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Kommentar Joachim LöwDer Mut zum Risiko

Peter Unfried
Kommentar von Peter Unfried

Der DFB-Fußball hat sich auf den Weg in die Zukunft gemacht. Es wäre traurig, wenn die Deutschen zum ersten Mal in der Nachkriegszeit nach einer WM-Vorrunde ausscheiden.

E s wäre traurig, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft am Mittwoch zum ersten Mal in ihrer Nachkriegsgeschichte nach einer WM-Vorrunde ausscheiden würde. Traurig? Ja. Weil es all jenen Bedenkenträgern Auftrieb gäbe, die schon immer wussten, dass Veränderung gefährlich ist.

Ausgerechnet der klassisch-verkrustete Verbandsfußball hat etwas angestoßen, was in vielen Bereichen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gern hinausgeschoben wird: Er hat sich geändert, weil er sich ändern musste, um eine Zukunft zu haben. Er müht sich um Nachhaltigkeit, er ist international und progressiv. Das ist die große Leistung des Bundestrainers Joachim Löw und seines Vorgängers Klinsmann. Ihretwegen hat "La Mannschaft" den Sprung ins 21. Jahrhundert in vielen Bereichen geschafft.

Klar: Auch 1974 und 1990 wurde Deutschland nicht Weltmeister, weil es Panzer hatte. Sondern großartige Spieler. Aber wer mit dem Mythos von Bern und den Förster-Elflingen aufgewachsen ist, hätte sich nie vorstellen können, dass Deutschland mal "Jogi bonito" spielen würde: einen Fußball, der wettbewerbsfähig ist und gleichzeitig schöne Momente hervorbringt. Es war Klinsmann - einst Spieler bei Cesar Luis Menotti -, der spürte, dass es eine gesellschaftliche Mehrheit für den Wandel gibt, dass der Weiter-so-Fußball nicht mehr funktioniert und ausgedient hat, weil selbst das Erreichen des Finales nicht für ein grauenhaftes Turnier entschädigt, kurz: dass die Deutschen einen prestigeträchtigeren Fußball konsumieren wollten.

Das DFB-Team agiert und riskiert etwas. Das steht zwar quer zum WM-Trend wie auch zum gesellschaftlichen Bedürfnis nach safety first. Aber wenn man nicht mal beim Fußball etwas riskieren kann - wo dann? Gut so. Merkel hätte die alten Fußballlobbys sicher nicht so energisch zurückgedrängt, die SPD schon gar nicht. Und die Grünen hätten Sepp Maier vielleicht noch zum Ko-Bundestrainer gemacht, damit alles schön in strategischer Lähmung bleibt.

Wenn es eine Analogie von Fußball und Gesellschaft gibt, dann, dass der deutsche Nachkriegsmythos nicht mehr trägt. Der DFB-Fußball hat sich auf den Weg in die Zukunft gemacht. Das bleibt (hoffentlich) auch im Falle eines Ausscheidens so. Die entscheidende Frage ist nicht, ob Lahm und Özil bereit sind, wenn es gilt. Sondern, ob wir es sind. Pathetisch? Ist aber so.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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7 Kommentare

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  • PS
    Peter S.

    Sehr guter Kommentar. Aber ich befürchte, dass in den verschiedenen Rekationsstuben und andernorts die Messer schon gewetzt sind. Wehe dem Bundesjogi, wenn seine Mannschaft heute gegen Ghana ausscheidet. Die "Stinkstiefel" scharren schon mit den Hufen.

  • H
    hennes

    Danke, sehr guter kommentar. Die letzten artikel zum thema fussball-wm bzw. das auftreten der deutschen mannschaft waren ja in der taz eher mau, dieser beschreibt m.M. nach die sache sehr gut. Schade das manche da dann immer noch ihre stinkstiefel-meinung nicht ablegen können......

  • H
    Hans

    @ Mat:

    So sehe ich das auch.

     

    Schon seit 2002 haben die Profi-Vereine die Auflage ein Leistungszentrum mit Internat für den Nachwuchs zu unterhalten, andernfalls ist die Lizenz in Gefahr. Löw und Klinsmann haben schon was bewegt, ernten aber auch ganz schön viel. Das wird mir in der Presse oft zu verklärend dargestellt. Die System ist nix besonderes und gegen die stärksten Mannschafte gewinnst du so eh nicht. Von daher halte ich Löw für einen guten aber nicht für ein sehr guten Trainer. Ich glaube nicht das Löw mit seinen Fähigkeiten einen Titel holen wird und nichts anderes zählt im Fußball. Ich bin froh wenn er weg ist. Reizvoll wäre für mich ein van Gaal als deutscher Bundestrainer, denn wen ein holländischer Trainer mit Deutschland Weltmeister werden würde, dass wäre was für die Geschichtsbücher.

  • C
    chris

    Schönrednerei. Heute geht's heim.

     

    Löw wurde auch nicht von Bedenkenträgern kritisiert, die Angst vor Veränderungen haben. Sondern von denen, die nicht verstehen warum Ersatzbankveteran Klose und Chancentod Podolski in der ersten Elf stehen, weshalb Leistung (zB Kießling und Kevin) nicht anerkannt wird und die sich wundern wieso Ösil gegen Serbien zunächst ohne Anspielstation im Sturm spielen musste und dann später der Sturm ohne Anspielstation (Ösil).

  • O
    Organist

    Einfach und knackig - ein guter Kommentar.

     

    Weiter so!!!

  • S
    stoeps

    D'accord.

  • M
    Mat

    Na ja, ob die deutschhe MAnnschaft tatsächlich im Konzert der Großen konkurrenzfähig ist, bleibt abzuwarten.

    Was den mir sehr unsympathischen Löw und seinen Vorgänger Klinsmann angeht: Laßt die Kirche mal im Dorf. Den "Erfolg" (Hurra! Wir haben uns für die WM qualifiziert! Hurra! Wir überstehen sogar die Vorrunde!) im deutschen Fußball verdankten die Beiden weitaus weniger einer eigenen Leistung, als dem Umstand, daß ein gewisser Berti Vogts zu seiner Trainer-Zeit gewisse Strukturen aufbrach und nachhaltig veränderte (Jugendarbeit,, etc.)- insofern erntet Löw nichts anderes als die Früchte von Bertis Arbeit. Ansonsten hat Löw nicht allzuviel verändert: Gespielt wird ein System, das sich die ganze Welt längst zu eigen gemacht hat oder dieses versucht. Gelegentlich gelingt das sogar ganz gut, wenn der Gegner maximal zum unteren Mittelfeld gehört. Gegen bessere Mannschaften gelingt sowas alle 2-4 Jahre einmal.

     

    Insofern hat sich vor allem Eines verändert: Die Berichterstattung der Medien überdie NM. Da wird in den Himmel gelobt, das es nur so kracht. Und warum das Ganze? Es geht um Verkaufszahlen. es geht daarum den Leuten das Geld aus der TAsche gezogen wird. Damit die Umsatzzahlen stimmen, wird die Bevölkerung belogen. Kritische Berichterstattung? Nicht einmal in der taz. Schade.