Humboldt-Uni: Neues Licht im Leichentempel
Schon vor dem 200. Jubiläum bekommt das älteste Gebäude der Universität eine neue Glaskuppel. Im anatomischen Theater wurden einstmals Pferde und Schweine seziert.
Dichtkunst, Gesang oder Schauspiel erwartet man, wenn man einen Platz auf den weißen Rängen eingenommen hat und den Blick durch den runden Saal und nach unten zur Bühne schweifen lässt. Die steil ansteigenden Sitzreihen geben den Eindruck eines überdachten Amphitheaters. Doch die einstigen Stars auf der Bühne kamen nicht aus der Künstlerszene: Pferde- und Schweineleichen.
Als Teil der Tierarzneischule gab Friedrich Wilhelm II. 1789 den Bauauftrag für das anatomische Theater, dessen äußere Sanierung so gut wie abgeschlossen ist und das am Freitag mit Hilfe eines Krans eine neue Laterne bekam - eine gläserne Dachspitze auf der Kuppel. Um die preußische Kavallerie zu stärken, wurden dort Pferde seziert, um Krankheiten zu erforschen. Daher hat das gebäude auch seinen Spitznamen: Trichinentempel. Trichinen sind Fadenwürmer, die von Pferden und Schweine übertragen werden.
1810 begann der Lehrbetrieb an der HU. Am Montag eröffnet die Uni die Feiern zum 200. Jubiläum, die bis Ende 2010 andauern.
Kunst: Das Zitat von Karl Marx "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern" im Foyer des Hauptgebäudes wird von Ceal Floyer neu kontextualisiert. 12.10. um 13 Uhr
Diskussion: "Humboldt-Streitgespräche in Kooperation mit der Stiftung Mercator" 3.12.2009, 29.4.2010, 8.7.2010, 14.10.2010, Orte werden noch bekannt gegeben.
Eröffnung: Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum. 19.11.2009 um 15 Uhr, Geschwister-Scholl-Str.1.
Ausstellung: "Inmitten der Stadt - 200 Jahre Universität Unter den Linden". 16.04. bis 15.08.2010, Grimm-Zentrum, Geschwister-Scholl-Str.1.
Konferenz: "Die Zukunft des Modells Humboldt - Die moderne Forschungsuniversität im internationalen Wissenschaftssystem". 7. bis 9.10.2010, Audimax, Unter den Linden 6.
Draußen: öffentliche Vorlesungen und Seminare, kommentierte Experimente und Diskussionsrunden an verschiedenen Orten. 15. 5. bis 3. 6. 2010.
Dies ist nur eine Auswahl aus dem Kernprogramm. Das komplette Programm findet sich unter www.hu200.de
"Das Gebäude ist eines der wichtigsten des frühen Klassizismus und der Villa Rotonda des italienischen Renaissance-Architekten Palladio nachempfunden", sagt Thomas Müller, der mit der Sanierung beauftragte Architekt anlässlich der neuen Bedachung. Der Architekt war Carl Gotthard Langhans, der auch das Brandenburger Tor entworfen hat.
In der Mitte des runden Saals war ursprünglich der Seziertisch, der aus dem Keller mit den Tierpräparaten in den Saal hochgefahren wurde. "Davor stand dann der Professor und konnte seine Vorlesung beginnen. Das hat schon was von theatralischem Zauber", erklärt Müller. Der Seziertisch ist zu DDR-Zeiten in den 1970er Jahren abgebaut worden. "Wir wollen ihn nachbauen - inklusive Hubtechnik", sagt Müller.
Das Licht fällt von oben in den Saal, die Sicht von den Rängen ist von allen Seiten gut. Schaut man sich genauer um, entdeckt man Details, die auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes hinweisen: Die Malereien im Kuppeldach sind allesamt Tier- und Veterinärdarstellungen. "Auch diese sind in den 1970ern erneuert worden, orientieren sich aber zumindest an den Originalen", sagt Müller.
Das Gebäude liegt in den ehemaligen Reußschen Gärten, im Innenhof des heutigen Campus Nord der HU. Die Veterinärmediziner sind mittlerweile in Dahlem untergebracht. "Die veterinärmedizinische Nutzung des anatomischen Theaters ging beinahe bruchlos bis in die Gegenwart", meint Jochen Brüning, geschäftsführender Direktor des Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der HU. Zuletzt nutzte die Abteilung für Fleischhygiene das Gebäude.
Nach der Innensanierung, die in zwei Jahren fertig sein soll, wird das Helmholtz-Zentrum es als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum nutzen. "Mit Objekten aus wissenschaftshistorischen Sammlungen wollen wir hier den Nachwuchs für die Wissenschaft begeistern", sagt er. Die Öffnung des Theaters sei einer der Gründe für die Förderung der Sanierung durch die Hermann Reemtsma Stiftung gewesen, sagte Sebastian Giesen von der Stiftung, die eine Millionen Euro zur Verfügung stellte.
Die Sanierung der Fassaden habe insgesamt drei Millionen Euro gekostet, die Sanierung des Innenraums werde noch einmal vier Millionen kosten, sagte Christoph Markschies, der Präsident der HU. Neben der Reemtsma Stiftung war die Deutsche Stiftung Denkmalschutz an der Finanzierung beteiligt.
Das anatomische Theater sei das älteste Wissenschaftsgebäude Berlins. Es sei zwar in einem relativ guten Zustand gewesen, aber das Gebäude habe in den vergangenen Jahrzehnten sehr gelitten, sagte Müller. "Und man muss sagen, dass an den Bau mit preußischer Sparsamkeit herangegangen wurde," sagte er. Für die Sanierung erschwerend hinzu kam noch die schlechte Dokumentation über den Innenraum. "Da hat man sich in der DDR wohl nicht so viele Gedanken drum gemacht, als man den alten Hebetisch entfernte und die Malereien erneuerte", sagte er.
Als nächstes werden die Widderköpfe aus Holz, die in der Bibliothek von den Bücherschränken herunter schauen, restauriert. "Wenn alles fertig ist, können hier dem Gebäude angemessene Veranstaltungen stattfinden", sagte Müller. Pferdesezierungen dürften nicht dazu gehören.
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