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Verkostung in WestpolenFließend polnisch

Eine Pressereise zu den Wein-, Bier- und Wodka-Hochburgen in Westpolen – eine Reise in den polnischen Untergrund

Polnische Punks beim Bier Bild: dpa

Ein Journalist in der Reisegruppe erzählte, er hätte in der Toskana mit Einheimischen Grappa getrunken und, obwohl er kaum Italienisch konnte, irgendwann alles verstanden. Ein ähnliches Erlebnis hatte ein anderer in einer Bar in Havanna mit Rum gehabt. Wir zogen daraus den Schluss, dass man im Ausland zum besseren Verständnis den Alkohol trinken sollte, der dort produziert wird. Was aber ist der den Polen sozusagen gemäße Alkohol? Zur Beantwortung dieser Frage fuhren wir zunächst in die Woiwodschaft Westpommern, wo wir in Stettin den Wodka des Staatskonzerns Polmos kosteten.

Vorweg: Alkohol gewinnt man aus Pflanzensaft, indem dessen zuckerhaltige Substanzen von Bakterien zur alkoholischen Gärung gebracht werden. Diesem biologischen Prozess folgen ein bis drei physikalische Prozesse, bestehend aus einem thermischen Trennverfahren. Dabei bildet sich ein flüssiges Kondensat: Schnaps. Früher fanden diese beiden Prozesse und auch der Feldfruchtanbau noch quasi unter einem Dach statt. Beim Polmos-Wodka wird heute die Grundsubstanz Roggen von pommerschen Bauern angebaut und an verschiedene kleine Destillerien in der Region verkauft, diese versorgen Polmos mit dem „Spiritus“, der zunächst mit Wasser versetzt, d. h. auf trinkbare 40 bis 50 Prozent reduziert wird, um dann in Kellergewölben gelagert zu werden.

Die tiefen Keller waren früher Teil eines Forts, in das 1863 die Victory-Brauerei einzog. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg stellte sie auf Weinbrand um -, und nach dem Zweiten auf Wodka. Wir probierten 5, 10 und 18 Jahre alten in Eichenfässern gereiften Wodka der Marke „Starka“: Er sieht aus wie Cognac - und für die EU ist er das auch. Aber eigentlich handelt es sich dabei um einen in Polen schon seit 500 Jahren üblichen „Hochzeitsschnaps“, den man bereits kurz nach der Geburt des Bräutigams ansetzte. Die teuerste Flasche kostet heute 150 Euro. Der mitreisende SZ-Journalist meinte nach dem Probieren: „Das war schon mal ein sehr guter Einstieg“ - in das Thema polnischer Alkohol.

Trinken in Polen

Forschung: Nachdem Forscher der Universität Stockholm herausgefunden hatten, dass bereits 50 Gramm Alkohol täglich (etwa 0,3 Liter Wodka oder ein Liter Bier oder ein halber Liter Wein) bleibende Schäden im Gehirn verursachen, haben schwedische Wissenschaftler vom Karolinska-Institut nun das Gegenteil herausbekommen: Alkohol stimuliert die Bildung neuer Nervenzellen. Unabhängig von diesen widersprüchlichen Forschungsergebnissen fahren die Skandinavier zum Trinken und Einkaufen alkoholischer Getränke gern nach Polen, denn in ihrem eigenen Land sind sie extrem teuer und außerdem nur in staatlichen Monopolgeschäften erhältlich.

Polnische Tourismusforscher aus Warschau haben jetzt über diese Skandinavier herausgefunden, dass sie zwar in Polen wegen ihres Alkoholkonsums nicht selten mit einem "Tunnelblick" herumlaufen, wieder zurück in ihrem Heimatland zeichnen sie sich jedoch im Gegensatz zu ihren Landsleuten, die zu Hause trinken, durch einen erweiterten Horizont aus.

Stationen der Reise: Wodka in Szczecin - Polmos S. A. www.polmos.szczecin.pl Wein bei Zielona Góra - Winnica Miosz www.winnicamilosza.com.pl Bier in Poznan - Brauerei Lech www.kp.pl

In der benachbarten Woiwodschaft Lubuskie ging es um Weinanbau. Unsere erste Zwischenstation auf dem Weg nach Zielona Góra war das 2001 eröffnete Schlosshotel Mierzecin. Hier bauten deutsche Gutsbesitzer Kartoffeln an und machten daraus Wodka. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude fast vollständig zerstört. Jetzt gehört das Gut den Besitzern der Lackfabrik Novol. Sie steckten bereits mehrere Millionen Euro in ihr Schlosshobby. Allein 80 Mitarbeiter sind hier mit der Pflege des Reitstalls, einer Fischzucht, des Hotelbetriebs, eines Weinbergs und der Parkanlagen beschäftigt. Mit dem Weinanbau wird noch experimentiert. Zwar geht er auf Zisterziensermönche im 13. Jahrhundert zurück - und wurde im 19. Jahrhundert im Lubusker Land noch einmal wiederbelebt, aber erst mit den neuen Schlossbesitzern wurde jetzt ein neuer Versuch gewagt. Zuvor hatte es hier nur Obst- und Importweine gegeben. Auf dem zu „Mierzecin“ gehörenden Weinberg wachsen 18 verschiedene Sorten. Wir konnten den Wein aber noch nicht kosten, da die erste richtige Ernte erst noch bevorstand.

Im Dorf Zabor wurden wir von einem Lokaljournalisten erwartet, dem dort ein Weinberg gehört. Seine Eltern bewirtschafteten früher Kirschbäume. Krzysztof Fedorowicz hat einen eigenen Weinkeller - die Winnica Milosz, wo wir seinen Spätburgunder, Zweigelt und Traminer verkosteten. Der Weißwein war mir etwas zu geschmacklos, und der Zweigelt schmeckte ähnlich wie der tschechische Frankovka. Aus Mähren holt sich der nebenberufliche Weinanbauer, der 2.000 Liter jährlich produziert, auch seinen Rat. Es gibt etwa 30 bis 40 Weinbauern in der Gegend, sie bieten ihre Produkte vor allem auf dem Weinfest in Zielona Góra an. Da noch unklar ist, wie man sie besteuern soll - ob als Bauern oder als Unternehmer (was einen großen Unterschied macht) -, behelfen sich die Winzer einstweilen noch damit, dass sie für 15 Zloty bloß ihre Visitenkarten verkaufen - und eine Flasche Wein gratis dazugeben. Seit Beginn der neuen Zeit in der nördlichsten Weinanbauregion Europas wird der Wein ungeachtet dieser Distributionsprobleme in Polen immer populärer, versicherten unsere Begleiter.

In Zielona Góra gibt es einen imposanten Weinberg inmitten der Stadt, mit einem Palmenhaus obendrauf, und unten in der Altstadt ein Heimatmuseum, das dem örtlichen Weinanbau eine ganze Abteilung gewidmet hat. Im einstigen Grünberg waren es vor allem deutsche und jüdische Fabrikanten, die aus den einheimischen Trauben billigen Wein, Sekt und Weinbrand machten. Unser Dolmetscher las uns eine der um 1900 kursierenden Satiren auf den sauren Grünberger Wein vor: Sie hätten dazu beigetragen, dass später im Kommunismus die meisten Kabarettisten stets aus Zielona Góra kamen - und das sei noch heute in Polen so.

Dass wir auf der Fahrt so wenig polnischen Wein zu kosten bekamen, lag wohl daran, dass er eher ein Mittel zum Zweck „gemütlichen Beisammenseins“ ist, als ein „guter Tropfen“, den man gern auch allein zu Hause genießt. Dabei mangelte es unterwegs nicht an Gemütlichkeit. Diese stellte sich meist beim Essen in Kellerrestaurants ein. In Polen mag man rustikale Kellergewölbe. Dies hängt wahrscheinlich mit den ruhmreichen Perioden der polnischen Geschichte zusammen, in denen das Land okkupiert war und nahezu die gesamte Gesellschaft in den Untergrund ging, um von da aus den Aufstand zu wagen. Kaum befreit und auf ihren Nationalstolz reduziert, drohte die polnische Gesellschaft aber auch schon wieder zu verzagen. Die Kellerrestaurants und -klubs wirken dabei als eine Art Gegengift. Laut unserem polnischen RBB-Kollegen gibt es etwa in Zielona Góra „eine sehr lebendige Subkultur“ - und dieser „Underground“ sei es, der die Gesellschaft immer wieder vorangebracht habe, nicht die Unternehmer und das Bürgertum.

Die Wodkafirma, die wir nach der Weinexkursion in Zielona Góra besuchten, war früher ebenfalls eine Weinbrandfabrik. Als man 1999 die Marken des staatlichen Wodka-Monopolbetriebs „verteilte“, wurde die Marke Luksusowa an einen schwedischen Konzern verkauft, der unter anderem „Absolut-Vodka“ produziert. Die Firma kreiert nun immer neue Wodkamarken. Bei ihrem letzten Luxuswodka (auf Roggenbasis), benannt nach dem Epos „Pan Tadeusz“ von Adam Mickiewicz, intervenierte die Politik, die der Jugend eine derartige Verknüpfung des Nationalgetränks mit dem Nationaldichter nicht zumuten wollte. Auf dem Etikett verschwand daraufhin ein Zitat von Mieckiwicz, und sein Konterfei wurde mit mit dem Porträt eines Unbekannten (Dichters oder Trinkers) ausgetauscht. Der FAZ-Kollege kaufte sich daraufhin ein Buch, in dem nahezu alle Äußerungen von polnischen Schriftstellern über Alkohol gesammelt waren.

In der Luksusowa-Fabrik beeindruckte uns insbesondere eine Arbeiterin, die fast allein in der Produktionshalle in äußerst unbequemer Haltung vor einem der Fließbänder auf einem Styroporstück saß und bei jeder Flasche den Verschluss und die Zollbanderole kontrollierte. Im Verwaltungsgebäude probierten wir dann vier Exportmarken der Firma Luksusowa, wobei uns der billigste Wodka am besten schmeckte.

Weiter ging es nach Poznan - Hauptstadt der Woiwodschaft Wielkopolska. Auf dem Weg dorthin kehrten wir noch in einer der vielen kleinen über das Land verstreuten Brennereien ein. Diese - in Koscian - produzierte den Alkohol für die größte polnische Wodkafirma Wyborowa in Poznán und war dazu noch spezialisiert auf deren teuerste Wodkamarke „Exquisit“ (die Flasche zu 30 Euro), wofür sie eine besondere Roggensorte verwendet. Der Produktionsleiter zeigte uns den Herstellungsprozess. Hier waren die Arbeiter noch nicht von den Automatisierungsingenieuren zu leidiger „Wetware“ degradiert worden. Zwischen den einzelnen Behältern und Pumpen für die biologischen und physikalischen Prozesse standen Topfpflanzen, die liebevoll gepflegt schienen, und überhaupt konnte man es in den Produktionsräumen gut aushalten.

Der Betrieb wurde 1991 privatisiert und gehört jetzt zum englisch-irischen Agrarkonzern Top Farms, der skandalöserweise der größte Bezieher von EU-Agrarsubventionen in Polen ist. Diese sehen vor, große Agrarbetriebe zu bevorzugen, um sie wettbewerbsfähig zu machen. Gleichzeitig sollen sie bewirken, dass von vier Millionen polnischen Kleinbauern etwa die Hälfte aufgibt. Der Alleinabnehmer der Brennerei, die älteste Wodkafabrik in Poznan, Wyborowa, befindet sich im Besitz des französischen Spirituosenherstellers Pernod Ricard. Als dieser sie erwarb, gab es ebenfalls Ärger wegen EU-Subventionen.

Zum Mittagessen, in einem Restaurant am Marktplatz der Altstadt, tranken wir ein dort mit speziellem Malz und Hopfen selbst gebrautes Bier. Bei den Mengen, die man im Restaurant verbrauche, 300.000 Liter im Jahr, könne man sich das gerade noch leisten, meinte der Braumeister - und schimpfte dann auf das „Scheißlager“ der großen Brauereien, die das Bier bis zum Gehtnichtmehr standardisieren und haltbar machen würden.

So eine, die zurzeit modernste der Welt, besichtigten wir dann auch noch: die Lech-Brauerei. Sie gehört heute dem südafrikanisch-nordamerikanischen Getränkekonzern SAB-Miller. Die alte Lech-Brauerei in der Innenstadt von Poznan ist heute ein Einkaufszentrum, das als „schönstes weltweit“ gilt. Die neue Brauerei am Stadtrand produziert nun - vollautomatisch - noch mehr Bier als früher - nämlich 600 Millionen Liter jährlich, sie müssen sechs Monate „stabil“ bleiben. Den Verarbeitungsprozess erklärte uns eine junge Frau, die zu einer ganzen Gruppe akademisch ausgebildeter Brauereiführerinnen gehört. Während früher mehr Wodka in Polen getrunken wurde, erzählt sie uns, verzehrt man jetzt immer mehr Bier.

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6 Kommentare

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  • P
    Polnischer-Deutscher

    Ja ja, Posen und Gnesen...urdeutsche Städte die aber erst mit den polnischen Teilungen zu Preußen und damit später zu Deutschland.... wenn sich Diebe beschweren bestohlen worden zu sein...

     

    Das diese Gebiete eine viel differenzierte, wechselvolle Geschichte hatten, von Polen, Deutschen und anderen mischbesiedelt waren und in der Geschichte zu verschiedenen Staatsgebieten gehörten wird gerne unterschlagen... stattdessen faselt man auf der einen Seite von urdeutschen Gebieten und auf der anderne von urdpolnischen Gebieten...

     

    Scheiß Nationalisten. Egal welcher Staatsangehörigkeit!

  • M
    marko

    Das einzige Trauerspiel ist die Tatsache,dass die Nachkommenschaft der deutschen Plünderer und Verbrecher immer noch versucht,sich nach jeder Reportage zum Thema Polen in den Foren auf Kosten der Nachbarn zu therapieren.

    Jemand,der krank vor Hass ist,wird ja kaum in der Lage sein,sich ein objektives geschichtliches Wissen

    anzueignen.

    Leider wird dieser Geist von Generation zu Generation in Deutschland wie eine Krankheit weiter übertragen.

  • O
    Ostakzeptanto

    Ich finde diese künstliche Aufregung über Städtenamen völlig daneben.

    Wer benutzt heute schon Namen wie

    Preßburg, Laibach, Agram, Griechisch-Weißenburg, Fünfkirchen, Kaschau, Kronstadt, Brünn?

    Man benutzt doch statt dessen Bratislava, Ljubljana (was übrigens auch schwer auszusprechen ist), Zagreb, Belgrad, Pécs (na das ist wohl auch nicht leicht), Košice, Braşov und Brno.

    Eine Sache der Gewohnheit also. Die nächste Generation wird wahrscheinlich mit Bydgoszcz mehr anfangen können als mit Bromberg. Und wenn man gelernt hat, französische Städtenamen auszusprechen, dann sollte es auch nicht allzu schwer sein, slawische oder ungarische Aussprachen zu lernen. Als Erstes sollte man aufhören, auf diese Sprachen und Länder herabzuschauen, was leider immer noch sehr ausgeprägt ist unter Deutschen.

  • T
    thiotrix

    Dieser Artikel ist ein Trauerspiel aus Verschweigen der Geschichte und peinlichem politisch-korrekten Rumeiern mit den Städtenamen. Kein geistig Gesunder käme z.B. auf die Idee, in einem Reisebericht über Italien von Milano, Roma oder Napoli zu schreiben, aber bei Städten, die über 500 Jahre deutsch geprägt waren, windet sich der Autor, daß es kaum noch zu ertragen ist.

    Wenn es um die 1945 "unter polnischer Verwaltung" gestellten deutschen Ostgebiete geht, gibt es nur noch Verschweigen, Vernebeln und Vertuschen. Bloß kein Hinweis auf Landraub und Vertreibung und die zahllosen polnischen Verbrechen von 1919 bis 1939 und nach 1945!

    "Zielona Gora, das einstige Grünberg",,

    "Poznan"

    Ein paar klärende Worte zur Geschichte und zum Schicksal der deutschen Ostgebiete und ihrer Bewohner wären bitter notwendig gewesen. Die Ereignisse, über die Herr Höge völlig hinweggeht, sollten ruhig einmal beim Namen genannt werden: brutale Vertreibung, zahllose Vergewaltigungen, Landraub, Ausplünderung von schätzungsweise 12 Millionen Deutschen, Raub des gesamten Besitzes, von Grund und Boden, Kunstschätzen, unersetzlichen Kulturgütern, Vernichtung der deutschen Kultur in den Gebieten östlich von Oder und Neiße. Über zwei Millionen Deutsche kamen bei Flucht und Vertreibung um.

  • R
    ridgleylisp

    Also, dies ist ja einigermassen interessant. Aber bitte, mit diesen unaussprechlichen polnischen Namen der Ortschaften weiss kaum ein Deutscher etwas anzufangen. Dabei handelt es sich doch wohl um altdeutsche Orte wie Grünberg, Posen? Sogar das polnische Touristenbüro benutzt diese. Warum gibt sich ein deutsche Autor hier polnischer als die Polen selbst? So eine verstiegene politische Korrektheit ist wohl nur in D. denkbar!

  • W
    Wanye

    ""Hochzeitsschnaps", den man bereits kurz nach der Geburt des Bräutigams ansetzte"-Pardon, aber heißt das nicht nach der Hochzeit des Bräutigams? Es sei denn, die Polen heiraten schneller als von mir erwartet o.0