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Westerwelle und auswärtige KulturpolitkOhne kreative Energien

Außenminister Westerwelle hat wenig Sinn fürs Kulturelle. Sein Amtsvorgänger Steinmeier hatte auswärtige Kulturpolitik dagegen zur Chefsache gemacht.

Wenig Sinn fürs Kulturelle: Westerwelle mit dem Regiesseur Volker Schlöndorff bei einem Rundgang im wiedereröffneten Goethe-Institut in Tansania. Bild: dpa

Was unseren Bundesaußenminister betrifft, so kann man derzeit sehr gemeine Fotokombinationen erstellen. Man kann zum Beispiel ein Foto nehmen, das den Eindruck eines schrägen, entdeckungsfreudigen und ganz und gar nicht deutschtümelnden Kulturaustausches in der alten Bundesrepublik vermittelt. Solche Bilder gibt es zuhauf. Und dazu stellt man dann ein aktuelles Bild, das zeigt, wie Guido Westerwelle in Sachen Kulturaustausch unterwegs ist. Schnell findet man Fotos, auf denen er oberlehrerhaft irgendwo in dieser Welt an einer Schultafel steht und toll findet, dass es Ausländer gibt, denen man die Grundlagen der deutschen Sprache beibringen darf. Da sieht er, derzeit auch sonst gebeutelt, ziemlich spießig und irgendwie unter Niveau aus.

Nun haben solche Bildkombinationen leicht etwas allzu Suggestives. Und doch treffen sie etwas. Wem das Politikfeld der, wie es offiziell heißt, Auswärtigen Kultur- und Bildungsgpolitik wichtig ist, der muss sich gerade Sorgen machen.

Es ist nämlich nicht nur so, dass hier gespart werden muss; das muss es derzeit schließlich überall. Anfang kommender Woche steht der Etat des Goethe-Instituts - des dem Außenministerium unterstellten Flaggschiffs des Kulturaustausches - mal wieder auf der Tagesordnung des Bundestags-Unterausschusses Auswärtige Kulturpolitik. Etatkürzungen von zehn Millionen Euro stehen im Raum, was knapp fünf Prozent des Zuschusses ans Institut entspräche. Völlig unverhältnismäßig, urteilten Kulturpolitiker, zumal diese Kürzungen - da Fixkosten nun mal kurzfristig nicht zu senken sind - nur durch schmerzliche Einsparungen in der Programmarbeit erbracht werden können.

taz

Dieser Artikel ist aus der aktuellen vom 3./4. Juli 2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.

Sorgen macht aber eben auch der Minister selbst. So wie er bislang agiert hat, muss man in Zweifel ziehen, ob Westerwelle überhaupt einen Sinn für die Erfordernisse dieses Bereiches hat. Großes Engagement hat er jedenfalls noch nicht gezeigt. Und Cornelia Pieper, seine fürs Kulturelle im Außenministerium zuständige Staatsministerin (und FDP-Parteifreundin), muss - um es positiv zu formulieren - auch erst noch hineinfinden.

Dabei kommt es gerade in diesem Politikbereich sehr auf politische Rückendeckung an. Das hat die Zeit des Grünen-Außenministers Joschka Fischer gezeigt, dem die auswärtige Kulturpolitik, man kann es ruhig alphatiermäßig sagen, am Arsch vorbeiging. In einer Zeit, in der im Goethe-Institut ein Strukturwandel angeschoben werden musste - Verschlankung der Zentrale, Stärkung der Institute vor Ort, stärkere Vernetzung -, hat er diese Institution am langen Arm verhungern lassen. Die Diskussionen, welche Institute in welchen Teilen dieser Welt als erstes geschlossen werden müssten, ist noch in unguter Erinnerung.

Westerwelles Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat dagegen die auswärtige Kulturpolitik zur Chefsache gemacht. Er hat den Etat des Goethe-Instituts erhöht. Aber wiederum geht es nicht nur ums Geld. Vor allem vertrat er - profiliert und angetrieben von seinem in der Öffentlichkeit kaum bekannt gewordenen, aber im Hntergrund sehr agilen persönlichen Referenten Andreas Görgen - einen für einen deutschen Spitzenpolitiker überraschend modernen Kulturbegriff.

Statt von der Bewahrung kultureller Schätze redete Steinmeier von der Erweiterung kultureller Möglichkeiten. Und am kulturellen Austausch hatte er erkennbar Spaß. Es gab wohl keinen israelischen Schriftsteller, den er nicht persönlich kennenlernen wollte. Das Willy-Brandt-Wort von der auswärtigen Kulturpolitik als der dritten Säule der deutschen Außenpolitik nahm Steinmeier -Brandt-Fan von Herzen - sehr ernst. Beschirmt von diesem Engagement, konnte am Goethe-Institut der Strukturwandel vorangetrieben werden. Derzeit ist das Institut schlagkräftig wie selten zuvor.

Aber wozu soll es die Schlagkräftigkeit nutzen? Der Kontrast zwischen Steinmeier und Westerwelle ist in dieser Frage wirklich groß. In dem Dreivierteljahr seiner bisherigen Amtsführung ist der FDP-Außenminister bislang nur ein einziges Mal kulturpolitisch aufgefallen - und dieser Auftritt hatte auch noch etwas Aufgewärmtes. Im Frühjahr präsentierte er eine Initiative zur Förderung der deutschen Sprache - im zwar hippen Berliner Veranstaltungsort Radialsystem, an dem allerdings Steinmeier bereits zwei Jahre zuvor den traditionellen Botschafterempfang des Außenministeriums durchgeführt hatte. Genannt wurde diese Initiative "Deutsch - Sprache der Ideen", in arger Anlehnung an die sowieso eher seltsame PR-Initiative "Deutschland - Land der Ideen" aus dem Jahr 2006.

Sprache hin, Sprache her - deutlich wurde vor allem, dass es Westerwelles Umgebung an der Neugier für neue Orte und an dem Ehrgeiz zu neuen Slogans mangelt. Das wirft kein gutes Licht auf sie, denn ohne kreative Energien kommt man im Kulturaustausch nicht weit. Statt von Ideen nur zu sprechen, sollte man welche haben. Außerdem wirkt so Westerwelles Satz aus der Begrüßungsrede "Nur wenn der Dialog zwischen den Kulturen gelingt, werden wir auf Dauer in Frieden und in Freiheit leben können" allzusehr wie eine Floskel. Zumal der Minister sonst wenig von Austausch und viel von "unseren Werten" und "unserem Interesse" sprach.

Die Frage bleibt: Wie wichtig ist dem Minister die auswärtige Kulturpolitik? Insgesamt hat die Art und Weise, wie er die Spracharbeit in den Vordergrund schiebt, längst einen schalen Beigeschmack. Niemand hat etwas gegen die Vermittlung der deutschen Sprache; gerade beim Aufbau von Sprachschulen hat das Goethe-Institut derzeit schöne Erfolge vorzuweisen. Aber Sprachpädagogik allein ist noch kein Kulturaustausch. Wer ausschließlich auf sie setzt, nährt den Verdacht, dass er damit vielleicht nur sein Desinteresse, vielleicht aber auch seine Vorbehalte gegen selbstkritische, gewagte und möglicherweise - auch das kommt vor - nur schräge Kulturprojekte bemänteln will.

Genau mit solchen Kulturprojekten aber hat die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland die besten Erfahrungen gemacht. Das festzustellen bedeutet noch nicht einmal, sich für die Moderne und gegen die Tradition, für die Kunstfreiheit und gegen die Pädagogik einzusetzen. Es bedeutet schlicht, pragmatisch zu bilanzieren, was im Kulturaustausch wirklich funktioniert.

Man muss ja zum Beispiel nicht gleich jedes Projekt von Christoph Schlingensief super finden. Aber dass diesen Theater- und Windmacher um die Welt zu schicken dabei hilft, die im Kulturaustausch stets drohenden Gefahren von Kulturbeflissenheit und Gutmenschentum zu vermeiden, ist einfach so. Das ist wichtig. Schließlich will man im Kulturaustausch nicht seine guten Absichten demonstrieren, sondern mit anderen Menschen ins Gespräch kommen. Das geschieht im Zweifel sogar besser, wenn man sich gemeinsam über die schrägen Vögel der deutschen Kulturszene wundert, als wenn man die Vertreter fremder Kulturen mit deutschen Kulturexporten nur beeindrucken will.

Gegen eine solche selbstkritische und anarchische Präsentation der deutschen Kultur im Ausland wurde lange Zeit vor allem von konservativer Seite angewettert. Der gute, alte Linkenfresser Franz-Josef Strauß etwa fragte sich allen Ernstes noch ein Jahr vor dem Mauerfall, ob die "farbenfrohe" Selbstpräsentation der DDR nicht erfolgreicher sein könnte als das allzu düstere Bild, das die Bundesrepublik von sich zeichnen würde. Darüber kann man inzwischen befreit lachen - allerdings muss man gleich danach feststellen, dass das, was sich manche PR-Agenturen für die Präsentation Deutschlands in der Welt ausdenken, mit seinen Fähnchen und Produktdesigns gelegentlich wieder verdächtig "farbenfroh" wirkt.

Die Zeit der klaren Gegnerschaften, wie Strauß sie noch bot, ist in der Kulturpolitik vorbei. Stattdessen muss inzwischen immer gegen ein bequemes Desinteresse und darüber hinaus auch gegen Vorurteile im Apparat des Außenministeriums angearbeitet werden - auch deshalb braucht man engagierte Außenminister. Sonst kann die Situation eintreten, dass sich zwar niemand mehr lautstark gegen die schrägen Vögel im Kulturaustausch empört - aber dafür klammheimlich plötzlich die nötigen Projektmittel verschwunden sind. So wie vielleicht im Ausschuss nächste Woche.

Der Musiker Klaus Doldinger hat, ein Beispiel von vielen, in den Siebzigern die deutsche Kultur im Ausland mit Turban und cooler Sonnenbrille vertreten - und mit Lust daran, den engen deutschen Verhältnissen zu entfliehen. Das war, darf man feststellen, im deutschen Interesse. Ob Guido Westerwelle und Cornelia Pieper das auch so sehen? Inzwischen muss man das bezweifeln.

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1 Kommentar

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  • P
    plattenboss

    Bei der historischen Entwicklung der deutschen Sprache sollte man nie vergessen, dass vor `33 Deutsch die Sprache der Wissenschaft, der Intelligenzia war.

     

    Am russischen Zarenhof wurde deutsch gesprochen !

    Deutsche Sprache galt vor hundert Jahren als die Sprache der Hochkultur.

     

    Die Nazis haben diesbezüglich einen nachhaltigen, nicht gut zu machenden Schaden angerichtet. Den versucht das Goethe Institut seit Jahrzehnten auszugleichen.

     

    Und dann kommt Westerwelle ...

     

    Erlöst uns bitte von diesen Ignoranten!