Bremen bezwingt Bochum: Happy End mit zwei Tagen Verspätung
Werder braucht wieder eine dramatische Schlussphase, um Bochum noch zu besiegen. Viel Rumpelfußball, aber das Spiel von Marin und Özil brachte den Glanz eines Opernballs.
Als Wiederholungszwang bezeichnen Psychologen die Sucht, Situationen wiederherzustellen, die man schon mehrmals durchlebt hat. Auch großes Leid wird gern neu heraufbeschworen, um es in der Wiederholung doch noch zum Happy End zu führen. Was im wahren Leben meist nicht ohne den langwierigen Umweg über die Therapeutencouch gelingt, ist im Fußball innerhalb von zwei Tagen möglich.
Werder gegen Bochum - das ist normalerweise eines dieser Schwarzbrot-Spiele mit wenig Glanz und Toren. 48 Stunden nach der vergeblichen Aufholjagd beim 4 : 4 gegen den FC Valencia wiederholten die Bremer ihre desolate Abwehrleistung gegen biedere Bochumer und ermunterten Sesták und Dedic, sich in ihrem Strafraum zu fühlen wie Villa und Mata. Fast zwangsläufig kam es wieder zu einer dramatischen Schlussphase, in der die Bremer diesmal den erlösenden Treffer noch erzielten. Und im kollektiven Taumel das Valencia-Trauma gleich mit besiegten.
Dass aus dem erwarteten Liga-Langweiler ein spannendes Spektakel wurde, lag vor allem an der neuen Neigung von Thomas Schaaf zum Vabanquespiel. Werders Trainer, der sonst selten von eingespielten Formationen abweicht, schonte vor dem Pokal-Halbfinale am Dienstag gegen den FC Augsburg gleich die halbe Stamm-Mannschaft. Der kürzeste Weg nach Europa führt auch in diesem Jahr über den DFB-Pokal, dafür riskierte Schaaf, in der Bundesliga den Anschluss an Platz fünf zu verlieren, der auch zur Teilnahme an der Europa-League berechtigt.
Die umgekrempelte Mannschaft zeigte die schwächste erste Halbzeit in dieser Saison. Spielern wie Rosenberg, Jensen, Bargfrede, Boenisch und Prödl merkte man in fast jeder Situation an, dass ihnen die Spielpraxis fehlt. Besonders die beiden Skandinavier wird Schaaf im Sinn gehabt haben, als er sagte: "Es war wieder die Chance für einige Spieler sich zu präsentieren. Der eine oder andere sollte darüber nachdenken. Man muss immer wieder an sich arbeiten, um Ansprüche anmelden zu können."
Die Bochumer legten sich an der Mittellinie auf die Lauer und brauchten nur auf die Bremer Abspielfehler zu warten, um ihre schnellen Spitzen durch die Schnittstellen der wackligen Innenverteidigung zur zweimaligen Führung auf den Weg zu schicken. "Das nervt langsam", sagte der machtlose Tim Wiese nach dem Spiel - ähnlich einfache Kontergelegenheiten haben seine Vorderleute in dieser Saison schon im Dutzend zugelassen.
Zur Halbzeit hätte Schaaf bis auf Wiese und Marin die ganze Mannschaft auswechseln können. Mit dem Tausch von Özil und dem vom Publikum geforderten Pizarro für Jensen und Rosenberg setzte er die richtigen Schwerpunkte. Die beiden Offensivkräfte brachten neue Qualität ins Spiel und erspielten sich im Verbund mit Marin und Almeida ähnlich viele Chancen wie gegen Valencia. Zum Glück nutzte Pizarro im Gegensatz zum Donnerstag bereits die erste mit einem kunstvollen Volleyschuss.
Die einfachen Chancen lässt er aus, die schwierigen Tore macht er - diese Eigenart des Peruaners ist ein exaktes Spiegelbild des Werder-Spiels. Bei solidem Fußballhandwerk in der Defensive ist oft Fehlanzeige - dafür verleihen die funkelnden Dribblings und Doppelpässe von Marin und Özil dem Offensivspiel mitunter den edlen Glanz eines Opernballs. Wie der geniale Heber von Marin zum erneuten Ausgleich zum 2 : 2.
Die Aufholjagd wäre aber auch diesmal ohne Happy End geblieben, wenn nicht Wiese, eine Portion Glück und die Ironie des Schicksals nachgeholfen hätten. Er rettete in der Schlussphase zweimal großartig, Torsten Frings Siegtreffer aus 30 Metern wurde glücklich abgefälscht und als Sekunden vor Schluss Sebastian Boenisch den Ball von der Linie kratzte, wurde ausgerechnet Bremens schwächster Spieler der zweiten Halbzeit zum Matchwinner.
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