Aktivist Tadzio Müller zu Kopenhagen: "Die Polizei lernt voneinander"

Obwohl der Kopenhagen-Gipfel gescheitert ist, waren die Aktionen nicht umsonst, sagt Mit-Organisator Tadzio Müller. Radikalere Aktivisten und NGOs ziehen nun wieder stärker an einem Strang.

"Wir müssen die die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ändern." - Tadzio Müller. Bild: privat

taz: Herr Müller, herrscht bei Ihnen noch Katzenjammer ?

Tadzio Müller: Nein. Eine realistische Einschätzung dessen, was in Kopenhagen passiert ist, zeigt, dass wir sowohl Erfolge errungen als auch Niederlagen einstecken mussten.

Was waren die Erfolge?

Wir wollten aufzeigen, dass die UN-Klimakonferenz in dieser Form keinen sinnvollen Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten wird. Zugegeben, dieses Ziel haben die Offiziellen für uns erfüllt. Wir haben aber durchaus dazu beigetragen. Unser zweites Ziel war auf die Bewegung gerichtet: Uns aktionistisch orientierten Netzwerken ging es darum, die großen NGOs davon zu überzeugen, nicht nur an den offiziellen Konferenztischen zu sitzen. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass Regierungen und internationale Organisationen in der Lösung der Klimakrise überhaupt keine Rolle spielen werden. Aber um wirkliche Lösungen durchzusetzen, müssen wir viel stärker die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ändern. Und dies erreichen wir auf der Straße. Dass am Ende NGO-Vertreter die Säle verließen, um im wahrsten Sinne des Wortes der UN-Konferenz den Rücken zu kehren - über diese Aktion habe ich mich sehr gefreut.

Der 34-jährige Politologe, Globalisierungskritiker und Klimaschutzaktivist war als Sprecher des Netzwerk Climate Justice Action (CJA) in Kopenhagen präventiv festgenommen worden.

Heute Abend diskutiert er bei einer Veranstaltung in Berlin mit VertreterInnen vom Forum Umwelt und Entwicklung, von Attac und der Linksfraktion über die Strategien der Klimabewegung nach dem Scheitern der Konferenz in Kopenhagen. Mehr Infos:

www.rosalux.de

Und was würden Sie sagen, waren Ihre Misserfolge?

Wir waren nicht ausreichend in der Lage, unsere Inhalte nach außen zu tragen. Die Idee der Klimagerechtigkeit konnte nicht radikal besetzt werden.

Der radikale Block fiel auf der Großdemonstration in Kopenhagen eher mickrig aus. Ist das Thema Klima in der linken Szene vielleicht noch gar nicht so recht angekommen?

Der Block war zwar schlecht organisiert, das stimmt. Aber aus Deutschland waren sehr viele von unseren AktivistInnen da. Ein Fehler war vielleicht sogar, dass wir uns zu sehr auf unsere Szene bezogen haben und darum nicht so viele aus anderen Spektren dafür mobilisierten, auch über die Demo hinaus zu bleiben. Vieles ist aber auch auf das Polizeiverhalten zurückzuführen.

Wie meinen Sie das?

Die Massenverhaftungen haben viele Leute eingeschüchtert und vor allem die Dänen vom Protest abgehalten. Viele von uns, darunter auch ich, waren ja bereits verhaftet, bevor die Proteste überhaupt losgingen - präventiv, also dafür, nichts getan zu haben. Das hatte im europäischen Maßstab schon eine neue Qualität.

Könnte ein solches Vorgehen Schule machen?

Definitiv. Schon bei vorherigen Gipfelprotesten ist mir aufgefallen, wie sehr die Polizei voneinander lernt. Die Käfige für Gefangene waren ja eine Leihgabe der deutschen Regierung; erstmals eingesetzt wurden sie beim G-8-Gipfel in Heiligendamm.

Welche Konsequenzen ziehen Sie auch mit Blick auf die nächsten Klimakonferenzen in Bonn und in Mexiko?

In Mexiko wird es sicherlich Protest geben. Die lateinamerikanischen Bewegungen werden diesen Anlass nutzen, um bestätigt zu bekommen, dass wir global nicht alleine sind. Was in Bonn passieren wird, ist noch unklar.

In Bonn könnte es womöglich gar keine Proteste geben?

Im Rheinland baut sich gerade eine Gruppe auf, und auch international gibt es Interesse an Demonstrationen. Etwas wird also mit Sicherheit passieren. Es gibt in unseren Kreisen aber auch Stimmen, die sich eine Abkehr von den Großveranstaltungen wünschen und sich lieber wieder stärker regional engagieren wollen, zum Beispiel gegen Braunkohletagebau und neue Kohlekraftwerke. Da passiert schließlich sehr viel. Wenn es uns gelingt, alle Initiativen miteinander zu vernetzen und eine Debatte zu entfachen, wie ein wirklich klimagerechter Energiesektor aufgebaut werden kann, dann haben wir mehr erreicht, als sich die Regierungsvertreter in Kopenhagen je erträumt haben.

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