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Kommentar SchleckerArbeiten und arm bleiben

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Leiharbeiter fangen längst nicht mehr nur Auftragsspitzen ab, sie werden zeitlich unbegrenzt – den rot-grünen Reformen "sei Dank" – neben Stammbeschäftigten eingesetzt.

S chlecker, die für ihre katastrophalen Arbeitsverhältnisse berühmt gewordene Drogeriemarktkette, will sein Image aufbessern und zukünftig auf Leiharbeiter verzichten - ein gute Nachricht. Tatsächlich heißt das aber nur, dass keine neue Lohndumpingverträge abgeschlossen werden sollen. Die bereits in die Leiharbeit abgeschobenen Mitarbeiter haben keine Aussicht auf eine Rückkehr zu alten Vergütungen.

Bislang ist der gesellschaftliche Umgang mit Leiharbeit unangemessen. So wird Schlecker als Einzelfall skandalisiert. Dabei ist die Lohndumpingpraxis mit Hilfe von einfach zu gründenden und juristisch nicht zu beanstandenden Leiharbeitsfirmen mittlerweile gang und gäbe: in Krankenhäusern, im Handwerk und in Industriebetrieben.

Man werde gegen die schlimmsten Auswüchse vorgehen, tönt es derzeit aus CDU und FDP. Doch sind wirklich die schlimmsten Auswüchse das Problem oder der Umstand, dass Leiharbeit zu einem konstitutiven Bestandteil des Arbeitsmarktes geworden ist? Leiharbeiter fangen längst nicht mehr nur Auftragsspitzen ab, sie werden zeitlich unbegrenzt - den rot-grünen Reformen "sei Dank" – neben Stammbeschäftigten eingesetzt. Dort arbeiten sie für einen Bruchteil des Lohnes ihrer Kollegen und führen diesen tagtäglich vor Augen, wie schnell man selber zum Leiharbeiter werden kann.

Eva Völpel

ist Arbeitsmarkt-Redakteurin im Inlandsressort der taz.

Wollte man dem Lohndumping Grenzen setzen, müsste Schwarz-Gelb etwa die unter Rot-Grün legalisierte unbeschränkte Höchstverleihdauer und die Möglichkeit zum systematischen Aushebeln des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" reformieren. Das aber setzt voraus, dass wir uns weder mit der Beschwichtigungspolitik à la Schlecker noch mit halbseidenen Reformen zufrieden geben.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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7 Kommentare

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  • H
    Huddl

    Es ist wirklich zum Ko...n. Mit den Einstieg in die Leiharbeit verschenkt der vermeindliche Arbeitnehmer seine Menschenrechte.

    Die Firmen sind zwar gesetzlich gebunden, wissen aber wie sie systematisch ihre Mitarbeiter einschüchtern.

    Ein Beispiel aus eigener Erfahrung; In der Firma p****** war ich in einer Fabrik eingesetzt, jeden Freitag als ich meine Stundenzettel vorbeibringen musste gab es dann auch ein Vortrag über Drogenmissbrauch am Arbeitsplatz und das, wenn ich mich dabei erwischen lasse, den Monat für umsonst gearbeitet habe. Man gab mir zu verstehen das sie sich nötigenfalls etwas einfallen lassen können.

    Nebenbei bemerkt habe ich zu der Zeit seit ca. 5 Jahren nicht gekifft und bin mir über die demoralisierende Wirkung der Droge bewusst.

     

    Andere Firmen schreiben vorsorglich Kündigungen die man mit gefäschten Datum zu unterschreiben hat sobald der aktuelle einsatz in vorraussichtlich 14 Tagen endet.

     

    Untern Strich ist die Leiarbeit moderne Sklaverei und deren Disponenten zum großen Teil Galeerentrommler.

     

    Es gibt auch positive Firmen die es ehrlich mit Kunde und Arbeitnehmer meinen, deren Anteil liegt aber leider bei ca. 1%. Ich durfte auch so eine Firma kennen lernen, vor 8 Jahren war es Personalhansa Hannover. Hoffendlich sind die noch heute ein leuchtendes Vorbild.

  • I
    IMarie

    Ich wünschte mir, dass Schlecker eine echte Kampagne abbekommt. Letztlich sorgt diese Firma wirklich für miese Arbeitsverhältnisse, schlechte Produkte und ballert fast alle Produkte ohne jede Beratung heraus. Zwar wissen das wohl die meisten Menschen, aber im Grunde braucht niemand Schlecker, es ist einzig und alleine seiner dubiosen Strategie geschuldet, massenhaft Lädern mit kommissionierter oder discount-gekauften Produkten vollzustellen und dann über die gesamte Fläche wieder ein Plus zu machen.

    Und das funktioniert nur über miese Löhne.

    Schlecker musste per Gericht gezwungen werden, Telefonanschlüsse in seinen Läden zu installieren: Bei Überfällen oder Unfällten hatten die Angestellten nicht mal die Chance, sich Hilfe zu organisieren, dazu sollten sie ihr Handy benutzten.

    Das ist in m. Augen an Zynismus gar nicht mehr zu überbieten. Wahrscheinlich würde Schlecker noch einem Angestellten, der im Geschäft stirbt, eine Rechnung über die ausgefallene Arbeitszeit ausstellen. Aber: Schön blöd, wer bei Schlecker arbeitet. Diesen Laden sollte man einfach meiden.

  • KH
    Klaus H

    @ Leiharbeiter

    Überzogener Kündigungsschutz???

    Schon jetz haben die Unternehmen doch jede Menge Möglichkeiten die Arbeit zu befristen.

    Und ein Unternehmer, der nach zwei Jahren immer noch nicht weiss, ob ein Arbeitnehmer zum Betrieb passt, wird das auch in Ewigkeit nicht herausfinden.

    Deutschland ist zum Vorreiter des "Lohndumpings" in Europa verkommen und zieht die gesamte Euro-Zone damit nach unten. Wir zerstören den EU-Binnenmarkt um ein paar Zipfelchen auf dem Weltmarkt zu erhaschen. Wir machen Wirtschaftspolitik auf dem Niveau von ein paar "McKinsey-Yuppies" die noch nicht einmal BWL begriffen haben.

  • F
    Fritz

    @Leiharbeiter:

    Wenn der Kündigungsschutz das Problem wäre, würden sich Arbeitgeber nicht so heftig gegen gleiche Entlohnung nach 6 Wochen wenden, wie es von Brüssel seit Monaten gefordert wird. Es geht um Lohndrückerei, und sonst um gar nichts. Leiharbeit dient dazu, den Wohlstand der Bürger dieses Landes zu senken. Wer etwas anderes behauptet, ist - im besten Falle - naiv.

  • OA
    o aus h

    Schlecker will m.W. keineswegs auf Leiharbeiter verzichten, nur auf die im aktuellen Fall "betroffene" Firma Meniar. Und die Konditionen für den nächsten Anbieter werden, so vermute ich, nicht besser sein als bisher.

    Aber schön, dass die freie Marktwirtschaft noch andere Drogeriemärkte bietet, die höchstens halb so oft wegen ihrer Mitarbeiterpflege in der Kritik stehen.

  • L
    Leiharbeiter

    Ich will Schleckers Verhalten nicht rechtfertigen, die übertreiben sicherlich.

     

    Aber grundsätzlich zum Thema Leiharbeit:

     

    Schon mal überlegt, dass die massive Leiharbeit ihre Ursache in überzogenem Kündigungsschutz hat?

  • R
    rose

    Irgendwie verstehe ich diesen Kommentar nicht.Schlecker macht genau das,was Grüne und SPD wollten!All diese Gesetze,von Grünen und SPD gemeinsam erdacht und beschlossen,um den Sozialstaat abzubauen und die Rechte abhängig Beschäftigter zu beschneiden!

    Und wenn ich mich nicht irre,von der taz überaus wohlwollend medial begleitet!Alles schon vergessen?