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AufklärungBraune Äpfel, rote Birnen

Bremens Verfassungsschutz zeigt eine Ausstellung über Rechtextremismus und setzt den nicht mit Linksextremismus gleich - anders als die Kollegen in Hannover.

So in Bremen wohl nicht zu lesen: Broschüre zur Extremismus-Ausstellung, niedersächsische Version. Bild: Nds. Landesamt für Verfassungsschutz

Nach etlichen Stationen in ganz Niedersachsen ist die Wanderausstellung "Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus - Demokratie schützen" nun in Bremen zu sehen. Auf 20 Schautafeln stellt sie Erscheinungsformen, Aktivitäten und Strategien der extremen Rechten dar - und das ist der entscheidende Unterschied: Ursprünglich hieß die vom niedersächsischen Verfassungsschutz konzipierten Schau "Verfassungsschutz gegen Extremismus - Demokratie schützen vor Rechts- und Linksextremismus". Was die CDU in der Bremischen Bürgerschaft nun zu einer Anfrage an den Senat motivierte: Wer entschieden habe, die solchermaßen umgewichtete Ausstellung zu zeigen, will man wissen. Und: "Warum wurden die Schautafeln zum Thema Linksextremismus entfernt?"

Rechts- und Linksextremismus, sagt der Sprecher des Bremer Innensenators, Rainer Gausepohl, seien unterschiedliche Formen. Und deshalb "muss der Rechtsextremismus auch entsprechend dargestellt werden".

"Wollen nicht auf einem Auge blind sein"

In Niedersachsen sieht man das anders: "Wir differenzieren auch, aber das ist ja kein Grund, den Linksextremismus nicht zu thematisieren", sagt der Leiter der Extremismus-Informationsstelle beim dortigen Landesamt für Verfassungsschutz, Stephan Walter. "Wir wollen doch nicht auf einem Auge blind sein." Die Sichtweise der jeweils anderen will keine der beiden Behörden gegenüber der taz kommentieren.

Auf den Ausstellungstafeln, die nun in Bremen fehlen, wird auch die Partei "Die Linke" als verfassungsfeindlich bezeichnet. Was ins niedersächsische Bild passt: Gerade erst hat der hannöversche Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bekanntgegeben, dass das Landesamt für Verfassungsschutz die Linkspartei auch weiterhin beobachten wird - "Linksextremistische Gruppierungen sind weiterhin anerkannter Teil der Partei", so Schünemann in der vergangenen Woche.

In Bremen dagegen sah Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) seit dem Jahr 2008 keine Anhaltspunkte mehr dafür, "dass die Partei Bestrebungen habe, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien". Zum Thema Linksextremismus sagt er: "Da ist eine differenzierte Betrachtung notwendig." Was es gebe, sei eine Bedrohung des demokratischen Zusammenlebens durch den Rechtsextremismus, sagt Mäurer: "Die Szene ist aktiv, verändert sich und versucht auch in Bremen junge Leute für sich zu gewinnen." Daher sei es "wichtig, weiter aufmerksam zu bleiben und die Aufklärungsarbeit zu intensivieren". Ein Grund, weshalb die niedersächsische Ausstellung nach Bremen geholt worden sein dürfte.

"Gleichsetzung von Rechts und Links ist überholt"

"In der Wissenschaft", sagt Reinhard Koch, Leiter der Arbeitsstelle Rechtextremismus und Gewalt (Arug) in Braunschweig, sei die "Gleichsetzung von Rechts und Links längst überholt". Für ihn führt ein solcher Ansatz in eine Sackgasse: "Es macht keinen Sinn Äpfel mit Birnen zu vergleichen." Von Neonazis gehe eine qualitativ völlig andere Gefahr aus: "Es gibt in Niedersachsen einige Regionen, in denen besteht echter Handlungsbedarf."

Und noch eine weitere Gefahr sieht Koch: "Die Tendenz geht dahin, dass Programme gegen Rechtsextremismus vom Verfassungsschutz oder anderen Ministerien übernommen werden." Er fürchtet, die Bewertung des Rechtsextremismus könnte durch Parteipolitik bestimmt werden. Wofür es Anzeichen gibt: Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin hat die vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus in allgemeine "Extremismusbekämpfungsprogramme" umgewandelt. Die sollen auch dienen zur "Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen sowie zur Aufarbeitung der SED-Diktatur".

Die Ausstellung ist bis zum 7. Mai im Haus der Wissenschaft in Bremen zu sehen

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