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Kommentar AtomlobbyEine Drohung, die keine ist

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die Bundesregierung ist jetzt gut beraten, dem Lobbydruck der Atomstromer standzuhalten – und die Brennelementesteuer wie geplant zum nächsten Jahr einzuführen.

W as für eine bizarre Situation. Da betreiben Unternehmen ein Gewerbe, das von einem großen Teil der Bevölkerung eher als Übel denn als Wohltat empfunden wird - und plötzlich drohen sie damit, ebendieses Gewerbe zurückzufahren, wenn die Politik nicht nach ihrer Pfeife tanzt.

Die Atomwirtschaft muss schon ziemlich betriebsblind sein, um die Absurdität zu verkennen. Die Branche lebt offensichtlich in einer Scheinwelt und glaubt immer noch, sie beglücke mit ihrem Tun die Menschheit - aller ungelösten Entsorgungsfragen, aller Strahlenrisiken und aller sozialen Ausbeutung in den Uranminen zum Trotz.

Absurd ist auch die Ankündigung der Konzerne, sie würden nach Abschaltung der eigenen Meiler Strom aus dem Ausland importieren. Denn auch diese Drohung geht an der Realität vorbei: Deutschland erzeugt seit Jahren deutlich mehr Strom, als es benötigt. Im ersten Halbjahr 2010 entsprach der Überschuss jener Menge, die in acht Atomkraftwerken erzeugt wurde. Also wäre Deutschland in den letzten Monaten selbst mit nur 9 statt 17 Atommeilern nicht vom Stromimport abhängig gewesen (und das, obwohl die Monate, nebenbei bemerkt, sogar unterdurchschnittlich viel Windstrom brachten). Diese Entwicklung geht weiter: Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien steigt der deutsche Exportüberschuss seit Jahren. Das Horrorbild, Strom komme infolge des Ausstiegs von ausländischen Schrottreaktoren, ist pure Volksverdummung.

taz

Bernward Janzing ist Autor der taz.

Solche Manöver entspringen der schier grenzenlosen Verzweiflung, die in den Chefetagen der großen Stromkonzerne inzwischen herrscht. Denn plötzlich beginnen die Unternehmen zu erahnen, was in den siebziger Jahren durch die Antiatombewegung begann, was in den achtziger Jahren durch Tschernobyl beflügelt und was in den späten neunziger Jahren durch Rot-Grün politisch verankert wurde. Die Atomkonzerne spüren, dass der Wunsch nach einem Ausstieg aus der Atomkraft keine Episode einer einmaligen Bundesregierung war, die vorbeigeht wie eine Sommergrippe. Sie spüren, dass diese Gesellschaft den Ausstieg will - und sie wollen es trotzdem nicht wahrhaben.

Dass die Konzerne sich so sehr an diese alte Technologie klammern, erklärt sich durch eine Analyse der Firmenzahlen. Beispiel EnBW: Von 21.000 Mitarbeitern des Konzern arbeiten weniger als 9 Prozent bei der EnBW Kernkraft GmbH. Gleichzeitig werden auch nur 15 Prozent des Konzernumsatzes mit Stromerzeugung und -handel generiert. Bei 59 Prozent Anteil der Atomkraft am Erzeugungsportfolio tragen die Reaktoren folglich mit weniger als 10 Prozent zum Firmenumsatz bei. Damit ist die Erzeugung von Atomstrom, gemessen an den Umsatz- und Mitarbeiterzahlen, nur eine marginale Sparte in einem riesigen Konzern.

Gleichwohl trägt der Atomstrom zu rund zwei Drittel zum Konzerngewinn bei - und das ist der Grund, warum die Atomlobby sich gerade so richtig in Fahrt bringt. Wer mit nicht einmal 9 Prozent seiner Mitarbeiter fast 70 Prozent seines Gewinns einfährt, der wird um diese Abteilung kämpfen - das ist verständlich.

Solche Zahlen veröffentlicht EnBW zwar nicht offiziell, doch man kann sie errechnen: EnBW-Chef Hans-Peter Villis hat selbst vorgerechnet, dass die geplante Brennelementesteuer den Gewinn des gesamten EnBW-Konzerns um rund 40 Prozent reduzieren würde. Da die Bundesregierung aber nur 60 Prozent der Zusatzgewinne abschöpfen will, hieße das, dass die Atomkraft rund zwei Drittel des Konzerngewinns liefert. Das muss man sich vor Augen halten, wenn mal wieder über die Laufzeiten diskutiert wird.

Entsprechend kämpft die Atomwirtschaft nun mit Macht dafür, diese Gelddruckmaschine zu erhalten. RWE-Manager sprachen kürzlich sogar davon, die Brennelementesteuer sei eine "grundgesetzwidrige Enteignung", was auch wieder eine ziemlich absurde Weltsicht offenbart. Es sind die hilflosen Töne einer Branche, die noch nicht begreifen will, dass ihr Produkt von der Gesellschaft mehrheitlich nicht mehr gewünscht wird.

Damit ist wieder die Politik gefragt: Die Bundesregierung ist jetzt gut beraten, dem Lobbydruck der Atomstromer standzuhalten - und die Brennelementesteuer wie geplant zum nächsten Jahr einzuführen.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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12 Kommentare

 / 
  • BG
    Bürger G.

    @Passant: "...Forsa-Umfrage für den FOCUS sagten 81 Prozent der Befragten, auf Kernenergie könne nicht völlig verzichtet werden"

     

    ;-)

  • M
    mueller

    @Passant

     

    Viel wichtiger als irgendwelche Umfragewerte war

    doch die Frage nach Deckung des Grundlastbedarfes.

    Hierzu leider erwartungsgemäss keine Antwort.

  • A
    Amos

    Die "Kapitalos" haben sich hier das Drohen angewöhnt,weil sie wissen,dass sie dieser Pseudo-Demokratie das Fürchten lernen können. Was man nicht kaufen kann, bedroht man. So machen es auch die Mafiosis. Wenn man noch Strom an Nachbarländer abgeben kann- was ja ein gutes Geschäft ist- dann ist es doch ein Witz zu behaupten, man brauche diese "Atombomben", sonst würde in Deutschland die Energie knapp.

  • PF
    Peter Funk

    Wer hat nur das Wort "Brennelementesteuer" erfunden? Das ist Irreführung. Besser wäre "Strahlungsabfallsteuer". Jeder muß wissen, dass der Atommüll Tausende von Jahren strahlen und gefährlich sein wird. Die Steuer kann dann gar nicht so hoch sein, dass sie diese zukünftigen Kosten jemals abdecken würde. Das muß kommuniziert werden.

  • V
    vic

    Punkt eins:

    Das Angebot der Atomkonzerne annehmen.

    Punkt zwei:

    Deren Vermögen einziehen, um damit zumindest zum Teil, Rückbau und "Entsorgung" zu finanzieren.

     

    Stattdessen haben sie jetzt Röttgen rausgedrückt, der soll nun den Rüttgers machen.

  • P
    Passant

    Sehr geehrter Bürger G.,

     

    mal weg von der Pro/Contra-Atomkraft, scheint sich bei Ihnen selbst die Befangenheit ihren Weg in die Argumentation gebahnt zu haben und muss wohl einige Prozente bei der Umfrage (welchen Institutes?) drauf geschlagen haben.

     

    Um künftig Ihren Kommentaren mehr Seriösität und Aussagekraft zu verleihen, empfehle ich, bei statistischen Angaben auch immer eine Quelle zu nennen.

     

    Folgender (von Energiekonzernen in Auftrag gegebenen) Emnid-Umfrage nämlich, spricht die Bevölkerung sich FÜR die weitere Nutzung von Atomenergie aus bei:

     

    -einer endgültigen Lösung zur Endlagerung der Atomabfälle(!): 61%

     

    Und die generelle Einstellung zu Kernenergie (drittes Tortendiagramm) sind es 40% FÜR und 50% GEGEN die Kernenergie...10% enthalten sich dem. Von Ihren 80 % lese ich in der gesamten Statistik nichts. Hier nochmal zum nachlesen:

     

    http://www.kernenergie.de/kernenergie/documentpool/Themen/Umfrage_Kernenergie_DAtF_tnsEmnid_201006.pdf

     

    Wäre der Spruch nicht so altbacken, würde ich nun mit "Wer im Glashaus sitzt..." beginnen. Tue ich aber nicht.

     

    Mit freundlichen Grüßen

  • BG
    Bürger G.

    @theofriedrich:So dumm ist also deine kleine Welt. Du setzt Atom-Lobby mit "rechten" Hartlinern gleich: Pfui teufel bist Du armselig!

  • T
    theofriedrich

    Es wäre zu schön,

    doch hier einmal eine Verschwörungstheorie: Da haben sich ein paar rechte Hardliner und die A-Lobbby eine Strategie erdacht, um der B-regierung einen Weg aus der ungeliebten Beschlußlage zu ebnen?

     

    Die Volksverdummung nach dem Motto "wann gehen hier die Lichter aus? Wir werden zum Entwicklungsland" läßt sicher nicht lange auf sich warten.

     

    Schön, wenn es nicht so ist!

  • M
    mueller

    "Deutschland erzeugt seit Jahren deutlich mehr Strom, als es benötigt."

    - Aber wann?

    In ein Stromnetz muss jederzeit gerade genau soviel eingeleitet

    wie entnommen werden. Die Bruttostromerzeugung betrug in D

    in 2009 ca. 600 TWh. Davon entfallen auf Braunkohle 24,5% und

    auf Kernkraft 22,6% , womit 95% des gesamten Grundlastbedarfes

    gedeckt sind. Der Grundlastbedarf entspricht dem kontinuierlich

    zu erzeugenden Strom (24h/365d). Weder Solar- noch Windstrom

    sind grundlastfähig sondern fluktuativ. Wie wollen Sie also in

    Zukunft 135 TWh (Kernenergie) pro Jahr erzeugen, um den

    Grundlastbedarf zu decken, wenn alle Kernkraftwerke vom Netz

    genommen werden?

  • V
    vic

    Vielleicht würde der Regierung zwecks Meinungsfindung eine leichte fall-out verseuchte Brise von den Schwelbränden rund um Tschernobyl nicht schaden.

  • BG
    Bürger G.

    Lieber Bernward, das ist mal wieder ein Kommentar von Ihnen der zum lachen wäre, wenn ihre Befangenheit nicht so extrem traurig wäre!

    Wie kommen Sie darauf, dass niemand die Atomkraft haben möchte?: je nach Umfrage sind über 80 % der Menschen in diesem Land FÜR Kernenergie!

    Wie kann man sowenig Ahnung von Energieversorgung haben und gleichzeitig ständig dümmliche Artikel gegen die Atomkraft schreiben, wenn man die einfachsten Zusammenhänge nicht versteht oder eben wie im Kampfblatt TAZ nicht verstehen will, aus einfacher Propaganda wegen: Es gibt eine Grundlast und diese decken Kernkraftwerke zu 2/3 in Deutshcland ab. Die Menge des Exportierten Stroms entspricht zufälligerweise auch genau der, die Windkraftwerke und Sonnenkraft erwirtschaftet! Sprich, diese Energie brachte man nicht in Deutschland, weil sie zu den ungünstigsten zeiten anfiehl!

    Wenn mit Bernward endlich mal erklären würde, wie er aus der zufallsenergie Wind und Solar einen co2freien Grundlaststrom erzeugt und das mit vorhandener technik in den nächsten 3 jahren, dann kann er gerne Atomkraftwerke abstellen....

    .....leider fehlt ihm dazu der technische horizont, denn er hat seine Meinung und Tatsachen verwirren nur ;-)

  • JV
    Jenseits von Böse

    Schöner Kommentar, gute Rechnung, falsche Schlussfolgerung. Die "Politik" sei gefordert? Also die Schmiermaxen der Atomlobby? Wenn die an der Brennelementsteuer festhalten, geben sie der Energiewirtschaft im Austausch verlängerte Laufzeiten - alles andere würde mich wundern.

     

    Es wäre unpolitisch, seine Hoffnung plötzlich auf Politiker zu setzen, die nichts können ausser Klientelpolitik, die sie mit einem tiefen Griff in unsere Taschen bezahlen.

     

    Nein, wir müssen selber ran: den Stromanbieter wechseln, weg vom Atomstrom. Und wer Geld hat, investiert bitte in erneuerbare Energien.

     

    Den von einer breiten Mehrheit getragenen Atomkonsens will Schwarz-Gelb erklärtermaßen aufkündigen, da wird nur noch um den Anteil gefeilscht. Aber mit dem Erneuerbare Energien-Gesetz sind Fakten geschaffen worden: So viele Windräder, dass der Atomstrom nur noch mit mafiösen Tricks verkäuflich ist.

     

    Weiter so!