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Würdigung des Sportlers Robert EnkeEin Meister auf der Linie

Am Dienstagabend setzte der Nationaltorhüter Robert Enke seinem Leben ein Ende. Er wurde 32 Jahre alt. Eine Würdigung.

Geschulte Reflexe: Robert Enke. Bild: dpa

Was für ein ungewöhnlicher Fußballer Robert Enke war, das konnte man vor sechs Jahren sehen. Enke war zu Fenerbahce Istanbul in die türkische Liga gewechselt. Er wollte Stammtorhüter werden, sich in die Herzen der Fans spielen.

Doch daraus wurde nichts. Der Deutsche kündigte nach dem ersten Spiel. Anhänger hatten ihn mit Flaschen und Feuerzeugen beworfen. Enke wollte sich vor dem Fanatismus der Fenerbahce-Fans schützen. Er wusste, dass er in so einem Umfeld nicht seine beste Leistung bringen kann. In der Fußballszene, in der harte und auf ihren Vorteil bedachte Typen etwas gelten, wurde der Entschluss Enkes milde belächelt. Manche sagten offen: "Der spinnt doch." Enke ging in die Arbeitslosigkeit.

Fünf Monate durfte er wegen seiner Kündigung nach den Statuten des Weltverbandes Fifa nicht spielen. Im Grunde hatte er damals seine Karriere aufs Spiel gesetzt. Er hätte auch als Nummer zwei die Saison auf der Ersatzbank von Fenerbahce verbringen und gutes Geld verdienen können. Das wollte er nicht.

Er wollte konsequent sein, keine faulen Kompromisse machen. Robert Enke hat seinen Vertrag ohne Kosten für den Klub aufgelöst und der Vereinsführung die Möglichkeit geboten, noch vor Ende der Transferperiode einen Ersatztorhüter zu verpflichten. Es war für ihn ein sauberer, geregelter Abgang, ein Ende, bei dem kein böses Blut floss.

Enke war natürlich zu gut, als dass diese Episode das Ende seiner Laufbahn markiert hätte. Er galt als ein Meister auf der Linie. Auf seine geschulten Reflexe konnte sich seine Mannschaft verlassen. Enke war ein moderner Keeper. Er spielte mit, schlüpfte, wenn Not am Mann war, in die Rolle des Liberos und bolzte den Ball weg, bevor ihn der heranstürmende Angreifer auf den Fuß bekam.

Seine Arbeit zwischen den Pfosten sah nicht besonders spektakulär aus. Nüchtern verrichtete er seinen Dienst der Ballabwehr. Enke verzichtete auf Aufmerksamkeit heischende Paraden. Andere leisteten sich Flugeinlagen, die das Publikum aufjohlen ließen, er schnappte sich den Ball einfach. Andere kullerten mit dem Ball wie aufgezogen im Strafraum herum, Enke machte vielleicht eine Umdrehung, mehr nicht.

Er war ein pragmatischer Fänger. Ein Torhüter müsse ein Rückhalt für seine Mannschaft sein, das sei das Wichtigste, sagte er, und ein Keeper müsse in der Lage seine, Fehler sofort abzuhaken. Denn hinge er einem Patzer nach, könne er sich nicht auf die nächste Spielsituation einstellen. Auf dem Spielfeld gelang ihm die gedankliche Bewegung in der Gegenwart, im Augenblick der Ereignisse, nahezu perfekt, im Leben, das neben dem Platz stattfand, war das wohl anders. Dort hing er Ereignissen, wie aus seinem Umfeld berichtet wird, oft lange nach.

Auf seine mit zwei Jahren verstorbene Tochter richteten sich seine Gedanken, er trug das Bild der Tochter eintätowiert auf der Haut, auch seine Frau hatte sich die Erinnerung in die Epidermis einschreiben lassen. "Wir haben viele Bilder bei uns in der Wohnung von ihr, wir reden oft über sie", hatte Enke im Vorjahr in einem Interview offenbart.

Er sprach offen über die Bewältigung der Trauer, wie immer sehr besonnen und klug. "Schicksal ist mir ein zu großes Wort. Ich glaube, dass alles seinen Sinn hat." Es gebe vielleicht jemanden, der das Leben lenke, philosophierte er. "Aber so viel weiß ich: Man kann es nicht ändern. (…) Man muss sich damit abfinden, wenn man ein Spiel verliert, und man muss sich damit abfinden, wenn man ein Kind bekommt, das schwer krank ist und stirbt."

In der Welt des Fußballs haben deutsche Torhüter klingende Namen. Die Fans in Rio oder Moskau kennen einen Toni Schumacher, Sepp Maier, Uli Stein oder Olli Kahn, sämtlich Exzentriker und Großmäuler. Sie haben das Vorurteil befeuert, zwischen den Pfosten stünden nur verrückte Hunde herum.

Allgemein gilt, dass Keeper eine Macke haben müssen: Wer schmeißt sich schon mit vollem Einsatz ins Getümmel und riskiert, vom Stollen eines Gegenspielers übel zugerichtet zu werden? Wer setzt sich schon der massiven Kritik der Medien aus, wenn er nach einem Bock als Alleinschuldiger an der Niederlage gilt?

Enke hatte im Lauf seiner Karriere Bewältigungsmechanismen gefunden, jedenfalls machte er das glauben. Er wusste sehr genau um die manisch-depressive Struktur der Medien, er wusste auch um deren Kurzsichtigkeit. Wenn er alles herausfischte, war Enke der Held, wenn er eine Gurke hereinließ, dann war er der Depp. Dazwischen gab es nichts.

So reflektiert wie Enke war, musste ihm diese Ausschließlichkeit in der Bewertung von Torhütern lächerlich vorkommen. In diesem Auf und Ab schien Enke sich als Musterbeispiel eines vernunftgesteuerten Torhüters zu behaupten. Wenn er etwas sagte, dann hatte das Hand und Fuß. Wenn er ein Interview gab, dann klang er so verdammt vernünftig, dass es fast schon wieder langweilig war. Heute weiß man, dass da noch mehr war als nur der Enkesche Logos.

Dieser ruhige, offensichtlich so durchdachte Typ hatte es an die Spitze der Nationalmannschaft geschafft. In Deutschland, wo ein Überangebot an guten Torhütern herrscht, hatte sich dieser Typ aus Thüringen, geboren in Jena, als Nummer eins etabliert, kurz zwar nur, aber er war ganz oben.

Eine Krankheit, die eine bakterielle Infektion gewesen sein soll, hatte ihn in den vergangenen Wochen aber wieder zurückgeworfen in seinem Plan, der deutsche WM-Torhüter in Südafrika zu sein. Da nur ein Platz zu vergeben ist, sind die Torhüterduelle traditionell von großer Brisanz. Da konnte es schon mal mit harten Bandagen zur Sache gehen. Doch von Enke sind keine Scharmützel bekannt, wie sie etwa ein Jens Lehmann regelmäßig geführt hat.

Das entsprach nicht seiner Art. Es war auch so, dass Enke lieber das Vertraute bei seinem letzten Verein Hannover 96 gesucht hat als das Engagement bei einem besseren Verein. Nach einer Tour durch halb Europa, die ihn nach Portugal zu Benfica Lissabon, nach Spanien zum FC Barcelona und CD Teneriffa und kurz zu Fenerbahce geführt hatte, war Enke in Deutschland wieder angekommen, in Hannover, in einem Haus auf dem Land.

Am wohlsten hat Enke sich aber in seiner Zeit in Lusitanien gefühlt. Sie sei unbeschwert gewesen, dort habe er Kraft für die vielen Rückschläge in seinem Leben tanken können, hat er einmal gesagt. Dort hatte er ein Haus. Er konnte sich vorstellen, zum Ausklang seiner Karriere zurückzukehren zu den Roten von Benfica.

Von jeher stehen Torhüter im Mittelpunkt. Auf sie richtet sich das Schlaglicht. Enke war eigentlich gar kein Mann für die öffentliche Bühne, trotzdem spielte er mit in der großen Fußball-Soap-Opera, die in endlosen Folgen im Lande läuft. Die Fans nehmen teil am Leben ihrer Stars, sie glauben sie zu kennen wie ein Familienmitglied. Das führt einerseits zu einer unglaublichen Vereinnahmung, andererseits liefert es auch die Erklärung dafür, warum die Fußballfans, vor allem die von Hannover 96, nun eine so tiefe Trauer empfinden.

Der Freitod des Unternehmers Adolf Merckle, der auch auf Schienen den Tod suchte, hat Deutschland weniger berührt, eben weil Merckle nicht Teil des öffentlichen Diskurses war. Enke, sagen sie, war einer von uns, nicht abgehoben und entrückt. Ein Sympathieträger. Er war einer, der manchmal mit dem Regionalzug zum Training gefahren ist, einer zum Identifizieren für den Fan um die Ecke.

Klickt man jetzt auf die Internetseite von Hannover 96, dann sieht man dort kein buntes Geflirre mehr wie üblich, sondern nur eine schwarze Seite.

In weißer Schrift steht der Name des Toten geschrieben, "wir trauern um Robert Enke", dazu die Daten: geboren am 24. August 1977, gestorben am 10. November 2009. Die Bundesliga hat am Dienstagabend auf den Gleisen bei Neustadt-Eilvese einen Großen aus der Zunft der Ballfänger verloren.

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30 Kommentare

 / 
  • A
    antenne

    Sind die Medien nicht ein Teil des Problems? Denn warum sollte sonst jemand Angst haben, dass private Dinge an die Öffentlichkeit kommen. Ohne die Medien, die die Privatsphäre in keiner Weise mehr respektieren, wäre die Meldung, dass jemand an Depressionen leidet, doch keine, oder?

    Es fällt mir schwer, nur den Fussballzirkus für verantwortlich zu erklären. Robert Enke ist auch ein Opfer der Medien geworden - so wie letzendlich auch die Prinzessin von Wales.

    Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben - ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei könnten die Medien tatsächlich den Finger in die Wunde legen. Wie kann es sein, dass in unserer angeblich so sozialen Gesellschaft doppelt so viele Menschen durch einen Suizid als durch einen Verkehrsunfall sterben? Über Verkehrstote wird überall öffentlich diskutiert; für das Entschärfen von Unfallschwerpunkten wird viel Geld ausgegeben. Aber wer redet schon über die vielen, vielen Selbstmorde? Über fehlende Beratungsmöglichkeiten? Über (anonyme) Unterstützung in Krisensituationen.

    Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen auch deshalb so betroffen von dem Tod von Robert Enke sind, weil sie ihre eigene Hilflosigkeit in dem gesamten Gesellschaftssystem erkennen. Wenn man keinen Erfolg mehr hat, wird man sofort fallen gelassen. Von allen!

  • S
    simon

    @willy:

    Weil den Menschen, besonders in Hannover, in der Berichterstattung vor seinem Suizid ein Mensch mit hervorragenden Qualitäten begegnet ist:

     

    Zitat Trauerrede M. Käßmann:

    "Jetzt ist die Zeit der Trauer um einen Menschen, der vielen Jugendlichen und Erwachsenen viel bedeutet hat. Der ihnen Vorbild war, Hoffnungsträger. Ein Sportler, der seinen hundertprozentigen Einsatz für seinen Sport mit sozialem Einsatz verbunden hat. Ein Mann, dessen Umgang mit seiner kranken Tochter und ihrem Tod uns alle berührt hat."

     

    Weil alleine in Hannover 35.000 Menschen es für Ihre Pflicht hielten, Abschied zu nehmen.

    Ich für meinen Teil hätte es selbst nicht für möglich gehalten, dass mich der Tod von Robert Enke so sehr berührt!

     

    Natürlich kann man das alles als überhöht betrachten und irgendwann ist es bestimmt "zu viel des Guten". Aber wenn Sie es nicht sehen oder lesen wollen, sage ich Ihnen mit Peter Lustig: "Abschalten".

  • J
    joeyyy

    Besten Dank für diesen Artikel. Als Hannoveraner finde ich es ziemlich schräg, was hier momentan passiert und wie berichtet wird. Das Volk will Brot und Spiele und die Medien sowie die Entertainment-Profis aus Sport, Kirche und Politik liefern das. Dass noch nichtmal der Tod eines guten Menschen ausgelassen wird, finde ich makaber. Aber wir alle wollen das, ja sogar ich, sonst würde ich hier doch gar nicht schreiben...

  • KK
    Klaus Kosiek

    Ich las den Artikel von Markus Völker erst heute und bin beeindruckt. Wie schreibt man über den Selbstmord eines Menschen, der wegen seines Berufs im Fokus der Öffentlichkeit stand: mit Empathie oder von der Warte eines festen moralischen Standpunkts, mit Diskretion oder mit dem Willen zum spektakulären Detail, mit dem Willen, das Unverständliche zu verstehen, oder mit dem Willen zur Identifikation mit dem Täter und den Trauernden? Völker hat mit seinem Artikel eine mögliche Antwort gegeben: indem man Respekt vor dem Täter und seiner Tat zeigt, seinen Weg in den Selbstmord beschreibt und vorsichtig Erklärungen versucht. Schönen Dank, Markus Völker!

  • W
    willy

    Ein Mensch wirft sich vor den Zug. Wie oft passiert das in Deutschland? Ich vermute mal fast täglich! Traurig genug. Mein Beileid haben seine Angehörigen.

     

    Und wieso kriegt auf einmal ein Berufssportler nach seinem Ableben auf einmal so eine mediale Aufmerksamkeit, dass sogar die achso unabhängige ARD ihr Programm ändert und live den Trauergottesdienst aus Hannover sendet und es der TAZ wert ist, mehrere Artikel dazu zu veröffentlichen?

    Weil er Berufssporler war?

    Weil er Fußballspieler war?

    Weil er prominent war?

    Oder, weil er ein Mensch wie jeder Andere war und den Freitod für sich gewählt hat?

     

    Wenn ein anderer Mensch sich durch den Verlust seines Arbeitsplatzes das Leben wegen seiner Zukunftsängste nimmt, ist es ALLEN Medien üblicherweise keine Zeile wert, höchstens im Polizeibericht auf den Lokalseiten!

     

    Diese Heuchelei kotzt mich an!

  • O
    ole

    Noch lebt der Lokführer ja... oder? Sorry, es ist tragisch, aber er wird sicher bestens betreut.

     

    @korruptas ministerias

    Gütiger Gott! Wenn jemand vom Hochhaus springt ist natürlich viiiel, viiiel toller. Abgesehen vom erschlagenen Passanten und der blutbespritzten Nachtschichtarbeiterin muß trotzdem jemand die Hirnmasse vom Gehweg kratzen.

    Gründe doch ein Forum "der korrekte Freitod" und verbreite deine Theorien dort.

     

    Vielleicht sollte man dir mal sagen, daß zwar der Gedanke an Suizid bei solch depressiven Leuten oft sehr lange schon im Kopf festsitzt, die Tat selbst aber sehr häufig durch einen plötzlichen Auslöser vollzogen wird. Wenn einem plötzlich wieder alles als so "sinnlos" erscheint, dann sind Gedanken an Lokführer et cetera doch in genau dem Augenblick nicht da. Das is tragisch, aber auch menschlich.

     

    Soll die Gesellschaft nun versuchen, Regeln für Suizid zu erstellen und jeden Suizidgefährdeten mit einer Kaliumcyanid-Kapsel bestücken?

    Oder wäre es nicht besser, das Thema Depression nicht weiter als Tabu zu behandeln?

  • I
    Idepeleff

    ich kann das überhaupt n i c h t nachvollziehen. Wenn jemand mit seiner Aufgabe ( als Torhüter z.B.) nicht klar kommt, m u s s er was anderes machen. Sich einfach auf Kosten seiner Frau und des Adoptivkindes + der vielen vielen Helfer sich feige zu verabschieden - das sollte es n i c h t sein. Mein Grossvater hat sich in der Weltwirtschaftskrise auch das Leben genommen und meine Mutter und ihre Mutter mussten das dann ausbaden - statt g e m e i n s a m eine Lösung zu suchen ( und auch zu finden) Ich finde die grosse Anteilnahme völlig übertrieben

  • FS
    Frank Seidel

    Jetzt soll der Öffentlichkeit klar gemacht werden, man habe seitens der Mitspieler, der verschiedenen Trainer, Manager im Verein und bei der Nationalmannschaft nichts von Enkes Depressionen gewusst. Das ist schlicht eine Lüge. Profi-Fußballer stehen unter ständiger psychologischer und medizinischer Betreuung. Eine derart, ja schon chronifizierte Depression ist hundertprozentig aufgefallen, so etwas wird u.a. medikamentös behandelt, das müssen Ärzte wissen. Zwanzig Jahre habe ich in der Psychiatrie mit depressiven Klienten gearbeitet, leider auch einige Suizide erleben müssen- und immer wieder die meist gleiche Reaktion bei der Umwelt. "Wir haben weder etwas gewusst, noch etwas geahnt." Wohlwollend betrachtet, ist dieses kollektive Leugnen, was wir ja auch auf anderen Ebenen kennen, denken wir nur an die Leugnung der Nazi-Verbrechen, ein Schutz- und Abwehrmechanismus; kritischer betrachtet, die Intention sich aus der eigenen Verantwortung stehlen- und nur ja kein Schuldgefühl aufkommen zu lassen. Und noch eins ist zu bemerken.

  • L
    Linkshänder

    @korruptas ministerias:

    Ein Suizidgefährdeter Mensch macht sich nicht die Gedanken, was passiert nach meinem tot. Er ist der festen Überzeugung sein Leben zu beenden. Er plant. Es soll ein schneller nahezu 100 prozentiger Suizid sein. Hätte Robert Enke die Chance gehabt vorab zu Sehen, was aus so einer Tat resoltiert, hätte er diesen Selbstmord nicht begangen. Aber es entsteht eine neue Debatte:

    Mitmenschlichkeit. Solidarität. Die mutige Pressekonferenz der Ehefrau, die emotionale des DFB! Leider wird in Deutschlands Medien wenig über die vielen Suizide berichtet. Hartz IV Empfänger, Schwerkranke, die durch das soziale Roster fallen. In Deutschland erkranken immer mehr Menschen psychosomatisch. Mit Folge des Suizids. Der Druck immer zu funktionieren, immer 100 Prozent geben zu müssen, auch krank oder im hohen Alter. Ich hoffe auf ein Umdenken der Eliten. Natürlich sind Menschen am Unfallsort in Mitleidenschaft gezogen. Ärzte, Zugführer, Polizisten. Aber was meinen Sie, müssen unsere Soldaten in Afghanistan, Kosovo, Sudan durchleiden. Auch dort gibt es Suizidgeährdete Menschen. Durch das was sie real Sehen. Ich hoffe der tot war nicht umsonst. R.I.P lieber Robert Enke.

  • KM
    korruptas ministerias

    Es geht doch nicht um Berichte über den armen Zugführer....steht in meinem Post nix davon. Sondern darum dass es wenn schon Suizid "sein muss", das dann nicht noch andere Menschenleben mit zerstört werden.

  • M
    Mijofri

    Es hat schon seine Richtigkeit, nicht über den Zugführer zu berichten: Kann er jetzt mediale Aufmerksamkeit gebrauchen, ohne dass er dann dadurch noch mehr Schaden nimmt als ohne?

  • M
    michael

    @larrissa & korruptas:

     

    Es gibt viele, die an den Lokführer (und die Feuerwehr etc.) denken.

    Aber glaubt Ihr ernsthaft, dass es für diese irgendwie besser wäre wenn im gleichen Umfang über ihr Schicksal berichtet würde? Oder dass sie das wünschen?

    Wer auch immer so weit ist, dass er (seltener sie) sich vor den Zug stellt ist offensichtlich in einer so beschissenen Lage (gewesen), dass der Hinweis auf das Schicksal der anderen Beteiligten unangemessen und absurd ist.

  • U
    Urgestein

    Nachdem, was wir heute wissen, begannen Enkes Depressionen wohl 2002/2003 während seiner Zeit in Barcelona. Ähnlich wie Hildebrand ein paar Jahre später in Valencia geriet Enke dort offensichtlich in die Ränkespiele zwischen Vorstand und sportlicher Leitung. Verpflichtet vom Präsidenten stiess er beim neuen Trainer Louis van Gaal auf offene Ablehnung. Der Niederländer holte mit dem fünf Jahre jüngeren Victor Valdes lieber noch einen dritten Torwart, und verbannte Enke auf die Tribüne.

     

    Nach einer trostlosen Saison - der erfolglose van Gaal wurde nach sechs Monaten zwar gefeuert, aber auch sein Nachfolger änderte nichts mehr an der eingeführten Torwarthierarchie - liess sich Enke nach Istanbul ausleihen. Doch aus dem Neuanfang wurde ein Desaster. Gleich das erste Spiel ging verloren, eine spektakuläre 0:3-Niederlage gegen den an sich unbedeutenden Lokalrivalen Istanbulspor, und Enke wurde von den eigenen Fans mit Flaschen und Feuerzeugen beworfen woraufhin er umgehend seinen Vertrag kündigte und ein halbes Jahr Erwerbslosigkeit in Kauf nahm, ehe er für die Rückrunde der zweiten spanischen Liga an Teneriffa erneut ausgeliehen werden konnte.

     

    Robert Enke hatte seine Erfahrungen gemacht mit dem "internationalen Geschäft" und es waren sicher nicht die besten Jahre seiner Karriere. Dennoch bedrängte ihn der Trainerstab des DFB immer öfter, sich einen "großen Verein" zu suchen, seit er zum Kader der deutschen Nationalmannschaft gehörte. Weil er nur dort "internationale Erfahrung" sammeln könne - eine Erfahrung, auf die Enke inzwischen gut verzichten konnte. "Wir haben keinen Weltklassetorwart" verkündete Andi Köpke, Torwarttrainer der deutschen Auswahl, vor gut einem halben Jahr nachdem Enke dessen Anraten zu einem Vereinswechsel im Jahr vor der WM zum wiederholten Mal eine Absage erteilte. Denn Enke setzte inzwischen andere Prioritäten, wollte in der Nähe des Grabes seiner 2006 verstorbenen Tochter bleiben.

     

    Dass diese ständige Kritik an Enkes Vereinswahl ausgerechnet von einem Trainer kam, der in seiner eigenen Karriere gerade mal auf ein zweijähriges Engagement ausserhalb Deutschlands, beim französischen Mittelklasse-Club aus Marseille verweisen kann, der den Großteil seiner Laufbahn für die nicht gerade als "europäische Spitzenklubs" bekannten Nürnberg und Frankfurt spielte und im Zenit seiner Karriere mit beiden innerhalb von nur drei Spielzeiten je einen Abstieg aus der Bundesliga hinlegte (Nürnberg 1993/94 und Frankfurt 1995/96), während er gleichzeitig als Stammkeeper der Nationalmannschaft mit dieser den letzten internationalen Titel bei der EM 1996 holte, muss irritieren. Und wenn ebendieser Trainer heute ganz vorne in der ersten Reihe der Kondolenz steht hinterläßt bei mir schon einen sehr, sehr bitteren Beigeschmack.

     

    Das letzte Spiel seiner Karriere, seines Lebens machte Enke gegen den Hamburger SV, mit dem er in den letzten Wochen, auch auf Druck des DFB-Stabes, in Verbindung gebracht wurde. Das nächste Heimspiel von Hannover findet Ende November gegen die Bayern statt und hätte sein Wiedersehen mit Louis van Gaal bedeutet. So schließt sich der Kreis.

     

    Ein Kreis, aus dem Robert Enke wohl nur noch einen Ausweg sah.

  • S
    Schorsch

    Warum sollte jetzt über den verantwortlichen Zugführer berichtet werden? Ich sehe nicht, wie ihm das in der jetzigen Situation helfen würde. Dagegen bin ich mir sicher, dass dieser Mann intensiv betreut wird.

     

    Einige Kommentare zeigen deutlich, dass eine dauerhafte Depression immer noch nicht als das wahrgenommen wird, was sie wirklich ist, nämlich eine ernsthafte Erkrankung. Für die Menschen, die an einer Depression erkranken, ist die Welt einfach nur dunkel. Nichts macht einen Sinn, nichts macht ihnen Freude und im Inneren herrscht nur eine große Leere. Enkes Tod hatte sicherlich nichts mit Egozentrik zu tun. Durch seine Krankheit war er sicherlich auch nicht mehr in der Lage, an das Schicksal des Lokführers zu denken. Wir sollten alle froh sein, dass wir nicht an dieser Krankheit leiden. Natürlich hätten viele nicht so gehandelt, hätten nicht das Leben eines völlig Unbeteiligten für immer verändert. Aber wir sind ja auch nicht krank - das bitte ich zu bedenken.

     

    Zum Schluss möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass auch ich diesen Artikel als sehr gelungen empfinde.

  • W
    Wilhelm

    Ich war - wie viele - fassungslos, als ich die Nachricht erhielt. Inzwischen sehen wir alle etwas klarer, was da passiert ist.

    Ich habe eine Bitte an die Redaktion der taz: wenn sich die Wogen etwas geglättet haben, wäre m.E. ein Artikel fällig, der die Situation von ZugführerInnen beschreibt, die ein solches Erlebnis hatten. Ich weiß, dass viele nach einem solchen Ereignis die Hilfe von PsychotherapeuthInnen in Anspruch genommenen haben. Viele von ihnen waren später traumatisiert und nicht mehr arbeitsfähig. Ich denke, dass auch diese Menschen unsere Aufmerksamkeit verdient haben, genau so, wie viele von uns jetzt mitfühlend auf den Freitod von Robert Enke reagieren. Ich bin immer noch geschockt und das bezieht den Zugführer mit ein.

  • J
    julius

    Respekt!

    Nicht nur dem Verstorbenen, auch dem Autor gegenüber. Eine wirklich gut geschriebener Beitrag.

  • LK
    Larissa Kern

    @korruptas ministerias

    Genau so ist es. Schade, dass das offensichtlich sonst niemandem auffällt! So tragisch solch ein Freitod auch sein mag für Familie, Freunde, Angehörige und so tragisch es auch ist, dass ein Mensch überhaupt so weit kommt- der Star Enke ist in allen Blättern. An den "normalsterblichen" Zugführer denkt niemand. Dabei muss der jetzt mit der Situation fertig werden.

  • NR
    Ned Rise

    Der Freitod von Robert Enke ist tragisch, beweist aber, daß Geld nicht glücklich macht und spiegelt die hässlichen Spielregeln unserer Gesellschaft. Wer Schwäche zeigt sitzt auf der Ersatzbank, Wichtigtuer und Großmäuler stehen auf dem Platz. Da nützt es auch nichts, wenn Medien auflagengeil den Betroffenen geben oder sich Ballack und Konsorten eine Träne aus dem Knopfloch drücken. Wie mich das ankotzt! Ruhe in Frieden, Robert.

  • A
    Andrea

    Danke auch für diesen Kommentar. Ist wirklich eine angemessene Würdigung des Menschen Robert Enke.

  • B
    budent

    Robert Enke mag ein toller Mensch gewesen sein. Das wurde ja auch viele Stunden lang gewürdigt. Überhaupt nichts habe ich über den Lokführer gehört, der jetzt ( vermutlich)schwer traumatisiert damit leben muß, einen Menschen getötet zu haben.Schade. Aber der war ja auch nicht berühmt.

  • A
    Andy

    dem kann ich nur beipflichten. ein sehr fundierter, angemessener und angenehmer artikel

  • P
    Pepe

    Allerdings muss ich auch Kritik über die Passage "er ist auch gerne mit dem Regionalzug zum Training gefahren" üben.

    Kann man meiner Meinung nach aus dem Artikel rauslassen

  • G
    Gustavito

    Danke auch dafür, dass das Thema dezent behandelt wird und nicht als großer Aufmacher breitgeschlagen wird, wie bei der Konkurrenz.

  • P
    Pat

    Es ist schade wenn ein Mensch sein Leben "freiwillig" wegwirft. Viele Leute sagen, dass dieser Mensch Hilfe gebraucht hätte. Ich sage, dass dieser Mensch Hilfe hätte geben müssen. Ein paar Wochen Arbeit bei einer Hilfsorganisation in einmen Elendsviertel der sogennanten Dritten Welt hätte ihm mehr geholfen als ein Psychiater.

    Selbstmord ist keine heroische Tat, sondern zeugt von einer extremen Egozentrik, bei der sich alles um den eigenen Schmerz dreht. Traurig.

  • T
    thorsten

    Bis gestern wusste ich nicht einmal wer das ist, sogar in der taz ist davon die rede.

     

    Aber ich glaube das ich als "Nicht Fuballfan" trotzdem nicht in der Minderheit in Deutschland bin.

     

    Also warum berichtet jede Zeitung als wär es Michael Jackson?

     

    Und Selbstmord ist auch keine Seltenheit, wer kennt nicht jemanden aus seinem Umfeld der es schon einen Suizidversuch hinter sich hat?

  • L
    lounger

    Endlich mal was in dem ganzen Medienschmonz was dem Menschen versucht gerecht zu werden ... und es meiner Meinung nach wird.

  • LR
    L. Reimer

    Ja, ein angenehmer Artikel.

     

    Komme selbst aus Hannover, und es ist schon eigenartig, wie sehr einen der Tod einer solchen Person treffen kann. Die man ja eigentlich nicht einmal im Ansatz kennt, in die man hauptsächlich hineinprojiziert. Man trauert wie um einen nahen Bekannten, einen Freund.

  • J
    Jimmy

    Ein fundierter Artikel, der Robert Enke in einer eindringlichen und würdevollen Art und Weise charakterisiert.

  • H
    heine

    vielen dank für ihre charakterdarstellung von robert enke. sie haben diesen torhüter wirklich sehr schön beschrieben.

  • KM
    korruptas ministerias

    Mein Beileid den Angehörigen.

    Ich kann jedoch nicht nachvollziehen , dass jemand der sich umbringt noch andere damit reinziehen muss. Es gibt doch Hochhäuser oder Pillen....der Zugführer tut mir leid.