die wahrheit: Verloren im Wald
Tagebuchaufzeichnungen eines verirrten Philosophen
5. August: Als ich am Morgen aus unruhigen Träumen erwache, finde ich mich vollkommen unverwandelt in einem finnischen Wald wieder.
11. August: Komme im Wald nicht zurecht. Überall nur Bäume. Ich brauche mehr Zusammenhänge.
12. August: Alles, was ich denke, ist plausibel. Nur die Wirklichkeit hält sich nicht an das Bild, was ich mir von ihr mache.
15. August: Existiert eine Erscheinung, die ein Abbild einer Idee ist, oder ist sie nur eine Vorstellung, die nicht wirklich weiterhilft?
16. August: Its only on my mind, but I like it.
19. August: Hunger.
20. August: Muss man etwas essen, weil es das Einzige ist, was da ist?
21. August: Es ist merkwürdig etwas zu essen, von dem man nicht weiß, was es ist: Man ist schneller satt. Hat aber noch Hunger. Anschließend schwere Träume von riesigen Erbsenfeldern durch die durchweg sehr dicke Menschen schreiten.
22. August: Versuch, erneut ans Erbsenfeld zu denken - dieses Mal ohne die dicken Leute, dafür abermit der Möglichkeit, sich eine Suppe zu kochen. Bin dabei trotz größter Bemühungen gescheitert.
23. August: Wenn man Baumrinde kaut und sie an Zähnen klebt, dann ist das eine gute Form der Selbstvergewisserung. Andererseits: Ist ein Baum, der keine Rinde mehr hat, noch ein Baum? Und was ist mit mir, der Rinde von einem Baum im Mund hat, der gar kein Baum ist?
24. August: Man kann stundenlang durch den Wald laufen und einen Baum suchen. Man wird keinen finden, wenn man nicht weiß, was ein Baum ist.
27. August: Vorsatz: Etwas zu tun. Folge: Aneinanderreihung von Beliebigkeiten.
1. September: Erkläre meinen Füßen das Bewusststein: Das Leben wird dadurch komplizierter, weil man weiß, dass man existiert, aber nicht, wer man ist. Es hilft aber, wenn jemand fragt, ob noch irgendwer ein Stück Baumrinde will, und man "Ich!" sagen kann.
3. September: Langeweile ist so schlimm, weil man bei Bewusstsein ist. Ich werde aufhören Baumrinde zu essen.
5. September: Macht auch keinen Unterschied.
6. September: Alles was wir tun, dient einzig der zunehmenden Verwirrung.
8. September: Wenn es immer hell ist, ist die Zeit ein Baum, der langsam umfällt.
12. September: Das Glück: Wenn ich weiß, wie es aussieht, warum soll ich es dann suchen. Wenn ich nicht weiß, wie es aussieht, wie kann ich es dann finden? (Taschenlampe besorgen)
13. September: Das Leben ist schöner, weiter und farblich nicht so gesprenkelt wie die Kacke eines Eichhörnchens.
18. September: Beschließe, mich zu einem Tier zurückzuentwickeln. Versuche zunächst Witterung aufzunehmen und auf allen Vieren zu kriechen, dann in einem Baum zu leben.
19. September: Es gibt keinen Ozean. Wer das nicht weiß, wird in ihm ertrinken. Es gibt keine Bäume. Wer das nicht weiß, kann in ihnen überwintern.
22. September: Sitze seit drei Tagen in meinem Baum und fühle mich zunehmend wohler. Identität ist Gewohnheit.
23. September: Das bin ich: Nicht nichts, sondern etwas. Etwas was? Etwas einiges.
26. September: Bin mir wieder fremd: Das Ich ist das, was entsteht, wenn es sich verändert.
28. September: Idee, dass es keine Materie gibt. Stattdessen ist mein Leben die Vorstellung eines übermenschlichen Wesens, das sich in einer Reihenhaussiedlung langweilt.
29. September: Stürze vom Baum, wobei mich mehrere Äste voll treffen und mein Gesicht aufreißen. Der Raum ist ein totalitäres System, das seine Leugner gnadenlos abstraft.
3. Oktober: Die Schwerkraft als schwierigeFrage. Existenzialistisches Weltraumspray als einzige Antwort.
5. Oktober: Alles in allem sind wir eine linkssitzende Apfelsine. Oder?
6. Oktober: Im Abschlusszeugnis von der Akademie stand: Gut geeignet für die Arbeit mit Delfinen. Vielleicht sollte ich anfangen, den Wald zu roden und Tiere zu domestizieren.
7. Oktober: Oder jemanden finden, der ein Handy hat.
11. Oktober: Kultur bedeutet mehr als die Idee für eine Porzellanpuppe, die Dieter heißt.
20. Oktober: Es gibt Momente von Einsamkeit, da glaubt man an die Texte von Take That.
23. Oktober: Wir sind alle zusammen sehr indifferent.
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