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FührungsdebatteÄrger über mittige Merkel

Führende CDU-Landespolitiker kritisieren offen die Wahlkampfführung und den Mitte-Kurs der Kanzlerin. Kurz vor der Vorstands-Klausur fordern sie einen Rechtsschwenk.

Merkel sitzt zu weit links, finden viele Konservative in der CDU. Bild: ap

Die Kanzlerin gerät unter immer stärkeren Druck aus der eigenen Partei. In einem gemeinsamen Artikel für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hielten vier führende CDU-Landespolitiker Angela Merkel vor, ihre Wahlkampfführung sei verantwortlich für das schlechteste Unions-Abschneiden bei einer Bundestagswahl seit 1949.

Unter dem Titel "Mehr Profil wagen!" klagen drei CDU-Fraktionschefs und eine Vizefraktionsvorsitzende aus den Bundesländern: "Die Regierungsmehrheit für CDU/CSU und FDP war nicht das Ergebnis einer überzeugenden Wahlkampfstrategie. Vielmehr hatte die Union schlichtweg Glück. Die Wahlkampftaktik der weichen Botschaften und der gewollten Profillosigkeit führte in den Hochburgen zu massiven Verlusten."

Autoren des Artikels sind Christean Wagner aus Hessen, Steffen Flath aus Sachsen, Mike Mohring aus Thüringen und Saskia Ludwig aus Brandenburg. Insbesondere die offene Kritik aus der starken hessischen CDU überrascht. Die politische Heimat des alten Merkel-Rivalen und Ministerpräsidenten Roland Koch hatte noch im Wahlkampf die Kanzlerin demonstrativ unterstützt.

Nun bemängeln die Landespolitiker offen: "Der konservative Parteiflügel wurde weder personell noch inhaltlich bedient, sondern stattdessen durch Aussagen der Bundeskanzlerin wie ,Ich bin keine Konservative' verunsichert." Merkel sei "im Wahlkampf nicht als Spitzenkandidatin der Union, sondern als Kanzlerin der großen Koalition aufgetreten". Die Hinwendung der SPD zur Linken werde zu einer "Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung" führen. "Die Lagerbildung muss als Chance zu einem selbstbewussten und offensiven Darstellen unserer Werte und unseres Gesellschaftsmodells verstanden werden." Damit stellen sich erstmals mehrere führende CDU-Politiker offen gegen Merkels Mittekurs.

Die Kritik erfolgt kaum zufällig kurz vor einer Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands am kommenden Donnerstag und Freitag in Erfurt. Dort will die Parteiführung auch über Lehren aus dem schlechten Wahlergebnis sprechen.

Auch der "Einstein-Kreis", eine Gruppierung einflussreicher rechter Unions-Politiker, kündigte an, bei der Vorstandsklausur für einen konservativeren Kurs zu werben. Die Union bestehe "eben nicht nur aus Anhängern der politischen Mitte oder des liberalen Denkens", sagte CDU-Präsidiumsmitglied und Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder der Leipziger Volkszeitung. Er gehört dem Einstein-Kreis ebenso an wie der künftige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst und der bayerische Umweltminister Markus Söder.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kam Kritikern der Kanzlerin zumindest verbal entgegen: "Wir wollen die taktischen FDP-Wähler, die Gegner einer Fortsetzung der großen Koalition waren, für uns zurückgewinnen", sagte Gröhe am Sonntag. Er fügte aber hinzu: "Zugleich wollen wir SPD-Wähler überzeugen, die den Linkskurs dieser Partei nicht mitmachen wollen."

Zudem erklärte Gröhe, Union und FDP seien sich im "Ziel weiterer Steuerentlastungen gerade für die kleineren und mittleren Einkommen völlig einig". Die Freidemokraten beharren im Steuerstreit auf ihrer Position. "Die FDP fordert eine Steuersenkung im jährlichen Volumen von 24 Milliarden Euro", erklärte deren Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger. Der Disput zwischen den Koalitionsparteien in dieser Frage ist Hauptthema eines Krisengesprächs der drei Parteivorsitzenden im Bundeskanzleramt am Sonntag.

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1 Kommentar

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  • G
    GWalter

    Dazu passende Zitate von Bertolt Brecht:

     

    - Es ist schlimm, in einem Lande zu leben, in dem es keinen Humor gibt. Aber noch schlimmer ist es, in einem Lande zu leben, in dem man Humor braucht.

     

    - Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

     

     

    - Bankraub: eine Initiative von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.

     

    - Wer kämpft kann verlieren, wer niucht kämpft hat schon verloren.

     

    Um es zum Schluss frei nach Bertolt Brecht zu sagen:

     

    Die Bundesregierung und das Parlament sollten sich ein neues Volk suchen, das sie entsprechend ihren Vorstellungen repräsentieren können.

     

    Offenbar leben wir in einer Republik, in der sich die parlamentarischen Parteien in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht mehr an den Vorstellungen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung orientieren.

     

    Man pflegt eigene Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit die deutlich von denen der Mehrheit der Wähler abweichen.