Kommentar Merkels Besuch in Saudi-Arabien: Ohne Kopftuch in Dschiddah
Merkel landet in Saudi-Arabien mitten in einem innenpolitischen Kulturkampf. König Abdullah hat zwar kleine Inseln des Fortschritts geschaffen, aber mehr Reformen sind illusorisch.
B ei der Reise der Bundeskanzlerin an den Persischen Golf geht es vor allem um eines: Aufträge, Aufträge und noch einmal Aufträge. Saudi-Arabien möchte seine Wirtschaft vom Öl unabhängiger machen – und die deutsche Wirtschaft will dabei ein Stück vom Kuchen ergattern.
Die Reise hat aber auch einen innenpolitischen Aspekt, denn das erzkonservative Königreich befindet sich mitten in einem Kulturkampf. Viele Saudis möchten ihr Land reformieren, Frauenrechtlerinnen kämpfen gegen Geschlechtertrennung und für mehr Gleichberechtigung. Dem steht ein wahabitisch-religiöses Establishment mit teilweise mittelalterlichen Vorstellungen entgegen.
Nicht nur als weiblicher Staatsgast setzt die Kanzlerin hier ein Zeichen. Sondern auch, indem sie statt die Hochburg der Konservativen, die Hauptstadt Riad, das weltoffene Handelszentrum Dschiddah besucht. Dort trifft sie sich auch mit saudischen Unternehmerinnen und spricht an der ersten höheren Bildungsinstitution des Landes, an der Studentinnen und Studenten gleichberechtigt studieren können.
Karim El-Gawhary ist taz-Korrespondent in Kairo.
Die Gründung der neuen Uni geht auf König Abdullah zurück, der sie im vergangenen Jahr gegen islamistische Betonköpfe und sogar sein eigenes Erziehungsministerium durchsetzte. Dass allein der König es schafft, kleine Inseln des Fortschritts im Meer des islamischen Konservatismus zu schaffen, spricht allerdings Bände. Über die Aussicht auf mehr Reformen im Königreich sollte man sich daher keine allzu großen Illusionen machen.
König Abdullahs Reformen von oben sind ohnehin enge Grenzen gesetzt. Denn am Ende gilt, dass seine Macht vom konservativen religiösen Establishment wahabitischer Scheichs legitimiert wird. Würde er wirklich gegen sie vorgehen, müsste er sich am Ende selbst abschaffen.
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