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Zusatzbeitrag zur KrankenversicherungKassen dürfen unbegrenzt kassieren

Die Krankenkassen sollen die Höhe des Zusatzbeitrags von ihren Versicherten künftig selbst bestimmen. Union und FDP heben die bisherige Deckelung auf ein Prozent auf.

Der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung soll steigen. Bild: apn

BERLIN afp/ap/dpa | Die gesetzlichen Krankenkassen sollen die Höhe des Zusatzbeitrags, den sie von ihren Versicherten erheben können, künftig selbst bestimmen. Die bisherige Deckelung der Zusatzbeiträge auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens wird abgeschafft, wie Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) nach Abschluss eines Spitzengesprächs der Koalition in Berlin mitteilte. Die Zusatzbeiträge sollen künftig "nur noch in Euro und Cent" und einkommensunabhängig erhoben werden.

Damit erhalten die Kassen laut Rösler mehr Finanzautonomie und Gestaltungsspielraum, zudem werde der Wettbewerb gefördert. Laut Rösler soll es bei den Zusatzbeiträgen einen Sozialausgleich geben, der aus Steuermitteln finanziert wird. In diesem Fall greift eine "Überforderungsklausel" von zwei Prozent des beitragspflichtigen Einkommens, das heißt, wenn der Zusatzbeitrag diese Grenze übersteigt, greift der Sozialausgleich. Die Spitzen von Union und FDP hatten sich zuvor auf Eckpunkte einer Gesundheitsreform verständigt.

Die Krankenversicherungsbeiträge steigen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um insgesamt 0,6 Prozentpunkte. Die Beiträge der Arbeitgeber steigen demnach von 7,0 auf 7,3 Prozent vom Bruttolohn und werden dann dort festgeschrieben. Die Beiträge der Arbeitnehmer steigen dementsprechend von 7,9 auf 8,2 Prozent.

Rösler zeigte sich nach der Einigung auf ein Konzept für eine Finanzreform des Gesundheitswesens zufrieden. "Das zu erwartende Defizit in Höhe von 11 Milliarden Euro für das Jahr 2011 wird ausgeglichen werden", sagte Rösler am Dienstag in Berlin. "Gleichzeitig werden wir den Einstieg in eine dauerhaft solide Finanzierung des Gesundheitssystems auch schaffen." Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden dazu herangezogen. Es bleibe aber eine Daueraufgabe, das System und die Ausgaben zu reformieren.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Koalition Wortbruch vor. Statt ihr Versprechen "mehr Netto vom Brutto" einzulösen, werde nun das Gegenteil eintreten, sagte Steinmeier am Dienstag zu den Gesundheitsplänen der Koalition. Die Menschen hätten künftig wegen der gestiegenen Sozialabgaben weniger Netto vom Brutto in der Tasche. "Die Koalition startet mit einem grandiosen Wortbruch in die Sommerferien."

Der FDP-Politiker habe selbst erklärt, bei einem Scheitern der Gesundheitsreform wolle ihn niemand mehr als Minister haben, sagte Steinmeier. Dieser Fall sei jetzt eingetreten, fügte der Oppositionsführer hinzu.

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18 Kommentare

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  • V
    vic

    Eine Mehrheit der Bevölkerung wird von ihrer Regierung permanent ausgesaugt.

    Dessen ungeachtet wählt diese Mehrheit der Bevölkerung die Protagonisten dieser Regierung in wechselnder Besetzung immer wieder an die Macht.

    Und gibt ihnen damit erneut die Möglichkeit, mit dem Aussaugen fortzufahren.

    Doch leider werden auch jene ausgesaugt, die ihre Wahlkampflügen nicht glaubten und eine andere Wahl getroffen haben. Ich zum Beispiel.

  • E
    end.the.occupation

    Von 100 kassierten Euros geben die Kassen ca. 95 Euro weiter an die Ärzte, Krankenhäuser und die Pharmaindustrie.

     

    Die Schuldigen sind nicht die Kassen (die billigste Lösung bestünde schlicht in der Schaffung EINER staatlichen Krankenkasse) - sondern die Medizinindustrie sowie die von CDU/FDP/SPD/GRÜNEN gezielt betriebene Politik der Prekarisierung und Verarmung weiter Teile der Bevölkerung, die - solange die Leistungen nicht rationiert werden - unvermeidlich zu höheren Beiträgen führen muss.

     

    Diese ganz grosse Koalition hat nur ein Ziel: Die Arbeitnehmer bis auf das Blut auszupressen und den Gewinn an das Kapital weiter zu reichen, von dem man sich nach dem Ende der jew. Amtszeit - siehe Koch, Steinbrück, Clement, Waldenfels, Müller etc. - durchfüttern lassen möchte.

  • S
    Seppl

    Diese Gesundheitspolitik ist empörend, peinlich und dumm.

    Sie läuft auf eine simple Abzockermentalität hinaus. Von Wettbewerb unter den Krankenkassen kann da wohl wenig die Rede sein wie man analog leicht an der Preispolitik der großen Energiekonzerne erkennen kann.

    Also: Der Versicherte steckt ungeschützt im Löwenkäfig der Krankenkassen.

    Wie können wir an den Stäben rütteln?

  • KH
    Karin Haertel

    Ich sehe mich bereits als Taschengeldempfaenger meiner Krankenkasse. Es duerfte sicher sein, dasss diese Moeglichkeit in Kuerze schamlos ausgenutzt wird. Dank an Fau Merkel und ihre Bande.

  • SD
    Sollen die FDP und CDU-WählerInnen bezahlen!

    Die, die die CDU und die FDP bei den letzten Wahlen gewählt haben, die sollen gefälligst bezahlen und niemand anderes!

    Was hier von FDP und CDU fabriziert wurde, ist nichts anders als eine (indirekte) Hofierung privater Krankenkassen (war ja nicht anders zu erwarten).

    In den Bundestag gehören keine Beamten als Abg., sondern richtig arbeitende Menschen, die was vom Leben verstehen und entsprechende entscheiden. Aber nicht solche DilettantInnen von CDU und FDP, die nur Klientel ihresgleichen bedienen.

  • N
    Nordfriesin

    Wäre DRINGEND nötig! Wie aber soll man ein Volk von Befehlsempfängern hinter dem Ofen (heute TV) hervorlocken? Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt:

    Sommerpause und WM, so beruhigen sich die Gemüter wieder schnell.

  • S
    sauer

    na dann gute Nacht,da kann ich mich gleich abmelden da ich Freiwillig versichert bin,ich kann das in Zukunft nicht mehr aufbringen.

  • DS
    Dieter Schwarz

    Warum ging das so lange? Nach dem Endlos-Streit entscheidet die wettbewerbsfördernde Kanzlerin salomonisch: Die Pharma-Konzerne können in Deutschland unbegrenzte Preise verlangen, und die Kassen dürfen dafür unbegrenzte Zusatzbeiträge von den Patienten kassieren. Mit neuer "Finanzautonomie" ausgestattet werden nun die ungezählten sich hier tummelnden Krankenkassen den "Gestaltungsspielraum" gegenüber ihren hilflosen Kunden nutzen, um die Gewinne für die Gesundheitslobby einzutreiben und um ihre eigenen Bürokratieapparate zu finanzieren. Danke, Frau Merkel, das war doch so einfach. Warum nicht gleich so ?

  • V
    vic

    Das Verb "kassieren" stammt nicht umsonst von "Kasse" ab.

  • T
    theofriedrich

    Ich lese gerade ein Buch über die Französische Revolution. Kein schlechtes Beispiel für das, was nötig wäre.

  • TK
    Typischer Koblenzer

    Endlich wird den Krankenkassen mal freie Hand gewährt - sind ja schon fast sozialistische Methoden wenn der Staat denen vorschreibt, wie sehr die ihre Versicherten ausnehmen!

     

    Wie lange lassen sich die Leute das noch bieten!?

  • A
    Amos

    Pharma-Industrie und Konsorten schmieren eben zu gut.

    Da kann man als Politiker eben nicht, Nein! sagen.

    Es gab mal eine Zeit, da hatte Deutschland noch Volksvertreter! Die brauchten kein zusätzliches Geld von Lobbyisten, weil Adenauer es so ausgerechnet hatte,

    dass man von den Diäten unbestechlich leben konnte.

    Und das ist des Pudels Kern, warum nichts mehr, aber auch gar nichts mehr hinhaut. Ihre eigentliche Macht besteht nur noch darin, das Volk weiter verarmen zu lassen um den Egoismus zu befriedigen.

  • UR
    Udo Radert

    Wenn man schon sparen will und muss, warum dann nicht bei der Pharma-Industrie und den Apothekern?

     

    DORT würde sparen sogar sehr viel bringen, nur ist zumindest letzteres ja die FDP-Klientel, also die der Partei unseres Gesundheitsministers.

     

    Und was ist mit den "Besserverdienenden"?

     

    Wenn jemand beispielsweise 100.000 Euro Jahresgehalt verdient, bezahlt dieser nur für knappe 50.000 in das System ein.

     

    Er hat somit Kosten in Höhe von 3,975 Prozent seines Einkommens, anstatt der üblichen 7,9 Prozent für einen Arbeitnehmer.

     

    Man sollte nicht die Beiträge erhöhen, sondern endlich die Topverdiener wieder an dem System beteiligen. Eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen, wäre ein Anfang.

  • T
    tom

    Wann wird diesen Unternehmen endlich klar gemacht, dass sie vernünftigt wirtschaften müssen. Es kann doch nicht angehen, dass jedes Jahr das selber Theater von vorne anfängt. Jedes andere Unternehmen das alle fünf Minuten seine Preise erhöht macht irgendwann dicht.

    Die Versicherten sind doch kein Freiwild.

  • T
    tom

    Wann wird diesen Unternehmen endlich klar gemacht, dass sie vernünftigt wirtschaften müssen. Es kann doch nicht angehen, dass jedes Jahr das selber Theater von vorne anfängt. Jedes andere Unternehmen das alle fünf Minuten seine Preise erhöht macht irgendwann dicht.

  • BS
    Brigitte Schultz

    Wie viel Theater müssen wir eigentlich noch von dieser Regierung ertragen? Da liest und hört man wochenlang von der Gesundheitsreform - und dann kommt sowas dabei raus! Hätten sie nicht gleich die Beiträge raufsetzen können? Dann wäre uns viel Geschwafel und Unaufrichtigkeit erspart geblieben! Aber das passt in das ganze Bild, da kann unsere Bundeskanzlerin noch s oft auf Staatskosten zur Fußball-WM nach Südafrika fliegen.

  • W
    Widerstand

    Diese hemmungslose Regierung wird das Ende dieses Jahres nicht mehr erleben.

  • JK
    Juergen K

    Mehr Nutto vom Bretto.

    Jetzt sogar unbegrenzt.

     

    Je weniger Du hast umso mehr bekommst Du.