Ole von Beust: Abgang eines Strategen
Ole von Beust bescherte der Hamburger CDU ein Jahrzehnt lang Regierungsverantwortung und Senatsposten. Nicht nur bei der Auswahl derjenigen, die ihm dabei helfen durften, hatte er stets einen Plan.
Die letzten Tage als Hamburger Bürgermeister verbrachte er damit, nachzujustieren: In ungezählten Interviews warf Ole von Beust da einen Blick zurück, interpretierte die eigene Amtszeit, sich selbst und seinen Abgang, strickte noch ein wenig an der eigenen Legende. Die historische Leistung des Ole von Beust, das sieht auch er selbst so, ist vor allem diese: Im traditionell SPD-regierten Hamburg seine Christdemokraten an die Macht gebracht und ein Jahrzehnt lang dort gehalten zu haben – um jeden Preis.
1997 noch gescheitert, setzte der CDU-Spitzenkandidat vier Jahre später alles auf die Karte Ronald Barnabas Schill. Angesichts keiner Chance auf eine eigene absolute Mehrheit wertete von Beust den Rechtspopulisten im Wahlkampf auf, indem er Schill für ministrabel erklärte und ihm, sollte es gemeinsam reichen, das Innenressort anbot.
Derart hoffiert holte Schill fast zwanzig Prozent der Stimmen. Von Beusts Strategie ging auf: Trotz Verlusten für die CDU reichte es zusammen mit Schill und der FDP. Einzig „Mittel zum Zweck“ sei Schill damals gewesen, sagt von Beust heute: „Nur so konnten wir die Jahrzehnte währende SPD-Herrschaft brechen“.
wurde am 13. April 1955 als Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust in Hamburg geboren. Er studierte Jura und arbeitete als Rechtsanwalt.
1978 wurde er mit 23 Jahren jüngster Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft.
Hamburgs Erster Bürgermeister wurde er am 31. Oktober 2001. Die Koalition aus CDU, FDP und Schills Partei rechtstaatliche Offensive zerbrach vorzeitig.
Die absolute Mehrheit errang von Beust mit 47,2 Prozent bei der Neuwahl im Februar 2004.
Einen Koalitionspartner brauchte die CDU dann 2008: Am 7. Mai wählte die Bürgerschaft von Beust zum Regierungschef der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene.
Wer nach bei Ole von Beust nach substantiellen politischen Positionen sucht, hat es schwer. Dass er die taktischen und strategischen Finessen des politischen Geschäfts beherrschte wie kaum ein anderer, steht außer Frage. Als der Schill seine Schuldigkeit getan hatte, wurde der CDU-Politiker ihn elegant wieder los: Schills angebliche Drohung, den Bürgermeister als homosexuell zu outen, nutzte Ole von Beust zum Anlass, den einstigen Steigbügelhalter vor die Tür zu setzen.
Prompt wurde ausgerechnet von Beust als der Mann gefeiert, der die ehrwürdige Hansestadt von der Schillschen Plage befreit hatte. Zudem wurde en passant, so bekennt von Beust heute, „das Thema meines Schwulseins enttabuisiert und das Leben für mich einfacher“. Der Lohn für diesen Doppelschlag: Nach den Neuwahlen im Jahre 2004 blieb Ole von Beust Hamburger Bürgermeister, und das mit einer absoluten Mehrheit im Rücken. Schill und die Seinen verschwanden in der Versenkung.
Als sich 2007 ankündigte, dass diese absolute Mehrheit der Union nicht zu halten war, begann von Beust die Hamburger Grünen zu hofieren: Teils argwöhnisch musste die Grün-Alternative Liste mitansehen, wie von Beust nicht müde wurde, sie als zukünftigen Koalitionspartner zu umgarnen. Und wieder ging seine Rechnung auf: Noch ehe nach der Wahl über eine rot-rot-grüne Regierung – die über eine absolute Mehrheit verfügt hätte – überhaupt nachgedacht werden konnte, brachte von Beust die zunächst noch zaudernden Grünen mit weitgehenden Zugeständnissen auf Koalitionskurs.
In dieser Öffnung zu den Grünen liegt zugleich der Keim des Niedergangs der CDU: Während die Grünen-Basis das schwarz-grüne Bündnis erstaunlich gelassen aufnahm, wandten sich immer größere Teile der CDU-Anhängerschaft von ihrer Partei ab. „Ich bin linker geworden“, bekannte von Beust unlängst in einem Interview – ein Weg, auf dem ihm viele seiner Wähler offenbar nicht folgen mochten.
Zur entscheidenden Frage wurde die Schulreform, die das bildungspolitische Lieblingskind der Konservativen ins Visier nahm: Das Gymnasium sollte um zwei Jahre verkürzt werden, zugunsten einer sechs Jahre gemeinsamen Lernens ermöglichenden, vorangehenden Primarschule: Statt nach Klasse 4 sollten die Hamburger Kinder erst nach Klasse 6 auf Schulformen sortiert werden. Früh merkte von Beust, dass diese Reform bei seiner eigenen Klientel nur dann eine Chance haben würde, wenn er das Thema zur absoluten Chefsache machen würde. Und so wurde aus dem Bürgermeister, der sich für Bildungsfragen nie sonderlich interessiert hatte, ein glühender Vorkämpfer für das Hamburger Primarschulmodell.
Doch nicht mal dieser persönliche Einsatz reichte aus: Während in der Partei nur verhalten über den Schulkurs gemurrt wurde, konnte der Rechtsanwalt Walter Scheuerl mit seiner Volksinitiative „Wir wollen lernen“ den ausgeprägten Widerwillen auch in der CDU-Wählerschaft mobilisieren. Als seine „größte Niederlage“ bezeichnet der scheidende Bürgermeister die desaströse Niederlage beim Volksentscheid über die Primarschule.
Aber sogar Ole von Beusts Abgang erfolgt nun zum strategisch richtigen Zeitpunkt: Das schwarz-grüne Projekt ist – das zeigen die vergangenen Tage – auch ohne seinen Baumeister gefestigt. Die Hamburger CDU allerdings darf sich allen Umfragen zufolge wenig erhoffen, wenn in zwei Jahren das nächste Mal die Hamburgische Bürgerschaft gewählt wird. „So lange im Amt zu bleiben, bis man abgewählt wird“, verriet von Beust kurz vor seinem Rücktritt der taz, „ist auch nicht erstrebenswert.“
Diese Erfahrung überlässt er lieber seinem Nachfolger.
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