Betroffene kritisieren geringe Erhöhung: Viel Ärger um fünf Euro
Arbeitslose kritisieren die knapp bemessene Erhöhung des Regelsatzes. Einzelne Posten etwa für Verkehr oder Gesundheit seien zu niedrig angesetzt, sagen Betroffene.
Am deutlichsten wird ein Hartz-IV-Empfänger, der den Roller seiner Freundin vor dem Jobcenter in Friedrichshain-Kreuzberg parkt. "Die fünf Euro kann sich Frau Merkel in den Arsch schieben", schimpft er über die neuen Berechnungen des Arbeitslosengelds II, die die Bundesregierung am Sonntag bekannt gegeben hat. Eine junge Arbeitslose mit Strickmütze, die gerade ihr Fahrrad aufschließt, sieht das ähnlich. "Das ist einfach nur lächerlich. Das hätten sie sich auch schenken können."
In Berlin hagelt es am Montag Kritik für die schwarz-gelbe Reform des Hartz-IV-Regelsatzes. "Armut wird nicht abgemildert, Armut wird verschärft", so Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. Die Erhöhung um fünf Euro gleiche noch nicht einmal den Preisanstieg seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 aus. Als "klare Ohrfeige" für die Betroffenen wertet auch Frank Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum BALZ die Reform.
Steger hat sich die einzelnen Posten der Berechnung genauer angeschaut. "Eine Schülerkarte kostet 26 Euro. Für den Verkehr sind für einen Jugendlichen aber nur 12,62 Euro vorgesehen. Wie soll das gehen?" Bei den Erwachsene sieht es ähnlich aus: Für ein ermäßigtes Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr muss man 33,50 Euro zahlen. Im neuen Regelsatz sind dafür lediglich 22,78 Euro eingeplant.
"Das Geld für die Gesundheit ist zu wenig", bemängelt der Rollerfahrer vor dem Jobcenter. Er habe sieben Bandscheibenvorfälle gehabt und müsse sich regelmäßig strecken lassen, erzählt der gebürtige Schwabe. "Allein im letzten Monat musste ich 35 Euro für die Behandlung zuzahlen." Das Arbeitsministerium teilt den Hartz-IV-Empfängern für die Gesundheitspflege im Monat 15,55 Euro zu.
Lebensmittel sind im neuen Regelsatz mit 128,46 Euro pro Erwachsenem eingeplant. "Essen kaufen wir bei Netto, Aldi oder Lidl. Fleisch gibt es selten", berichtet eine 36-jährige Hartz-IV-Empfängerin, die mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann in einer Kreuzberger Zwei-Zimmer-Wohnung lebt. Sie ist gelernte Tischlerin, das Ethnologiestudium hat sie abgebrochen. Über den Posten für Klamotten und Schuhe - 30,40 Euro im Monat - kann sie nur lachen. "Dafür bekommt man nicht mal ein Paar Schuhe." Sie kaufe viel Secondhand. "Letztlich muss jeder selber schauen, wie er die paar Kröten verteilt."
Obwohl die Kreuzbergerin weder raucht noch viel trinkt, ärgert es sie, dass die Regierung die Kosten für Tabak und Alkohol aus dem Regelsatz gestrichen hat. "Das ist eine Bevormundung, eine Erziehungsmaßnahme, dabei sind die Betroffenen erwachsene Menschen." Es werde unterstellt, dass Arbeitslose trinken und faul vor der Glotze sitzen. "Diese Leute gibt es, aber das sind längst nicht alle."
Einen 45-jährigen Grafikdesigner aus Friedrichshain, der seine Einkünfte vom Amt aufstocken lässt, regen die Neuerungen deutlich weniger auf. "Ich finde gut, dass sie die Kosten für Zigaretten rausgenommen haben", sagt der überzeugte Nichtraucher. Ihm sei auch egal, ob der Regelsatz um fünf oder um 20 Euro erhöht werde. "Aber das Jobcenter hilft einem nicht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Das ist doch das eigentliche Problem."
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