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BildungsstreikStudis fehlt die Zeit für Ideen

Zehntausende StudentInnen demonstrieren weiter gegen miserable Bedingungen an den Hochschulen. An kreativem Protest fehlt es – aus Zeitmangel.

Latschdemos und Hörsaalbesetzungen. Bild: dpa

Studentinnen und Studenten haben bundesweit auch am Donnerstag ihre Bildungsproteste fortgesetzt. In Köln blockierten rund 350 Protestierende die Aula der Uni und hielten ein "Sleep-In" ab. In Jena kam es auf dem Campus spontan zu Protesten, nachdem in der Nacht zuvor Polizisten die besetzten Institutsräume gestürmt und von rund 40 Anwesenden die Personalien aufgenommen hatten.

Nach Angaben eines streikenden Studenten wurde auch einer abgeführt. Und auch sonst wurden an den meisten Hochschulen die in den vergangenen Tagen besetzten Institutsräume gehalten. Seit Beginn dieser Woche werden bundesweit mehr als 30 Unis bestreikt. Am Mittwoch kam eine Schule in Düsseldorf hinzu.

Was jedoch auffällt: Zwar gibt es viele Demonstrationen. Doch zu spektakulären Protestformen, wie es bei vergangenen Unistreiks üblich war, ist es bei diesem Bildungsstreik bisher noch nicht gekommen. "Wir hatten einfach nicht genügend Vorbereitungszeit", bedauert Henry Klein, Soziologiestudent an der Uni Jena, den mangelnden Elan: "Außer Institutsbesetzungen und Latschdemos ist kaum was gewesen." Auch Dagmar Freund, Anglistikstudentin an der Uni Marburg, kritisiert, dass es "irgendwie an Pepp fehlte".

Beide führen das Problem darauf zurück, dass der Bildungsstreik von Beginn an auf eine Woche begrenzt wurde. Zwar haben an einigen Unis wie in Berlin die Streikenden angekündigt, dass sie die Räume auch über die angesetzte Streikwoche hinaus besetzt halten wollen.

Und an anderen Unis soll bei Vollversammlungen am Freitag über den weiteren Protestverlauf beraten werden. Doch rechnen viele Studierende damit, dass der Lehrbetrieb an den meisten Unis ab Montag wieder aufgenommen wird. "Einen unbefristeten Streik können sich gerade Studis der Bachelor-Fächer nicht leisten", sagt Klein.

Drei Wochen Vorlesungen zu schwänzen könnte den Verlust eines Jahres der regulären Studienzeit bedeuten. "Das riskieren die wenigsten", so Klein. Nicht zuletzt auch aufgrund eines "Aussterbens studentischer Protestkultur" gelte es, gegen die überfrachteten Bachelor-Studiengänge auf die Straße zu gehen.

Auf einem bundesweiten Treffen der Streikenden sollte am Donnerstag in Heidelberg über das weitere gemeinsame Vorgehen entschieden werden. Ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Eine spektakuläre Aktion, die sich von einer Latschdemo unterscheidet, soll es auf jeden Fall aber noch geben. Mit einem sogenannten Ent-Führungstreffen wollen Berliner StudentInnen am Freitag mit Aktivisten des antikapitalistischen Netzwerks "Interventionistische Linke" das von der Süddeutschen Zeitung organisierte Führungstreffen der deutschen Wirtschaft im Luxushotel Adlon stören.

Erwartet wird auf dem Treffen unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Die DemonstrantInnen kündigten an, dass sie das Hotel belagern wollen. Als Starredner ist der italienische Politikwissenschaftler und Globalisierungskritiker Antonio Negri vorgesehen.

Die Welle der Unterstützung hält indes an: Nachdem bereits Bildungspolitiker aller Parteien Verständnis für die Proteste aufgebracht haben, unterstützt nun auch die Evangelische Kirche in Deutschland den Protest für eine bessere Bildung. Bei der starken Reglementierung der Studieninhalte drohe die akademische Freiheit zu ersticken, sagte der Vorsitzende des EKD-Hochschulbeirats, Bischof Johannes Friedrich.

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6 Kommentare

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  • J
    Jones

    Der ganze Protest ist doch im Grunde sinnfrei.

    Was lässt die Berichterstattung denn bitte beim Volk ankommen?

    Studenten, die für den heutigen Leistungsdruck zu zimperlich sind, und den guten, alten "Schlendrian" zurückwollen und deswegen reaktionäre Randale veranstalten. So wird das dem bildungsferneren nicht-Akademiker doch vermittelt.

     

    Die einzige Möglichkeit, die Studienbedingungen Deutschlands in eine Form zu bringen, die persönliche Entwicklung, Verantwortung und eine erweiterung des Horizontes erlaubt, ist doch, dem Land vor Augen zu führen, was das jetzige System mit unserem Staat macht:

     

    Was passiert, wenn die "Bildungselite" nur noch aus abgerichteten Fachidioten besteht, die nicht mehr für sich selbst entscheiden können, durch ihr Studium gehetzt wurden, ohne Zeit für einen Blick über den Tellerrand und ohne Möglichkeit zur örtlichen Flexibilität?

     

    Hochqualifizierte Arbeitskraft ist das einzige, was Deutschland in der Weltwirtschaft ausmacht.

    Und unser Bildungssystem ist auf dem besten Wege, uns vom Exportweltmeister und Bildungsstandort zum Entwicklungsland mit Billiglohnempfängern zu machen.

    Nach Bologna kommt der Jordan...

  • DS
    Dr. Schreck

    Hallo.

     

    Ich muss meinen Vorrednern absolut recht geben. Zu meiner Studienzeit war ich ab Mitte der 90er bei jedem Studierendenprotest dabei und stand voll dahinter. Aber sobald der 100ste Pantomime seinen Ausbruch aus dem imaginären Käfig vollzog und sich die Kameras auf irgendwelche bunten, lauten, lustigen Spaßaktionen richteten statt auf die Redner, bin ich heimgegangen und habe frustriert über radikaleren Protest nachgegrübelt.

     

    Es hat doch keiner die Spielwiesenwochen der sogenannten "Proteste" ernst genommen. Kreativität recht und gut, aber manchmal muss man dem Ernst der Lage auch gerecht werden und Inhalte transportieren anstatt eine Woche Kinderfreiziet zu haben.

     

    Weiter so, Studis!

     

    MfG, Dr. E. Schreck

  • R
    Riin

    Na gottseidank fehlt es dafür an Zeit. Diese "kreativen Protestformen" wirken immer so hilflos auf mich. Als wenn Protest auf so unwiderstehlich charmante Art vorgetragen werden müsste, dass dem verbitterten Souverän ein Lächeln und eine Träne abgerungen wird und er nun keine andere Wahl hat als gegenüber diesen herzergreifenden Wesen, die ihn so gekonnt um den Finger gewickelt haben, Gnade walten zu lassen.

     

    Manchmal ist der direkte Weg einfach der beste.

  • K
    kurti

    Da erdreisten sich also die StudentInnen, zu protestieren, ohne der schreibenden und fotografierenden Zunft ihre Phantasie, Bildmaterial und nette Geschichten von Protestaktionen zur Verwertung frei Haus zu liefern? Wie - die haben einfach nur ein Anliegen und wollen nicht Protest-Rohstoff sein, aus dem die taz und andere dann ihren Nektar saugen können? Wie können sie nur?!

    Bravo! Sollen sich die Schreiberlinge halt mal selber anstrengen, recherchieren und dann berichten.

  • GF
    Georg Fries

    Was man nicht vergessen sollte, ist aber, wie erfolglos die "kreativen" Ideen vergangener Uni-Streiks waren. Ich hab selbst 1997 in Heidelberg an durchaus "kreativen" Streikformen teilgenommen - aber ehrlich gesagt war das damals mehr ein Geplänkel. Im SPIEGEL, machte man damals großkotzig mit "der Haß der Studierenden auf 68er-Opas" auf, was eher postmoderne Journalisten als uns Studis interessierte. Es gab viel lucky-Streik-Gerede, die ganze Zeit war von techno und Popgelaber voll, in Wahrheit war man bald vom pseudocoolen Neoliberalismus und style-Gerede eingefangen. Die Studierenden jetzt sind viel weiter, das ist nur für Leute, denen alles um postmodernes Gerede und "die Form" ankommt, schwer zu verstehen^^. Es kommt auf die Ziele an...Spaßdemos schaden nicht, waren in der jüngeren Vergangenheit aber - nur Spaßdemos.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Ich kann die sachlogischen und übermächtigen 'Ideen' für den Studentenprotest 2009 nachliefern - und auch gleich den Namen der Adressatin mitliefern, der sich diesem 'Entschluß zum Epochenwechsel' der Protestierenden nicht entziehen w i l l, weil er darauf wartet, in diese Rolle schlüpfen zu können.

     

    An der Uni Erlangen-Nürnberg habe ich versucht, die sach- und machtpolitische Maximumoption für den Weg in die 'Bildungsrepublik Deutschland' einzubringen - bisher ohne Wahrnehmungserfolg...

     

    Deshalb hinterlege ich hier meinen Flugblatttext 'Entschluß zum Epochenwechsel' und den Einführungstext dazu:

     

    1. Einführungstext

     

    An alle Protestierenden und Studierenden an der Uni Erlangen-Nürnberg !

     

    Dieses Flugblatt soll Euch über das real-mögliche, geschichtliche Potenzial Eurer Protestaktion informieren. Es ist durch die Koinzidenz mit der bislang ‚unerkannten Dimension‘ (Angela Merkel in FAZ v. 14.11.2009) der deutschen 6%-Wachstumsabsturzkrise entstanden.

     

    Euer Protest fällt ja in die Blindflugphase der e r s t e n existenziellen Macht- und Steuerungs-Systemkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die geheim-herrschende Macht-Nr.1 in Deutschland ist mit ihrem Steuerungslatein am Ende. Die deutsche 6%-Wachstumsabsturzkrise hat für jeden Systemdenker eine Botschaft: die Macht-Nr.1 ‚kann nicht mehr wie bisher.‘ Und auf diesem Flugblatt könnt Ihr Euch darüber informieren, dass eine machtsystem-minimierende Fortschrittsordnung-des-KREATIVEN das Ancien Régime ablösen wird – und dass ein kleiner, einfachen Anstoß genüg, um den selbstläuferischen Dominopfad anzustoßen, der evolutionsprozess-logisch zum Aufbau der neuen politischen und gesellschaftlichen Ordnung des KREATIVEN führt – in Deutschland und weltweit. Die Ordnung-des-KREATIVEN ist die evolutionsprozess-logisch zu Ende gedachte ‚Bildungsrepublik‘. Damit stellen wir die Machtfrage an die Macht-Nr.1. Denn das evolutionsprozess-logisch Zu-Ende-Gedachte bringt seine Durchsetzungsmacht gleich mit. Wir sprechen von dem, was Goethe mit WAHR bezeichnete: ‚Wahr ist der höchste Grad wechselseitiger Entwicklung.‘

     

    Die reale Sensation ist nun, dass allein die bundesweite Diskussion der Inhalte des Exodus- und Ordnung-des-KREATIVEN-Projekts hinreicht, um das Ancien Régime zusammenbrechen zu lassen. Wir müssen nur die Medien- und Diskussionsmauer öffnen. Den Anstoß zu diesem Dominoprozess-durch-Diskussionsstart kann Eure Protestaktion geben. Der ‚Erlanger Entschluß zum Epochenwechsel‘ – siehe Text auf der Rückseite - reicht wohl dazu aus. Würde er ausgiebig diskutiert und verabschiedet hättet Ihr das maximale, real-mögliche Potenzial Eurer Protestaktion genutzt und irreversibel in menschlichen und gesellschaftlichen Fortschritt umgesetzt.

     

    Rüdiger Kalupner

    Erlangen, am 18.11.2009

     

     

    2. "Entschließung

    der Erlanger Studentinnen und Studenten vom __ . 11. 2009

     

    „Erlanger Entschluß zum Epochenwechsel“

     

    Die staatlichen Finanzierungsdefizite werden im Jahr 2010 zu harten Einschnitten auch in den Universitäten führen müssen – wenn sich nichts grundlegend ändert. Sollen wir der Auseinandersetzung im Jahr 2010 heute ‚tatenarm und gedankenvoll‘ zusehen, obowohl jeder ahnt, dass die 6%-Wachstumsabsturz-Krise zu einer völlig neuen Wirtschaftspolitik jenseits des 2%Wachstumszwang-Regime zwingt - zu GROSSER POLITIK zwingt. Die 2%Wachstumszwang- und Kapitalstockmaximierer-Politik funktioniert nicht mehr. Alle Systemdenker wissen: Die da oben können nicht mehr wie bisher. Wir da unten wissen, dass das Ancien Régime nur noch Zeit gewinnen will – auf unsere Kosten. Die Lage ist eindeutig: Deutschland braucht eine Exit-Option aus dem Ancien Régime der 2%Wachstumszwang-via-Kapitalstockmaximierungs-Herrschaft

     

    Wir, die Erlanger Studentinnen und Studenten, nehmen die Diskussion des KRISENJAHRES 2010 nur vorweg, wenn wir das globale Übergangsprojekt:benennen und die evolutionsprozess-logische Forderung stellen:

     

     

    Umsteuern JETZT,

    d.h. den WACHSTUMSPFAD austauschen,

    KREATIVE Fähigkeiten maximieren

    statt den HighTech-KAPITALSTOCK.

     

     

    Dies ist eine Diskussionsforderung. Sie richtet sich an alle relevanten Wissenschaften. Wir fordern die Universitäts- und Instituts-Leitungen der UNI Erlangen-Nürnberg auf, die Diskussion über die globale Umsteuerungaufgabe in einem geeigneten, wissenschafltichen Rahmen zu starten – und zwar auf evolutionsprozess-theoretischer Grundlage.

     

    Nach dem evolutionsprozess-theoretischen Erkenntnisstand steht die evolutionsprozess-logisch folgende Weltordnung des KREATIVEN ante portas, folgt der KAPITAL-Projektherrschaft die Ordnung des KREATIVEN Akzelerationswegs. Die Diskussionsgrundlage dazu ist unter dem Namen EPIKUR-Projekt im Internet verfügbar. Die chaos- und evolutionsprozess-physikalischen Theorien und Erkenntnisse verheißen ein selbstläuferische, dominomächtige Realisierung der Umsteuerung vom konfliktkämpferischen KAPITAL-Projekt auf das konfliktauflösende, KREATIVE EPIKUR-Projekt, d.h. dem E.volutions-P.rojekt-I.nformierten, K.ultur-U.topie-R.ealisierungs-Projekt.

     

    Wir helfen damit Angela Merkel. Das Ziel ‚Exodus aus dem Wachstumszwang-Absolutismus‘ und die Inhalte ihrer Initiative ‚CHARTA-für-nachhaltiges-Wirtschaften‘ sind mit dem EPIKUR-Projekt identisch. Sie hat sich schon die Freiheit zu GROSSER POLITIK genommen. Eine typisch deutsche Revolution – von unten u n d von oben gewollt und gewagt - wollen wir mit diesem Wissen von Erlangen aus anstoßen. Wissenschaftler an die Front! Wir wollen Angela Merkel nicht alleine lassen......

     

    Die Lage ist denkbar einfach und für unsere ‚Anstoßpolitik‘ äußerst hilfreich:

    Wenn jedermann weiß, worauf die deutsche 6%Wachstumsabsturz-KRISE hinausläuft, wird das fast-geheim herrschende 2%Wachstumszwang-Monster verschwinden – und wir werden dessen zusammenbrechende Tretmühle (= Reich der Notwendigkeit) rechtzeitig verlassen können. Vom modernen Rumpelstilzchen befreit, werden wir in der gesellschaftlichen Ordnung-des-KREATIVEN (= Reich der Freiheit) unsere Talente in alle Richtungen zum wechselseitigen Nutzen der Menschen entwickeln können.

     

    Die Erkenntnisse der Evolutionsprozess- und Chaosphysik machen uns sicher, dass wir das alte, europäische Projekt eines gelingenden, humanistischen Fortschritts endlich fortsetzen und zu Ende bringen können - wie es Angela Merkel am 22.5.2009 in der BILD-Zeitung verschlüsselt-aber-eindeutig formuliert hat.

     

    gez. Rüdiger Kalupner

    v. 16.11.2009

     

    PS. Weitere Infos auf unserer Webseite: www.die-kreativen-partei.de