piwik no script img

Brennende AutosDer Boulevard ist Feuer und Flamme

Das Springer-Blatt "B.Z." druckt Namen und Bilder eines mutmaßlichen Brandstifters und seines Vaters. Richter erlässt später Haftbefehl. Eine Polizeirazzia in linken Hausprojekten hatte keine neuen Beweise gebracht. Bewohner klagen über rüde Polizei.

Dieses Feuerzeug sollten Autobrandstiftungsverdächtige auch nicht in der Tasche haben Bild: ap

Bei der Jagd auf Autobrandstifter hat die Boulevardpresse jetzt die Rolle der Richter übernommen. Obwohl noch nicht einmal ein Haftbefehl vorlag, wurde ein am Montag Festgenommener in der B.Z. am Dienstag bereits als "Fackel-Chaot" bezeichnet. Unter der Schlagzeile prangte ein ungepixeltes Foto des Mannes. Zudem gab das Springer-Blatt an, der 23-Jährige sei Sohn eines Kommunalpolitikers. Die B.Z. druckte Vorname, Alter, Partei sowie ein Foto des Vaters und nannte auch den Bezirk, in dem er im Parlament sitzt. Somit reicht ein kurzer Blick ins Mitgliederverzeichnis der Bezirksverordnetenversammlung, um Vater und Sohn eindeutig zu identifizieren.

Das widerspricht dem Kodex des deutschen Presserates. Darin heißt es, dass die Presse in der Regel keine Informationen veröffentlicht, die eine Identifizierung von Tätern ermöglicht. Und weiter: "Bei Familienangehörigen, die mit der Straftat nichts zu tun haben, sind Namensnennung und Abbildung grundsätzlich unzulässig." "Wer hilft, dass Klarnamen bekannt werden, gießt nur Öl ins Feuer", kritisierte Benedikt Lux (Grüne). "Auch Tatverdächtige haben ein Recht auf Diskretion." Und Sippenhaft gebe es schon lange nicht mehr.

taz-Diskussion "Wo brennts?"

Diskussion: Die taz lädt für Mittwoch zur Diskussion "Wo brennt's? Gentrifizierung und wie man sie bekämpfen kann". Auf dem Podium sitzen Benedikt Lux (Grüne), Tim Laumeyer (Antifaschistische Linke Berlin) und Christoph Villinger (Autor und ehemaliger Hausbesetzer), Moderator ist Felix Lee (taz). Die Veranstaltung im tazcafé, Rudi-Dutschke-Str. 23 beginnt am 18. 11. um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Der 23-Jährige war in der Nacht zu Montag festgenommen worden (taz berichtete). Er ist in der linken Szene als Fotograf bekannt und soll auch schon Demonstrationen angemeldet haben. Laut Polizei hatten Zivilfahnder ihn "in unmittelbarer Nähe von brennenden Fahrzeugen" angetroffen. Zuvor waren in Friedrichshain drei Pkws angezündet worden. Für wie viele der Taten der Festgenommene verantwortlich gemacht werde, sei noch offen, sagte ein Polizeisprecher noch am Dienstagnachmittag. Erst am Dienstagabend entschied ein Richter, dass Haftbefehl gegen den 23-Jährigen wegen Brandstiftung in zwei Fällen erlassen werde, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.

Bisher hatten Ermittler wenig Glück bei der Fahndung nach Brandstiftern. Mittlerweile rund 270 abgefackelten Fahrzeugen stehen nur 16 Tatverdächtige gegenüber. Verurteilt wurde lediglich ein einziger Täter - und bei ihm war kein politisches Motiv zu erkennen. Zwei weitere Prozesse gegen angebliche Täter waren kürzlich geplatzt.

Um die Vorwürfe gegen den nun Festgenommenen zu untermauern, hatten 150 Polizisten am Montag zwei ehemals besetzte Häuser in der Liebigstraße durchsucht. In dem einen soll der Mann aktuell, in dem anderen früher gemeldet gewesen sein. Bei der Durchsuchung wurde laut Polizei nichts gefunden.

Die Bewohner der Häuser beklagten sich am Dienstag über das rüde Vorgehen der Polizei. Unter anderem hätten Beamte in der Liebigstraße 14 vom Dach Steine in Kamine geworfen, so dass diese nun unbrauchbar seien. Der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne) bestätigte der taz, nach der Hausdurchsuchung Ziegelsteine in einem Kamin gesehen zu haben. "Wenn die Polizei das war, weiß ich nicht, was das soll", sagte Ströbele. Ein Polizeisprecher wies den Vorwurf zurück. Laut Einsatzbericht hätten Beamte auf dem Dach gefundene Steine nach unten gebracht. Sie hätten angenommen, dass diese dort deponiert worden seien. Das Haus ist räumungsbedroht, weil der Eigentümer seit letzter Woche Kündigungen gegen alle Mieter vor Gericht durchgesetzt hat. Für Dienstagabend wurde zu einer Demonstration aufgerufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • GA
    Gereon Asmuth

    Der Presserat hat mittlerweile die Berichterstattung von "B.Z.-Online" gerügt.

     

    In einer Mitteilung des Presserates vom 5.3.10 heißt es: "Allein die Tatsache, dass der Vater des Jungen Kommunal-politiker sei, mache den Verdächtigen nicht zur Person der Zeitgeschichte. Der Ausschuss erkennt kein öffentliches Interesse an der identifizierenden Berichterstattung."

     

    http://www.presserat.info/pm.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=339&tx_ttnews[backPid]=339&cHash=44ff162689

  • BS
    Bernd Schwanenmeister

    Das sind leider typische Wohlstandsprobleme.

    Wer etwas in der Welt rumkommt, wird sehen, dass diese Probleme in ärmeren Ländern nicht existieren und erst recht nicht von Kindern aus gebildeteren Schichten ausgehen. Das ist schon sehr pervers, was in Berlin abgeht und wenn ich versuchte, dies brasilianischen Kollegen zu erzählen, die würden die Deutschen für bescheuert erklären, und denken, dass wir mal deren Probleme haben sollten.

  • A
    ama.dablam

    Das ist das Problem der TAZ, dass redaktioneller Teil und Kommentar nicht erkennbar getrennt wird. Als Kommentar könnte man Herrn Asmuths Beitrag ja ertragen. Stellen wir uns mal vor, (Nobel-)Autos brennen, weil Glatzen damit Zeichen gegen das Protzen des Weltjudentums setzen wollen. Da würde nicht primär über einen Presseratskodex resp. dessen Bruch lamentiert. Stellen wir uns weiter vor, mit Riegerschem Geld würde ein altes Hotel erworben (und sogar bezahlt!!), so für Kameradschaftsabende o.ä. Wäre dies ein rechtes "Hausprojekt"?

     

    Also bitte im Kommentarbereich beschönigen. Lässt sich zwar nicht unter Ziff. 7 des Pressekodex subsumieren, war aber mal Teil journalistischer Ethik.

  • B
    bernd

    "Zuvor waren in Friedrichshain drei Pkws angezündet worden"

    Das stimmt so nicht- Der mutmaßliche Brandstifter wurde wohl in der Bänsch-, Pattenkoffer-, Scharnweberstraße festgenommen als dort 2 Autos brannten. ca. eine Halbe Std. nach der Festnahme brannte ein Auto in der Friedensstraße/nähe Platz der vereinten Nationen (ca.ne halbe std. von den ersten 2 Brandstiftungen entfernt)

    Möglich das (wieder mal) der falsche im Knast sitzt (warum jetzt eigentlich Feuerzeugbenzin????Wurde nicht immer von Grillanzünder gesprochen?!?!?!?!)

    Also die Indizienlage ist meines Wissen sehr dünn- zumindest dass was man aus der Presse erfährt.

  • UP
    Ulf P.

    Ach die nennung von Klarnamen, die hier so bemängelt wird gilt nur wenn es der Taz passt! Oder wie ist es zu verstehen das Sie im Artikel vom 14.11. zur Liebigstrasse 14 "Hausprojekt von Räumung bedroht" Klarnamen der Eigentümer verwenden.

    Auch dort hätte ein Edwin T. und Suitbert B. gereicht. Aber nein, jemand der eine Immobilie besitzt gehört an den Pranger gestellt.

  • M
    max

    @von von:

    fang doch selber an zu heulen reaktionäres a...loch. wenn schon die linken anfangen den rechtsstaat an seinen eigenen maßstäben zu messen, dann ist das ja tatsächlich eine frechheit, nicht wahr? ein bischen anderer leute sachen kaputtmachen und deren leben erschweren wird die polizei doch wohl auch ohne rechtsgrundlage mal dürfen, nicht wahr?

    ich hoffe, eines tages in einem land zu leben, in dem wegen einer folgenlosen versuchten sachbeschädigung von der staatsanwaltschaft nicht drei jahre gefordert werden und wo polizisten vor gericht kommen, wen sie ggen das gesetz verstoßen.

  • V
    von

    Fangt doch an zu heulen Ihr armen Aufrechten Gutmenschen und Besserwisser! Ja die haben Euch hart angefasst! "Die haben was in den Kamin getan"

    wie niedlich...

    Ströbele, was soll man zu dem noch sagen, dem armen Terrorgreis...

    Überflüssig....