. Die Unternehmensberatung schlägt vor, keinesfalls mehr offensive Kampagnen wie "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer" oder "Verbraucher gegen den Klimawandel" zu fahren, da diese kurzerhand von den Atom-Kritikern "umgedreht" würden. Anstelle lauter Kampagnen solle man lieber auf leises Hinterzimmer-Lobbying bei den Politikern setzen.

     

    Skandalöse Strategien der Atomlobby? Man sollte doch die Kirche im Dorf lassen. Es ist nicht unüblich, dass Agenturen derartige Papiere schreiben, um sie den Unternehmen anzubieten. Bei diesem Papier weiß niemand, ob es wirklich bei Eon auf dem Tisch lag. Spiegel Online war das egal. Der taz nicht.

     

    Aber lustig ... ist das Papier schon. Lesen!

  • V
    vic

    Ich bin dafür, die Zugänge zur Asse zu schließen und das Regierungsviertel genau darüber zu errichten. Denen kann nichts geschehen, die sind bereits unheilbar krank.

  • JK
    Juergen K.

    Nur noch ferngesteuert möglich.

    Wenn's so schlimm schon ist ...

     

    Selbst:

    Geld spielt keine Rolle.

    ------------------------

     

    Ob die Anerkennung der bereits Krebkranken schon durch ist ?

  • B
    Björn

    Das erinnert mich an das Wahlplakat der Grünen: "HABEN SIE NOCH PLATZ IM KELLER?"

     

    Ich würde spontan sagen: ja, wieviele Fässer passen auf 100m² und was zahlen Sie an Miete im Monat?

     

    Was soll der Blödsinn? einen einfachen und sicheren Ort, alles dahin, ohne Demo, ohne alles, dann RUHE!

  • V
    vic

    Das ist alles so ein Lügengebäude.

    Schwach-und mittelstrahlender Abfall ist erwiesenermaßen falsch.

    Keine Gefährdung für Umgebung und Arbeitskräfte ist absurd.

    Ebenso absurd ist eine sichere Endlagerung des ganzen Drecks.

    Wir werden die Hinterlassenschaft dieses großen Fehlers der Menschheit niemals los.

    Nicht zu vergessen ist, deutschlands Wähler haben sich für die Fortsetzung der Atom-Müllproduktion entschieden.

  • S
    Sonja

    Betroffener:

     

    Hier ist doch ganz einfach zu sehen, welchen Stellenwert der Mensch und auch Umwelt und Zukunft für diese Regierung im Vergleich zu den Interessen der Industrie haben: Null!

  • A
    Assel

    Vielleicht sollte man angesichts der bei Megaprojekten üblichen Verzögerungen und Preissteigerungen schon einmal entsprechende "Korrekturfaktoren" einberechnen.

    Soweit ich mich richtig an eine entsprechende Erhebung erinnere betragen die endgültigen Kosten das zwei- bis zehnfache der ursprünglich veranschlagten Kosten. Da es sich hier um ein weltweit erstmaliges "Pilotprojekt" handelt muss hier mit Sicherheit viel Lehrgeld gezahlt werden. Und auch bei den Zeitangaben sind häufige Verzögerungen bei den try&error-Maßnahmen zu erwarten.

    Vielleicht wird daraus auch ein nukleares Jahrhundertprojekt, allerdings unfreiwillig.

  • F
    F2y

    Die Kernenergie ist keine Lösung.

    Die Politik streitet bzw. schweigt seit Jahrzehnten über die Endlagerung, aber sobald der Ölpreis steigt, brauchen wir die/mehr Kernenergie um damit was zu tun?

    Richtig, um unsere Autos damit anzutreiben. ^^

     

    Übersehen wird häufig...

     

    dass der gesamte Rohstoffkreislauf (Uranerzförderung-Raffinerie-Brennelementeproduktion-Wiederaufbereitung)eben nicht CO2-neutral ist.

     

    dass die Lagerhallen der meisten Kernkraftwerke als defacto-Zwischenlager bis zur Decke gefüllt sind.

     

    dass Kernkraftwerk-Neubauten nahezu unbezahlbar sind, da die Herstellungs- und Baukosten astronomisch gestiegen sind.

     

    dass wir bei der Endlagerung über mehrere TAUSENDE Jahre sprechen, da sind geologische Veränderungen im Erdreich garantiert(bzgl. Grundwasserschutz)

     

    dass viele Uranerzvorkommen bereits stark ausgeschöpft sind, was die Förderung angesichts erhöhtem Technologieaufwand teurer macht.

     

    dass, wenn eine Katastrophe ("Super-Gau") in Europa passieren sollte, und die wahrscheinlichkeit ist bei der Menge an Reaktoren in Europa (insbesondere Frankreich) insgesamt betrachtet nicht unerheblich, wir in diesem Land eine Panik bekommen würden, die sich niemand vorstellen könnte.

     

    Leider hängen momentan sehr viele Arbeitsplätze von der Kernenergie ab, weshalb sich die Aussagen über Arbeitsplatzerhalt von "Ausstiegs-Gegnern" nicht von der Hand weisen lassen.

     

    Wir brauchen den Austieg trotzdem, je früher desto besser. Auch wenn zu befürchten ist, dass der Ausstieg langwieriger wird.

  • B
    besserwisser

    < NABU forderte, die Energiekonzerne sollten an den Kosten für die Sanierung der Asse beteiligt werden.>

     

    wird wohl nix werden, dazu haben Bü90/dieLügner in Koaltion mit der Verräterpartei ihre Chance ungenutzt verstreichen lassen.

  • B
    Betroffener

    Mal davon abgesehen, dass wir hier an der Asse als direkt Betroffene am eigenen Leibe spüren, was es heißt, von der Atomindustrie als Atommüllkippe missbraucht worden zu sein, ist die jetzt durch den Regierungswechsel aufgekommene Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke noch makabrer!

    Es gibt keine Lösung für den Atommüll! Alle sogenannten Endlager bieten keine wirklich langfristige Sicherheit.

    Die diskutierten Alternativen für das marode Bergwerk Asse sind doch allesamt eine Farce. Zubetonieren ist keine Lösung, denn die Halbwertszeit von Plutonium 239 beträgt 24 110 Jahre. Davon lagern in der Asse nach letzten Angaben mindestens 28kg. Unser Grundwasser wird verseucht, uns wird die Lebensgrundlage genommen und was wir jetzt schon merken, ist die Entwertung von Häusern und Grundstücken. Die Banken geben für Bauvorhaben in unserer Gegend hier bereits keine Kredite mehr. Das sagt doch wohl alles! Wer entschädigt uns für diesen Totalverlust? Die Betreiber der Atomkraftwerke?

    Sie übernehmen weder die Kosten für die sichere Beseitigung oder Lagerung des anfallenden Atommülls, noch beteiligen sie sich überhaupt an den Kosten dieser Art von Energieerzeugung. Bei der Mitnahme der Profite aus diesem Geschäft sind unsere RWE, EON, ENBW und wie sie alle heißen weniger zurückhaltend.

    Wie lange wollen wir diesen Wahnsinn eigentlich noch unwidersprochen dulden und mitmachen? Und wenn ich den Begriff "Brückentechnologie" höre, dann wird mir schlecht!