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Vor der Bundespräsidenten-WahlGauck wirbt bei den Linken

Der rot-grüne Kandidat fürs Bundespräsidenten-Amt, Joachim Gauck, besuchte seine schärfsten Kritiker - und erntete am Ende freundlichen Applaus von der Linksfraktion.

"Überraschend gut vorbereiteter Auftritt": Gauck bei der Linken. Bild: dpa

Eigentlich ist alles klar. Am Mittwoch wird CDU-Mann Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt. Wahrscheinlich im ersten Wahlgang. Aber was, wenn es doch einen zweiten und dritten Durchlauf gibt, in dem am Ende die relative Mehrheit reicht? Dann wird es vielleicht auf das Votum der 124 Wahlmänner und -frauen der Linkspartei ankommen. Auch deshalb hat der rot-grüne Kandidat Joachim Gauck am Dienstag die Linksfraktion im Bundestag besucht.

Kurz nach halb drei betritt Gauck den Fraktionssaal. Er hält einen kurzen Vortrag, danach stellen verschiedene Abgeordnete, darunter Jan van Aken und Dagmar Enkelmann, Fragen. Scharfe Gauck-Kritiker wie Diether Dehm melden sich nicht zu Wort. Das Ganze dauert länger als geplant. "Die Atmosphäre war vernünftig", so Jan Korte, Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt. Die Differenz beim Afghanistankrieg sei natürlich nicht ausgeräumt worden, jedoch habe es auch Gemeinsamkeiten, etwa beim Datenschutz, gegeben. Am Ende habe die Fraktion dem Kandidaten freundlich applaudiert.

Schon solche Normalitäten sind erwähnenswert. Denn das Verhältnis ist frostig. Gauck hatte vor ein paar Tagen erklärt, dass die Linkspartei im Bund nicht regierungsfähig sei. Damit hatte er auch linke Pragmatiker wie Bodo Ramelow gegen sich aufgebracht. Ramelow keilte zurück, Gauck sei "nur eingeschränkt demokratiefähig". Zuvor hatten vonseiten der Linkspartei vor allem Oskar Lafontaine und Dehm das ohnehin angespannte Verhältnis eskaliert. Lafontaine hatte Gauck vorgeworfen, zu DDR-Zeiten als Pfarrer von der "Stasi auch Privilegien erhalten zu haben". Dehm hatte Gauck als "Rückfall ins Mittelalter" für den Rechtsstaat bezeichnet. Die Pragmatiker halten diesen plakativen Kurs für politisch ungeschickt. "Damit schlagen wir uns doch selbst das Werkzeug aus der Hand", so ein Abgeordneter. Anstatt die Konfrontation zu suchen, wäre es klüger, sich alles offenzuhalten. Manchmal habe man in der Fraktion das Gefühl, "als würde Christian Wulff übermorgen den demokratischen Sozialismus einführen".

Fraktionschef Gregor Gysi hält die Entscheidung offen. Natürlich werde man beraten, ob man die eigene Kandidatin Luc Jochimsen im dritten Wahlgang zurückzieht. Doch auch dann ist eine klare Mehrheit der 124 Linken für Gauck unwahrscheinlich. Daran hat auch Gaucks "überraschend gut vorbereiteter Auftritt", so ein linker Abgeordneter, nichts geändert.

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13 Kommentare

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  • V
    Verständlich

    Dass die "Linke" Gauck nicht wählen konnte, war klar. Auch hier bei den Kommentaren schwurbeln viele da ein wenig was von Konservativ und Neoliberal vor sich hin, eben die Modebegriffe und Etiketten, die man verteilen kann, wenn die Argumente schwach sind.

    Natürlich kann die SED-Nachfolgerin einen nicht wählen, den sie erst nicht zerstören konnte und der sich dann aufmachte, in ihrem Sumpf zu wühlen.

    Auch wenn Gauck in seiner damaligen Funktion sicherlich nicht unbestritten war (wer ist das schon noch, in egal welcher Funktion), trägt er doch einen großen Anteil daran, Opfer und Täter zu benennen.

    Dass die Partei der Täter dies inzwischen durch zwei Umbenennungen vergessen machen will, verwundert nicht.

    Dass die Partei der Täter nicht dieses "Antichrist" der Stalinisten als Präsident würde ertragen können, verwundert ebenfall nicht.

    Dass die Partei der Täter eine ehemals öffentlich alimentierte "Journalistin" gefunden hat, die außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rotfunks nie hätte existieren können, verwundert dann auch nicht mehr wirklich.

    Ihre Gesinnungsgenossen haben den eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang übrigens auch zurückgezogen.

  • P
    Peter

    Mich hätte schon mal interessiert, was Herr Gauck der Linken zu sagen hatte, die ja bis jetzt (?) sein Intimfeind gewesen ist.

    Ich weiß nicht, ob ich anstelle der Linken Herrn Gauck zur Tür hineingelassen hätte.

    Das ist wie beim "Herrn der Ringe", wo im 2. Teil Aragorn seine Gefährten davor warnt, den bösen Zauberer Saruman zu Wort kommen zu lassen... :-)

  • W
    Winni

    Gauck hat das Predigen in der DDR gewissenhaft gelernt und auch beherrscht.

     

    Er hat es auch verstanden, recht gut mit den Regime zurecht zu kommen und sich einige Vergünstigungen zu erschmeicheln.

    Wer weiß, vielleicht hat er auch noch alte gute Freunde unter den Linken.

  • HW
    Heidemarie Wätzold

    Mittwoch, 30. Juni 2010

     

    Demokratie darf frau nicht manipulieren:

     

    Merkel hat Wulff zum Bundespräsidenten(kandidaten) "ernannt"

    Aber:

    Die Jahre der fetten "Mutti" sind vorbei !

  • L
    linsenspaeller

    Manchmal nachts, wenn es so warm draußen ist wie jetzt, wenn es vollkommen still ist und man Fenster und Türen öffnet und man sich über jeden kleinen Luftzug freut, da passiert es, daß ein schwarzer Dämon langsam die Treppe herab steigt. Kommt bedrohlich ins Zimmer herein, er hat kein Gesicht und spricht nichts. Aber es fröstelt mich gleich.

     

    Wenn man so weder an Gott noch den Teufel glaubend in diesem Sessel sitzt und hofft, nach dem Lüften endlich schlafen zu können, sieht man im Dunkeln jedes schwache Glitzern, Mondlicht, scherbenweise liegt es zwichen den Schatten. Und das da könnte echt der Teufel sein. Achgott - der Teufel! Ist es schon soweit? Wer sagt überhaupt, wenn es keinen Gott gibt, daß es auch keinen Teufel gibt? Also bitteschön, aus der Erfahrung des lebendigen Daseins ergibt sich das nicht!

     

    Der ganze aufgebauschte Rummel um das angeblich Göttliche könnte nur eine hilflose Projektion unserer Fantasie sein, die uns überhaupt erst in den Stand setzt, die Existenz des Teufels zu ertragen. So wie Goethe uns sein Bild vom Teufel dichtete, so unheimlich schlau, gewitzt, verschlagen und verlogen aber auch sehr redegewandt, suggestiv, allegorisch und oft in Rätseln sprechend. Ein Meister der Manipulation, der die Sorge um den bedrängten Menschen vorgibt und sein schwarzes inneres Interesse stets verbirgt. So wie der da.

     

    Nein, das hat nichts mit der bevorstehenden Präsidentenwahl zu tun. Überhaupt nichts. Es ist die totale Entmutigung, die nächtliche Depression der Schlaflosen, der lähmende Moment vor dem endgültigen Fallenlassen. Die Urangst, daß es mal frühmorgens nicht hell werden könnte. Es war nur ein böser Moment des Alptraums. Vielleicht hat ja der Gauck gerad in dem Augenblick an mich gedacht.

  • G
    Guido

    Die PDS wird wohl nie dazulernen. Nicht dass sie Wulff wirklich verhindern könnten, aber das Bild welches sie aktuell abgeben, ist vernichtend erbärmlich.

     

    Ab morgen hat Deutschland wieder eine "Wulff-Schanze"

  • L
    LuLaLi

    Der neoliberale Teufel will das linke Gift saufen. Prost.

    Was alle an diesem Gauck finden, ist mir schleierhaft.

    Da Hinweise von mir, dass dieser Hype um ihn in den Medien von der 'Initiative sogen. Neue Marktwirtschaft' bezahlt wird, regelmäßig zensiert wird, gehe ich davon aus, dass die Finanzierung der Gauck-Hippen Medien von da kommt.

     

    Ansonsten gibt es keinen rationalen Grund für diesen Gauck-Hype.Der Mann verdient es nicht.

  • K
    kurz

    politik in diesem land wird langsam hirnrissig.

     

    die linken wären besser mit dem motto gefahren erst das grössere übel (wulff) abschaffen um sich dan dem kleineren zuzuwnden. diese sturkopfigkeit ist ja bald nicht zum aushalten.

  • M
    Martin

    Wenn die Linkspartei klug wäre, würde sie still und heimlich die Anweisung geben im ersten Wahlgang Gauck zu wählen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die FDP Merkel einen Denkzettel verpassen möchte, ist im ersten Wahlgang am größten. Im dritten werden sich die FDP Politiker wahrscheinlich zusammen reißen und Wulff wählen... Frau Joachimsen müsste eingeweiht werden, aber das sie keine Chance hat, müsste auch ihr klar sein.

  • H
    Hermann

    Der Gauck ist Pfarrer und befürwortet den Krieg in Afghanistan -unglaublich der Mann.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Man hat nur leider das sichere Wissen, dass Herr Gauck bei minimalster Bemühung um Kohärenz seiner Äußerungen auf keiner Fall irgendeiner sozialen Verschlechterung verfassungrechtliche Bedenken bei der Unterschrift entsprechender Gesetzte anmelden wird. Umgekehrt sind "Anregungen" in "Sonntagsreden", wie sie weiland in Verschräfung der "Ruck" Rede Herzogs als "Blut, Schweiss und Tränen" Reden von Frau Künast gefordert wurde, weit über den 50% Wahrscheinlichkeitsscore, "immer drin".

    Frau Künast wollte wohl (Gutmütigste Interpretation) den Übergang zur "Wirtschaft"sdomianzm mit Domianz von Krisenrealien statt Kriegsvorbereitungen wie beim entsprechende "Klassiker" {Churchill} "dokumentieren". Das hat für die GRÜNEn 100%ig nur für den ersten Teil geklappt. Man konnte sich dem herben Charme Churchills dann doch nicht ganz in Jugoslawien und am fernen Hindu(Die leben noch dort, 12,5 mal soviel wie Deutsche)kusch entziehen.

    Ob sich die LINKE dem Charme des die 4567889igste Backe Hinhaltens entziehen sollte, auch nach diesen schlechten "Entzugs"erfahrungen der GRÜNEn? Ein entschchiedenes unzweideutiges, 100%iges: JA!

    Man hat es nämlich bei dem Erfinder der Taktik nicht bei den Backen gelassen.

    Also auch aus Taktischen, Strategischen und, mit tiefster Weisheit, wie gerade zitiert, aus Selbsterhaltungsgründen.

    Es ist nämlich gefährlich, sich bei der "Wahl seiner Feinde" zu vertun, wie zustimmend der Antipode Nietzsche bemerkt. Die haben schon gewählt.

  • A
    Andrea

    Gauck ist wirklich nur noch peinlich. Erst permanent gegen die Linke hetzen und nun fast auf der eigenen Schleimspur ausrutschen. Gauck war in der DDR ein Opportunist der erst aufmuckte, als schon alle Messen gesungen waren und für ihn keine Gefahr mehr bestand. Und Opportunist ist er heute noch. Was für eine jämmerliche Gestalt.

     

    Mein Gott, ist mir schlecht!!

  • A
    atypixx

    Was ist das denn für ein Artikel? Kein Wort über den Inhalt von Gaucks "kurzem Vortrag". Also...