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Kommentar "Stuttgart 21"-ProtesteDie Zeit für einen Plan nutzen

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Kaum ist Heiner Geißler im Stuttgarter Bahnhof eingetroffen, wird der bisher unverhandelbare Baustopp verkündet. Das bringt für beide Seiten eine dringend nötige Atempause.

D er neue Vermittler wird seinem Ruf gerecht. Kaum ist Heiner Geißler im Stuttgarter Bahnhof eingetroffen, wird der bisher unverhandelbare Baustopp verkündet. Das bringt für beide Seiten eine dringend nötige Atempause. Regierungschef Stefan Mappus hatte am Mittwoch im Landtag offiziell Stellung bezogen. Zum Bahnhof und seinem Nutzen brachte er nur Argumente, die von Fachleuten als falsch oder irrelevant klassifiziert werden. Auch seine Rede von der verfassungsgemäß korrekten Verfahrensweise geht an der Sache vorbei. Es handelt sich hier ja um die Korrektur einer falschen Entscheidung, mag sie rechtmäßig sein oder nicht. Auch dafür wurde die Demokratie einst erfunden. Vielleicht findet der erklärte Verfassungsdemokrat Mappus mit der Vermittlerhilfe noch einen Zugang zu diesem Argument.

Doch auch die Opposition gegen das Bauprojekt Stuttgart 21 muss nachlegen. Wie will sie inhaltlich in die Offensive gelangen? Bauherr ist die bundeseigene Bahn AG; nirgendwo in der Privatwirtschaft wird gegen den Willen des Alleineigentümers eine so folgenschwere Entscheidung durchgezogen - die Bundesregierung jedoch ist ausdrücklich für das Projekt. Aber muss sie nicht wenigstens die Verträge offenlegen lassen? Hier werden Milliarden Steuergelder ausgegeben, die der Bahn anderswo fehlen. Was sind die entscheidenden Termine dafür? Gibt es andere Varianten oder Kompromisse zwischen den geplanten Streckenführungen und einem renovierten Kopfbahnhof? Viele Fragen, wenig Antworten.

Letztlich brauchen die Gegner einen konkreten Aus- oder Umstiegsplan, dem die Bevölkerung nicht widerstehen kann. An diesem kann sich der Protest dann entlanghangeln - bis zu welchen Verhandlungs- und Wahlterminen auch immer. Auf Bahn- und Regierungsseite verhandeln Profis mit einem offensichtlich haarsträubenden, aber fertigen Plan. Wenn Geißler hier vermitteln soll, muss die Gegenseite auch einen haben.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

5 Kommentare

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  • DO
    Dieter Oetz

    Der Baustop beim Projekt Stuttgart21 würde den Projektbefürwortern und den politisch Verantwortlichen einen geordneten Rückzug aus einem erneut wiedersinnigen Prestigobjekt ermöglichen und den Blick über den eigenen Tellerand wieder freimachen.

    Beim Blick auf die Umgebungskarte von Stuttgart fällt sofort die Möglichkeit auf die Schnellfahrstrecke hinter dem Kornwestheimer Tunnel auf den vorhandenen Gleisen über Stuttgart - Bad Cannstatt direkt nach Ulm weiter zu leiten. Für den ICE- Verkehr ergäbe sich bei einer solchen Lösung eine Zeiteinsparung von ca.30- 40 Minuten und der jetzige Kopfbahnhof bliebe nach wie vor der Stuttgarter Hauptbahnhof nur eben ohne ICE- Halt. Reisende die in die Innenstadt wollen können den Schienennahverkehr oder die U- Bahn nutzen und das ohne Zeiteinbuße.

  • A
    Amos

    Ich habe von Geißler nichts anderes erwartet. Es hätte ihn viele Sympathien gekostet,würde während den Verhandlungen weiter gebaut; und man hätte ihn auch nicht mehr für "voll" genommen. Heiner ist noch einer aus der CDU als ihn derselben -zumindest- noch einige christliche Werte vohanden waren. Mit Kohl wurde das ja anders und mit Elevin Merkel ja noch schlimmer und mit der FDP zur Farce. Wenn man sich von "Geldwechslern" kaufen lässt, darf man sich nicht mehr christlich nennen.

  • J
    julius

    wenn mir mal jemand erklären könnte, warum die befürworter für stuttgart 21 so vehement dafür sind und die gegner gegen stuttgart 21 so vehement dagegen sind, könnte ich die ganze aufregung vieleicht verstehen.

     

    für eine antwort, wäre ich dankbar

  • H
    hto

    Einen Plan? Oh ja, einen Plan, denn wie jeder wissen sollte, wird die Knete sicher nicht in "Soziales" oder "Kultur" gesteckt, wenn dieses Projekt wirklich verhindert würde!?

  • N
    naraesk

    "Der neue Vermittler wird seinem Ruf gerecht. Kaum ist Heiner Geißler im Stuttgarter Bahnhof eingetroffen, wird der bisher unverhandelbare Baustopp verkündet."

     

    Na, das war wohl so doch nichts und der neue Vermittler hat lediglich ein wenig Verwirrung gestiftet. Aber an Kommunikationsproblemen hat es auch ohne einen Vermittler nicht gemangelt.