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Kommentar GesundheitsreformSeine vertane Chance

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Rösler hat nicht nur die Widerstände bei CSU und Lobbygruppen unterschätzt, sondern auch die möglichen Vorzüge seiner Reformpläne nicht genügend verteidigt.

E s fällt immer schwerer, neue Erklärungen für die Taten Philipp Röslers zu finden. Ungezählte Analysen zeichneten den jungen FDP-Politiker in den vergangenen Monaten als Sabotageopfer eines irrlichternden CSU-Chefs Horst Seehofer. Viele Kommentatoren unterstellten dem 37-Jährigen zudem ein Maß an Gutgläubigkeit, das niemand in der Politik gebrauchen könne, erst recht kein Gesundheitsminister. Doch um Röslers jüngste Niederlage im Streit um eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen, greifen diese Erklärungsversuche zu kurz.

Denn der Minister hat nicht nur die Widerstände bei CSU und Lobbygruppen unterschätzt, sondern auch die möglichen Vorzüge seiner Reformpläne nicht genügend verteidigt. Wo bleibt der Sozialausgleich aus Steuergeldern, damit bedürftige Versicherte auf den steigenden Zusatzbeiträgen der Kassen nicht sitzen bleiben? Nicht allein die Haushaltskrise ist verantwortlich dafür, dass nicht mehr Steuergeld ins Gesundheitssystem fließt. Sondern auch eine wirtschaftsliberale FDP, der das Vorhaben ihres Ministers nie geheuer war. Doch wer seine Pläne nicht einmal den eigenen Leuten erklären kann, wer will eine kritische Öffentlichkeit überzeugen?

Von Röslers Plan, Gesundheits- und Lohnkosten zu entkoppeln, bleibt fast nichts. Stattdessen gibt es, wie so oft, wenn sich Regierungen grundlegenden Umbauten verweigern, steigende Belastungen der Bürger. Der Beitragssatz der Kassen wird angehoben. Auch die Möglichkeit, höhere Zusatzbeiträge zu erheben, löst das Finanzproblem der Kassen nicht. Für eine echte Reform jedoch hätte Rösler werben müssen, um so Druck auf Seehofer, die FDP und Lobbygruppen auszuüben. In dieser Legislatur hatte er dafür eine einzige Chance. Er hat sie vertan.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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2 Kommentare

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  • O
    Onlineleser

    Philipp Rösler ein "Sabotageopfer eines irrlichternden CSU-Chefs" ??? "Vorzüge seiner Reformpläne nicht genügend verteidigt" ??? Was sollen das denn bitte für Vorzüge sein? Matthias Lohre ist anscheinend der Propaganda des Ministers auf den Leim gegangen.

     

    Röslers Gesundheitsreformpläne sind eine sozialpolitische Untat erster Ordnung. Die sogenannte Entkoppelung von den Lohnkosten bedeutet nichts anderes, als dass die Unternehmen sich nicht mehr an den Versicherungsbeiträgen beteiligen sollen. Das bereits jetzt chronisch unterfinanzierte System der gesetzlichen Krankenversicherung verliert völlig die Basis.

     

    Die Folge wäre ein drastisches Zusammenstreichen der gesetzlichen Leistungen. Beispiel Dialyse. Warum sollte das eine Kassenleistung sein? Der Patient kann doch die 1200 EUR pro Woche selbst bezahlen oder sich privat zusatzversichern, solange er noch gesund ist natürlich. Ein chronisch Kranker wird von der privaten Krankenversicherung keinen Vertrag bekommen. Wer dabei ins Gras beisst, hat Pech gehabt. Dafür können aber die Unternehmen ihre Kosten reduzieren, der Staat kann Geld einsparen und die FDP kann die Steuern senken.

     

    Der "irrlichternde" Horst Seehofer hat sich gegen diese Pläne gewehrt, weil für seine Wähler das "S" im Parteinamen noch wichtig ist. Die Wähler der CSU sind eben auch Alte und gesetzlich Versicherte.

     

    Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Kosten des Gesundheitswesens in Deutschland nicht höher als in anderen Industrieländern. Dabei ist die ungünstige Altersstruktur hierzulande noch nicht einmal berücksichtigt. Die Leistungen der Kassen bieten auch keinen realen Spielraum für weitere Einschränkungen. Das Problem sind nicht zu hohe Kosten, sondern die unzureichende Finanzierung. Junge, gesunde und gut verdienende (taz-Redakteure?) zahlen ihr Geld halt lieber in die private KV, anstatt sich am System der solidarischen Krankenversicherung zu beteiligen. Die gesetzlichen Kassen bleiben mit ihren "unrentablen" Mitgliedern sitzen. Hier müsste eine Gesundheitsreform ansetzen!

  • HB
    Hartmut Braun

    Sorry Herr Lohre,

    aber man kann es nur als naiv bezeichnen, wenn man ernsthaft glaubt, Röslers "sozialer Ausgleich" war jemals mehr als ein Lippenbekenntnis.

    Es sind wohl weniger die Kommentatoren, die Rösler Gutgläubigkeit unterstellen sollten, sondern die ist wohl eher bei so manchem Kommentator zu finden.

    Oder wie sonst kann es dazu kommen, dass man glaubte, gerade bei einem Minister der Ärzte- und Apothekerpartei würden andere die Mehrbelastung zu tragen haben als (wieder mal) die Versicherten?