Zum Start der US Open: Federer gibt sich siegessicher
Nach einem enttäuschenden Jahr will der Tennisprofi bei den US Open beweisen, dass er nichts von seiner alten Stärke verloren hat. Ein neuer Trainer soll ihm dabei helfen.
NEW YORK CITY taz | Hat er oder hat er nicht? Ist er wirklich in der Lage, ganz lässig im schnieken Anzug aus sechs, sieben Metern Entfernung mit einem Aufschlag jemandem eine kleine Trinkflasche aus Aluminium vom Kopf zu schießen? Die Frage scheint eine Menge Leute zu beschäftigen. Mehr als sechs Millionen Klicks im Internet für seinen Kunstschuss in der besten Tradition des Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell deuten darauf hin, und das Interesse ist so groß, dass der Meister selbst nur staunen kann. "Damit hätte ich nie gerechnet", sagt Roger Federer, "freut mich."
Der kleine Film für einen Werbepartner wurde vor ein paar Wochen in Zürich gedreht, und gemessen an der Zahl der Klicks muss man sagen: Das war der Coup des Jahres. Mit der Frage echt oder nicht wendet man sich am besten an Federers Kollegen, was allerdings zunächst nicht zur großen Erleuchtung führt; viele behaupten, das Video nicht gesehen zu haben.
Der Schotte Andy Murray, ein Freund der klaren Worte, versteckt sich hingegen nicht hinter scheinbarer Ahnungslosigkeit. "Glauben Sie, das sei real?", fragt er zurück und grinst. "Allen Ernstes? Ich mag die Werbung, sie ist lustig. Aber in keinem Fall ist das Ding echt."
Wie auch immer; fest steht, dass der virtuelle Erbe des alten Tell nicht mit einem einzigen Schuss jenen Titel gewinnen wird, um den es nun bei den US Open geht. Und fest steht auch, dass die Einschätzung, ob dies ein gutes oder eher mittelmäßiges Jahr in Federers glorreicher Karriere war, maßgeblich vom Gewinn dieses Titels abhängen wird, den er zwischen 2003 und 2008 fünfmal in Folge gewonnen hatte.
In einem Interview mit der BBC sagte er kürzlich, 20 Grand-Slam-Titel seien ein schönes Ziel. Den 16. und bis dato letzten gewann er Ende Januar bei den Australian Open, auf eine höchst überzeugende Art im Finale gegen Andy Murray. Doch die Niederlagen des Sommers, vor allem im Viertelfinale der French Open gegen Robin Söderling und im Viertelfinale von Wimbledon gegen Tomas Berdych, hinterließen Spuren; vor allem bei den anderen, die sich größere Hoffnungen als früher machen.
Federer versichert, alles im Griff zu haben, denn er kenne die Gründe für die Niederlagen. Er sei nicht immer gesund gewesen und habe auch gespielt, wenn es besser gewesen wäre, darauf zu verzichten. "Wenn die Leute dann denken, oh, er ist nicht mehr derselbe wie früher, dann kann ich nur sagen: Das ist nichts Neues. Und ich hab ja wirklich bei ein paar Turnieren nicht so gespielt wie sonst."
Nach einem Urlaub mit der Familie am Mittelmeer und der traditionellen sommerlichen Trainingseinheit Ende Juli geht es ihm wieder gut, und dass er vor gut einer Woche mit einem Sieg im Finale des Turniers von Cincinnati gegen den Amerikaner Mardy Fish den zweiten Titel des Jahres gewann, ziemlich genau ein halbes Jahr nach dem Gewinn des ersten seinerzeit in Melbourne, sieht er als gutes Zeichen.
Aber vielleicht wird eine andere Begegnung dieses Sommers von nachhaltigerer Wirkung sein. Nachdem er sich zunächst im Training eine Testphase mit dem Amerikaner Paul Annacone, 47, gegönnt hatte, steht nun fest, dass der Coach festes Mitglied im Team sein wird. Annacone, früher selbst Profi, genießt in der Branche einen exzellenten Ruf, den er sich in der Zusammenarbeit mit Pete Sampras (1996 bis 2002) und dem Briten Tim Henman (2003 bis 2007) erworben hatte. Es sei einfach schön, eine andere, frische Stimme im Team zu hören, sagt Federer, und die Chemie stimme auch im Dreieck mit Severin Lüthy, dem langjährigen Freund, Begleiter und Coach.
In der Night Session des ersten Tages wird sein Weg bei den US Open 2010 gegen den kaum bekannten Argentinier Brian Dabul beginnen, und wenn alles gut geht, würde er gern am Ende dieses Weges der aktuellen Nummer eins des Tennis begegnen, Rafael Nadal. Fast überall auf der Welt haben die beiden bisher gegeneinander gespielt, aber noch nie in der großen Stadt.
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