Eigene Kurz-URL: Twitter ärgert Drittanbieter
Twitter versucht immer mehr der Angebote von Drittanbietern an sich zu reißen. Erst die Werbung, jetzt die URL-Kürzer. Bit.ly und Co. werden die Leidtragenden sein.
Twitter hat freien Programmierern und Softwarefirmen viel zu verdanken: Die sorgten in den letzten Jahren dafür, dass mehr oder weniger große Lücken im Angebot des populären Kurznachrichtendienstes schnell geschlossen wurden. Egal ob ein zu Twitter passender Bilderdienst ("Twitpic"), die Möglichkeit, Twitter zur Firmenkommunikation zu nutzen ("Cotweet") oder die schnelle Suche in all den 140-Zeichen-Botschaften ("Summize"). Keiner dieser Services wurde von dem kalifornischen Unternehmen zunächst selbst implementiert, sondern dank offener Schnittstellen (APIs) freiwillig von Dritten übernommen.
Mittlerweile ist Twitter jedoch zu einem "richtigen" Unternehmen mutiert: Dank Millioneninvestments konnte die Firma, der es nach wie vor an größeren Umsätzen mangelt, ihre Mannschaft auf über 140 Mitarbeiter ausbauen. Gleichzeitig scheint die Firma in den letzten Monaten Appetit darauf bekommen zu haben, ihr Angebot zu zentralisieren: Schritt für Schritt übernimmt Twitter Aufgaben, die bislang Drittanbieter erfüllten und in die selbst zuletzt massiv von Risikokapitalisten investiert wurde. Twitters Begründung: Die Nutzer erwarteten dies.
Die jüngsten beiden Entwicklungen sorgten für eine Schockwelle in der Twitter-Szene: So übernahm der Kommunikationsdienst vor wenigen Monaten die populärste Twitter-Software für das iPhone, um sie zum "offiziellen Twitter-Programm" zu machen. Etwas später entschied man sich, künftig die gesamte Werbevermarktung in Twitter-Strömen selbst zu übernehmen, weil dort das eigentliche Geld sitzt. Spezielle Reklamedienste haben das Nachsehen und müssen ihr Geschäftsmodell überdenken.
Nun kommt der nächste Schlag: Wie Twitter am Dienstag in seinem Firmenblog ankündigte, will man jetzt auch das Geschäft der so genannten URL-Verkürzer übernehmen. Anbieter wie "TinyURL" oder "Bit.ly" waren bislang nötig, weil lange Internet-Adressen in den 140-Zeichen-Botschaften nur schwer unterzubringen waren.
Die Firmen, die diese Dienste anbieten, konnten wiederum Geld mit Werbung in ihrem Angebot verdienen oder mit den dabei anfallenden Klickstatistiken ein Geschäftsmodell aufbauen. So sammelte der Anbieter bit.ly bereits in der ersten Investmentrunde 2009 zwei Millionen Dollar Kapital ein.
Diesem Business droht nun das Aus. "t.co" heißt Twitters eigener URL-Verkürzer, der künftig direkt in das Angebot des Kurznachrichtendienstes eingebaut wird. Die erstaunlich fadenscheinige Begründung: "Wie wird schon bei unserer Entwicklerkonferenz im April gesagt haben, gibt es derzeit keinen automatischen Weg, per Twitter geteilte Links zu verkürzen." Das mag zwar für Twitters Website gelten – doch in vielen Twitter-Programmen wie "Tweetdeck" stecken seit Jahren Bit.ly und Co.
Das viel gelesene Web 2.0-Weblog "Techcrunch" kommentierte denn auch treffsicher: "Das ist ein direkter Angriff auf Bit.ly." Twitter will t.co in den nächsten Wochen auf seiner Entwicklerplattform implementieren und dann bald allen Nutzern vorlegen.
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