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Initiative will Drogen testenDenn sie wissen nicht, was sie nehmen

Blei im Gras, Milzbrand im Heroin: Die Zahl der Streckmittel in Drogen nimmt zu. Eine Initiative will Konsumenten davor schützen und Drogen im Labor checken lassen.

Garantiert ohne Zusatzstoffe: Cannabis aus dem Eigenanbau Bild: Reuters

Drogenhändler des Vertrauens sind nur schwer zu finden: Ein echtes Problem, denn Konsumenten können kaum abschätzen, was in den Pillen, Kügelchen oder Haschischplatten außer den rauscherzeugenen Substanzen sonst noch drin ist - sprich, mit was die Drogen gestreckt wurden, um den Gewinn der Verkäufer zu erhöhen. Deswegen will eine Initiative die umfassende chemische Analyse für Konsumenten in Berlin wieder möglich machen. "Das liberale Berlin bietet sich für einen Modellversuch an", erklärt Barbara Seid, Mitglied der Drugchecking Initiative Berlin Brandenburg und gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg.

Einen solchen Versuch gab es in der Stadt schon einmal Mitte der 90er-Jahre. Und in ganz Europa untersuchen verschiedene Projekte illegale Substanzen, um Nutzer vor giftigen Beimischungen oder gefährlich hohen Dosierungen warnen zu können.

Gedenktag für Drogentote

Am 21. Juli 1994 starb ein Gladbecker Jugendlicher unter bis heute ungeklärten Umständen. Seine Mutter machte die repressive Drogenpolitik verantwortlich und initiierte vier Jahre später, am 21. Juli 1998, mit weiteren trauernden Eltern den "Nationalen Gedenktag für verstorbene Drogentote". In diesem Rahmen findet auf dem Oranienplatz ab 12 Uhr die Veranstaltung "Gemeinsam gegen Ausgrenzung" statt. Schirmherrin ist Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke).

Im letzten Jahr starben in Berlin 155 Menschen an den Folgen des Rauschgiftkonsums. 86 Prozent von ihnen waren Männer, das Durchschnittsalter der Drogentoten betrug 36 Jahre.

Im Juni 2009 beschloss der Bundestag die kontrollierte Abgabe von synthetisch hergestelltem Heroin (Diamorphin) an Schwerstabhängige. Wann dieser Beschluss umgesetzt wird, ist laut Senatsgesundheitsverwaltung noch nicht klar. Es werde derzeit "intensiv am Konzept gearbeitet", so eine Sprecherin. (taz)

Denn die Unwissenheit kann tödlich sein. Ende 2009 starben europaweit acht Menschen, weil sie mit Milzbrand verseuchtes Heroin konsumiert hatten. 2007 mussten sich in Leipzig 35 Menschen im Krankenhaus behandeln lassen, weil sie mit Blei gestrecktes Gras geraucht hatten.

Eigentlich gibt es eine Institution, die ziemlich genau weiß, wie die einzelnen Drogen zusammengesetzt sind. Die Polizei lässt im Rahmen von Ermittlungsverfahren viele Drogen umfassend analysieren. "Doch außer des durchschnittlichen Wirkstoffgehalts werden die Ergebnisse nicht kommuniziert, das hat sich europaweit gezeigt", sagt Tibor Harrach, Pharmazeut und ebenfalls Vertreter der Drugchecking Initiative Berlin Brandenburg.

Diese Initiative, getragen von der Deutschen Aidshilfe, den Grünen, der Linken, dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und verschiedenen Suchthilfeeinrichtungen, will dem Informationsmangel Abhilfe schaffen. So wie bereits von Februar 1995 bis September 1996 soll in Berlin ein Labor Proben untersuchen, die Konsumenten gegen ein Entgelt anonym abgeben. Für 70 Mark konnte damals per Nennung eines Codewortes die chemische Zusammensetzung der eingereichten Drogen telefonisch erfragt werden. Entdeckten die Analysten gefährliche Beimischungen oder ungewöhnlich hohe Dosierungen, wurde vor der jeweiligen Droge mit einer genauen Beschreibung auf Flyern, der Webseite der Giftinformationszentrale Bonn und im Rundbrief der Aidshilfe gewarnt.

Doch im Juli 1996 schritt die Polizei ein und durchsuchte die Räume des Vereins "Eve and Rave", der das Drugchecking-Programm koordinierte, kurz darauf auch das landeseigene gerichtsmedizinische Institut der Charite, in dem die Analysen durchgeführt wurde. Obwohl sowohl das Amtsgericht Tiergarten als auch das Landgericht Berlin die Eröffnung einer Hauptverhandlung ablehnten, weil sie keine illegale Handlung erkennen konnten, traute sich auf Jahre niemand mehr an eine Neuauflage des erfolgreichen Projekts.

Dabei ist es in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Portugal und Tschechien gang und gäbe Drogen zu testen. Das Drugchecking ist dabei meist eng mit Beratungs- und Ausstiegsangeboten verknüpft - so ist das auch im neuen Konzept für Berlin vorgesehen. "Dadurch erreichen wir Hoch-Risikokonsumenten, die sonst nie mit dem Drogenhilfesystem in Kontakt gekommen wären", sagt Alexander Bücheli, der in Zürich für das Drugchecking und weitere Präventionsangebote zuständig ist. Er hält es aktuell für wichtiger denn je, Drugchecking anzubieten, denn, "die Zahl der unerwarteten Substanzen hat seit vergangenem Sommer exponentiell zugenommen".

Das ist auch den Vertretern der Drugchecking Initiative Berlin Brandenburg bewusst, die deshalb ihr Projekt mit Nachdruck vorantreiben. Derzeit laufen Gespräche mit dem Senat, wie ein Modellprojekt gestaltet sein könnte. Die Erfolgsaussichten sind aber wohl stark vom Ausgang der nächsten Wahl abhängig. Denn in der Union sieht man das Projekt nach Aussage des ehemaligen Gesundheitssenators und Abgeordneten Peter Luther eher kritisch. "Wenn man Drogen straffrei auf Gefährlichkeit prüfen kann, vermittelt das die Botschaft, dass sie danach weniger oder ungefährlich seien, das wäre das völlig falsche Signal."

Den Erfahrungen aus der Schweiz zufolge sind die Sorgen jedoch unbegründet. Bei der Auswertung von 1.300 Fragebögen, die im Rahmen des Drugchecking ausgefüllt worden sind, erfuhren die Züricher laut Bücheli, "dass Personen mit Drugchecking-Erfahrung generell zu einem risikoärmeren und bewussteren Konsum tendieren".

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11 Kommentare

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  • N
    Nana

    Es ist echt zum brechen. Die Geldgier scheint auf allen Märkten keine Grenzen zu kennen. Man will nicht glauben, auf was für Ideen die Leute kommen, um ihr Weed schwerer zu machen und Gewinnbringender zu verkaufen. Neben Blei, Zucker und anderen Wiederlichkeiten werden auch noch Hormone auf die Pflanzen gesprüht o. komplett getaucht. Beispiel: Brix eine Mischung aus flüssigem Plastik, Zucker und Hormonen. bin fast sicher, das die Hormone beigesetzt werden um das Suchtpotenzial der Konsumenten zu steigern, da ich feststellte das der "Schmacht" nach dem rauchen meist noch stärker war, dazu kommen Husten, Halsschmerzen, Schmerzen in der Brust, Übelkeit und Kopfschmerzen. Plastik und Zucker sind neben Blei extrem schädlich für Lunge und Bronchien.

    Passt auf was ihr kauft und guckt es euch genau an.

    Brix: sehr schwer und feucht bis sehr trocken, xtreme verklebung d. Blüten durch den Zucker, meist sieht man sogar kleine Plastik- o. Silberstreifen an den Blüten. Ich will keine gepanschte Scheiße mehr!!! Legalisierung jetzt!!!

  • S
    snui

    das blei wird während der 2 monatigen blütephase auf die blüten aufgetragen, auch gezielte auftragung von phosphor-kalium düngern auf die blüten findet statt

    es ist kaum zu erkennen die die pflanzen das aufnehmen, die blüten wachsen ja fast kontinuierlich und sondern dabei neues harz ab, die streckmittel verschwinden in der blüte!

     

    naja unsere regierung meint ja wir sollen halt einfach nicht kiffen, weil dann haben wir das problem nicht...

    tyranei der massen - super sache!

  • AU
    A und O

    @ Daniel W:

    Wenn man Gras mit Blei streckt wird es schwerer, dadurch bekommt man als Händler mehr Geld, da ja nach Gewicht bezahlt wird.

     

    P.S.: Legalisierung, sofort!

  • VN
    Vincent Neiweiß

    an daniel W.

     

    Mit besprühen mit bleihaltiger Lösung wird das Gewicht erhöht.

    Der Milzbrand wird keine Absicht gewesen sein aber wer weiss, wie in Helmand Heroin gekocht wird, wundert sich das da nicht noch mehr Krankheiten auftauchen

  • H
    Harald

    1. "Links" und "Rechts" könnt ihr gleich mal aus eurem politischen Wortschatz streichen.

     

    2. Selbstredend müssen alle Drogen legalisiert werden, dann macht der Staat mehr Geld und die Organisierte Kriminalität nur noch die Hälfte (50% Drogen / 50% Frauenhandel). Ein paar Junkies wird es dann immernoch geben, aber wenigstens haben wir dann aus dem Drogenhandel locker das Geld um deren Therapie zu bezahlen und noch ne Menge oben drauf - es ist also in jedem Falle besser alle Drogen zu erlauben.

     

    3. Gras für den deutschen Markt kommt in den aller-aller-aller-seltensten Fällen aus Jamaica, in den aller-aller-aller-meisten Fällen wird das vor Ort angebaut - ist am sichersten und bringt die höchste Gewinnspanne.

  • H
    Hoast

    Wenn eine Repression auf klar nachweisbaren Lügen und Rassismus beruht, sind dann nicht alle, die diese Repression rechtfertigen Lügner und Rassisten?

     

    Das Hanfverbot ist nicht zu akzeptieren!

     

    Ich lasse mir von Pfosten nichts vorschreiben.

  • DW
    Daniel W.

    Kann mir jemand erklären, welchen Sinn es hat Drogen mit Blei oder gar Milzbrand zu strecken?

  • E
    Ex-User

    Blei als Streckmittel für Gras!?! Wie soll ich mir das vorstellen? N' mit bleiernen Kugeln geschmückter Christbaum?

     

    70,-€ für 'ne Untersuchung ist aber völlig unrealistisch. Der Durchschnittsuser ist froh, wenn er 'n Zehner für sein Dope zusammenbekommt. Wochenlang auf die Ergebnisse warten wird er auch nicht.

     

    Ich bin der Meinung, sämtliche Drogen sollten legal gegen Rezept in der Apotheke zu beziehen sein. Nur so kann man gute Qualität und ein Austrocknen des Drogenmarktes garantieren.

  • J
    Jannis

    Na Vic wie soll man sich das Vorstellen? Frisch geerntet? Wie soll das denn rauchbar sein? Ohne zu trocknen kannst maximal nen Teechen draus kochen. Aber Hauptsache mal nen unqualifizierten Beitrag abgegeben... den Wahrheitsgehalt deiner Aussage kann man sich ja denken.

     

    Wer Gras kauft ist meiner Meinung nach selber schuld wenn er Vogelsand mitraucht, der Spaß die Gewinnspanne zu maximieren hat sich auch bei unseren halb-legalen westlichen Nachbarn zu einem Sport entwickelt und dort unterliegt zumindest der Verkauf einer gewissen Kontrolle.

     

    Also Knowhow anlesen und selber machen, dann wissts Ihr auch was drin ist und müsst nicht zum Türken an der Ecke.

  • T
    tillio

    " "Wenn man Drogen straffrei auf Gefährlichkeit prüfen kann, vermittelt das die Botschaft, dass sie danach weniger oder ungefährlich seien, das wäre das völlig falsche Signal." "

     

    Wenn Menschen durch ein Konsumgut Gefahr laufen, körperlichen Schaden zu erleiden,

    weil die Herstellungskette unkontrolliert und völlig

    kapitalgesteuert abläuft, währe es doch logisch, die Herstellunkskette

    zumindest etwas kontrollierter und weniger kapitalgesteuert zu

    organisieren.

    Im Falle der sogenannten 'Drogen' währe das analog dem Trinkalkohol und den Fuselölen.

    Vorrausgesetzt, dieses Thema würde sich an den Bedürfnissen der Menschen

    orientieren und nicht an irgendwelchen Parteiprogrammen.

     

    Ähnlich wie Schimmel am Geruch erkennbar, lassen sich solch komisch surreal menschenfeindliche Aussagen wie oben immer wieder den selben Personen

    zuordnen.

    Am dichtesten versammeln sich diese in der rechts-konservativen 'Szene'

    in der jeweiligen Partei. Meist CDUCSU; leider nicht nur dort.

  • V
    vic

    Ich habe auf der schönen Insel Jamaica frischgeerntetes Gras geraucht. Das hat mit dem, was wir in D dafür halten aber auch gar nix zu tun. Klar, dass das für den hießigen Markt gestreckt wird.

    Das ist lange her, und es ist sicher nicht besser geworden.