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Nach KlimagipfelDänemark lässt Aktivisten frei

Zwölf Kopenhagen-Demonstranten können Weihnachten zu Hause verbringen, unter ihnen vier Deutsche. Mindestens drei Handys deutscher Klima-Aktivisten waren abgehört worden.

Bei der abgebildeten Aktion wurden nach offiziellen Angaben etwa 250 Teilnehmer der Aktion festgenommen, in Fesseln gelegt und zu einem Massenarrest gebracht. Bild: dpa

BREMEN taz | Vier beim UN-Klimagipfel inhaftierte Deutsche müssen über Weihnachten nicht im Gefängnis bleiben. Zusammen mit acht Aktivisten aus anderen Ländern wurden sie am Dienstag aus der Untersuchungshaft entlassen. Mindestens sechs Protestler bleiben hinter Gittern.

Unter den Freigekommenen sind zwei Demonstranten aus Hamburg und Leipzig sowie zwei Radiojournalistinnen aus Rostock. Die beiden wurden am 13. Dezember festgenommen, als sie für den Bundesverband Freier Radios eine Demonstration dokumentierten. Eine soll einen Polizisten geschlagen haben, die andere soll versucht haben, ihre Freundin zu befreien.

"Die Behörden verdrehen die Tatsachen", sagt hingegen ihr Kollege Falk Schlegel, der die Festnahme beobachtet hatte. Als die Polizei die Demo auflöste, seien Medienvertreter zurückgedrängt worden. "Eine wurde bei ihren Aufnahmen ins Gesicht geschlagen." Ihr Gerichstermin wurde für den 19. Januar angesetzt.

Ebenfalls vorerst entlassen wurden zwei dänische Sprecherinnen des Protestnetzwerks "Climate Justice Action" (CJA). Sie waren letzten Mittwoch festgenommen worden, als eine CJA-Demo das Gelände des UN-Tagungszentrums erreichte.

Bereits am Samstag war der Berliner CJA-Sprecher Tadzio Müller freigekommen, den Zivilpolizisten nach einer Pressekonferenz festgenommen hatten. CJA hatte dazu aufgerufen, in einem Akt zivilen Ungehorsams auf das Gelände des UN-Gipfels vorzudringen.

Die Justiz beschuldigt Müller und die beiden Däninnen, dazu auch zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen. CJA wies dies zurück. Der Aufruf zu ihrer Aktion sei seit langem öffentlich, Körperverletzung sei dabei ausgeschlossen. Das wisse auch die Polizei, sagte ein Sprecher.

Bei Müllers Haftprüfungstermin war herausgekommen, dass die Polizei seit Oktober mindestens drei deutsche Handys der Klimaaktivisten abgehört hatte. Für die Prozesse gegen die CJA-ler ist noch kein Termin angesetzt.

Ob auch der spanische Greenpeace-Chef Juan López de Uralde sowie drei weitere Aktivisten der Organisation bis zum Januar in Haft bleiben, konnte Greenpeace am Abend nicht sagen. Sie hatten sich bei einem Dinner der dänischen Königin eingeschmuggelt und sind wegen "Majestätsbeleidigung" angeklagt.

Unterdessen forderte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, eine "zentrale Erfassung reisender Demo-Chaoten". Es sei "unfassbar", dass diese "nach Dänemark einreisen können, um dort mit brutaler Gewalt gegen den Klimawandel zu demonstrieren". Die dänische Polizei selbst hatte eingeräumt, dass fast alle der rund 1.800 Festnahmen während des Gipfels "vorbeugend" erfolgten.

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12 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Wir leben leider in keiner Demokratie mehr. Der EU-Vertrag ist von Demokratie so weit entfernt wie Amerika von Klimaschutz.

  • A
    avelon

    Schade, daß so viele Kommentare im www verloren gehen. Ich versuche es also noch einmal:

     

    Also, wenn es schon so weit ist mit dem Abhören von Handys, dann bleibt wohl nur eine Telephonliste über Festnetz von öffentlichen Zellen, Cafés, Restaurants, Kneipen usw. oder es wird sich, wie beim Geheimdienst, in öfentlichen Parks, Museen, Bibliotheken getroffen.

  • A
    Anna

    Sind wir in Europa jetzt so weit, dass Demonstanten vorbeugend verhaftet werden dürfen, weil sie ja gewalttätig werden könnten? Demokratie und Meinungsfreiheit nur noch für die, die die "richtige" Meinung haben, eine andere als die kapitalistische Weltanschauung ist nicht erlaubt? Demonstranten sind jetzt generell "caotische Revoluzzer" die man nicht ernst nehmen darf und ruhig festgenommen werden dürfen? Es gibt so viele Demonstrationen, die den Medien oft keine Zeile wert sind und dann werden die Demonstranten auch noch als Unruhestifter diffamiert. Kopenhagen ist kein Einzelfall, das hat System auch hier in Deutschland.

    Liebe Taz, interessant wäre eine Seite mit der Auflistung größerer Demos in Deutschland und der größeren aus der Welt und kurzen Berichten dazu. Was die meisten Politiker so reden ist doch dagegen so abgehoben von der Wirklichkeit und bringt die Welt offenbar nicht voran. Warum sind eigentlich die Überschriften immer so missverständlich? Die suggerieren immer, das alles in bester Ordnung ist, erst beim weiterlesen erfährt man, dass eben nur ein paar Demonstranten freigelassen werden.

  • F
    fabian

    Und in Deutschland geht es bei der nächsten größeren Demo genauso zu wie in Kopenhagen! Aus polizeilicher Sicht versteht sich! Da kann man nur mit dem Kopf schütteln und weiter Druck und Hass auf die Staatsgewalt ausüben!

  • R
    Ralle

    Ich fordere, die sofortige Erfassung sämtlicher Sicherheitsfanatiker und appeliere an den WAR, diese endlich vaporisieren zu lassen!

  • V
    vic

    Europa hat kein Recht, Staaten wie Iran, Irak, Afghanistan Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen.

    Dieser Clan ist kein bisschen besser.

    Repressionen gegen friedliche Demonstranten, Verletzung von Bürgerrechten, illegale Abhörmaßnahmen und auch mal 12 Schüsse Notwehr wenn´s beliebt.

    Und ie obigen Ereignisse für einen Alibi Gipfel, bei dem in erster Linie fein diniert wurde und dessen Nullergebnis schon lange vorher geschrieben war.

  • D
    Deftone

    Leben wir im Mittelalter? Majästetsbeleidigung? In einer Demokratie??? Abgehörte Handys von Demonstranten...Und die wollen usn glauben machen, dass man nur die Bürgerrechte von Schwerkriminellen missachtet. Nein es sind "normalos". Und der Deutsche Repressionschef fordert Einreiseverbot für europäische Bürger nach Dänemark...Entschudligung, aber die EU bringt einen antidemokraischen Stasi-staat der nicht nur Flüchtlinge aus Afrika und Co. ertrinken oder in den bergen erfrieren lässt, sondern sich auch gegen eigene unliebsame Bürger mit dessen Bürgerrechtsverletzung wendet. Das muss ein Ende haben!!

  • E
    Edelweiß

    Was der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt fordert, wurde kürzlich im sog."Stockholm-Programm" für alle EU-Bürger beschlossen. Das EU-Programm sieht auf Seite 39 ein Kontrollsystem aller Reisebewegungen vor.

     

    In Sachen Klima gabs nur heiße Luft, doch der Polizeistaat hat funktioniert.

  • S
    Sandankoro

    Wie schön der Kommentar des Vertreters der Polizeigewerkschaft doch mal wieder zeigt, wie weit und wie intensiv sich ein Teil der Polizei von genau den Gesetzen und Regeln verabschiedet hat, den er mal geschworen hat zu verteidigen.

    Der nächste Vorschlag für den Umgang mit Sitzblockierern, Clownnasen und anderen höchst militanten Gewalttätern kann dann doch eigentlich nur das vorbeugende Einsperren sein! Guantanamo wird ja bald frei, das ist bestimmt bilig zu mieten, sonst muss eben "Genosse" Schröder mal mit Putin über ein ein paar Lager in Sibirien reden, da wird man sich schon noch einig!

  • C
    chris

    "Majestätsbeleidigung"

    Sollte das Unwort 2009 werden...

    So geil, was man den ganzen friedlichen AktivistInnen anhängen wollen.

     

    Warum wundert sich die Polizei eigentlich noch, wenn irgendwann die Menge anfängt mit Steinen oder Molotovs zu werfen?

    Es weckt nunmal gewisse Aggressionen, wenn man als DemonstrantIn die ganzen Einschüchternungsmethoden und "vorbeugende Massnahmen" der Polizei über sich ergehen lassen muss.

    Das ist keine Rechtfertigung der Gewalt, die zumindest eine der beiden Seiten ausübt, sondern eine reine Feststellung.

  • M
    maya

    Ich fordere eine zentrale Erfassung reisender Polizeichaoten, die jede Demo nutzen, um ihren Aggressionen freien Lauf zu lassen.

     

    Mal im Ernst, wie dämlich sind die Vorsitzenden der beiden Polizeigewerkschaften überhaupt? Von wem in Kopenhagen "brutale Gewalt" ausging, hat man ja eindrucksvoll gesehen. Man ist ja einiges gewohnt an Tatsachenverdrehung, aber das ist mehr als nur dreist!

     

    Menschen werden überwacht, Protest wird im Keim erstickt und von Politikern wie auch von den meisten bürgerlichen Medien delegitimiert. Na, wenn das nicht die Demokratie ist, die sie alle damit schützen wollen...

  • A
    avelon

    Generalverdacht ...

     

    Wenn die Behörden bereits so weit sind mit dem Abhören von Handys, dann bleibt nur ein Telefonplan per Festnetz aus öffentlichen Telefonzellen, Cafés, Restaurants, Kneipen, also nicht mehr von zuhause oder es wird sich wie bei Geheimdiensten üblich, in einem öffentlichen Park, in Museen oder sonstwo getroffen.

     

    Eine Schande für die sogenannte ´Demokratische Monarchie´ in Dänemark. Nun ja, die Hocharistokratie und die Bilderberger, da ist eigentlich nichts mehr überraschend.