Nordkorea bei Turn-WM gesperrt: Wundersamer Verjüngungsprozess
Die Nordkoreanerin Hong Su Jong ist 1989 geboren, aber irgendwie auch 1985 und 1986. Der internationale Verband hat deshalb Nordkoreas Riege für die Turn-WM gesperrt.
BERLIN taz | Die Turnweltmeisterschaft in Rotterdam wird am Samstag ohne Sportler aus Nordkorea beginnen. Der Internationale Turner-Bund (FIG) hat den Verband mit einer Sperre belegt - wegen Manipulation. Das Alter der Turnerin Hong Su Jong wurde falsch angegeben.
Der Betrug durch Altersmanipulationen im Turnen ist nicht neu. Die Liste von Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen, die jünger waren, als es in ihren Pässen stand, ist lang. Zuletzt wurden im Februar der Chinesin Dong Fangxiao ihre Olympiamedaillen aberkannt. Zwar plädiert FIG-Präsident Bruno Grandi, der 1997 die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 16 Jahre durchsetzte, schon lange für reifere Athletinnen.
Aber ältere Turnerinnen sind zumeist auch größer und schwerer und haben deshalb nach dem geltenden Reglement nach wie vor kaum eine Chance gegen die turnenden Kinder. Nachdem die Debatten um mutmaßliche Passfälschungen der chinesischen Goldriege in Peking 2008 auch das IOC auf den Plan gerufen hatten, erfand der Turnerbund einen eigenen Pass. Festgelegt wurde, dass ab 2009 alle Turnerinnen, die bei internationalen Junioren- oder Seniorenwettbewerben teilnehmen wollen, eine vom Weltverband ausgestellte Lizenz, inklusive gültigen Geburtsdatums, vorweisen müssen.
Am 23. August ging in der Lausanner FIG-Zentrale der Antrag auf einen Turnerpass für die Nordkoreanerin Hong Su Jong ein, samt der Kopie eines Reisepasses, ausgestellt am 18. August auf das Geburtsjahr 1989. Als Ende September die Meldelisten veröffentlicht wurden, fiel Insidern rasch auf, dass Nordkorea 2004 eine Turnerin namens Hong Su Jong mit dem Geburtsdatum 1985 und im Jahre 2007 mit dem Geburtsdatum 1986 gemeldet hatte. Die Meldelisten und die Ergebnisse Hongs, die in Stuttgart 2007 Vizeweltmeisterin am Sprung wurde, waren samt der unterschiedlichen Geburtsdaten auch in der FIG-Datenbank einsehbar.
Blogger schrieben Mails an den Weltverband. Der reagierte letzte Woche mit einer provisorischen Sperre für dreißig Tage, streitet aber ab, erst durch die eingehenden Mails auf den Fall aufmerksam geworden zu sein. "Das haben wir bei der Überprüfung der Anmeldung für Rotterdam festgestellt," behauptet Generalsekretär André Gueisbuhler.
Er erklärt aber nicht, warum zwischen der Erstellung der Meldeliste und der Verhängung der Sperre fast zwei Wochen vergingen. Bleibt die Frage, warum man Hong trotz anderslautender Informationen den Turnerpass ausstellte: "Wenn wir Lizenzen ausstellen, haben wir eine Kopie der Pässe. Bei der Lizenz hatten wir den Pass Jahrgang 1989 vorliegen, aber dort wurde dann nicht weiter überprüft, leider", fügt Gueisbuhler an.
Das Beispiel zeigt, wie einfach aus einem wohl gefälschten Reisepass ein nicht minder gefälschter Turnerpass wird, genau jenes Dokument, das bei der Einführung im vergangenen Jahr als Mittel gegen Manipulationen angepriesen worden war. Offenbar reichen 45 Schweizer Franken, die jeder Verband für jede Lizenz an die FIG zahlen muss, nicht aus, um eine Überprüfung der angegebenen Daten hinzubekommen.
Auch viele Verbände empfinden den Turnerpass eher als lästig, auch wegen des administrativen Aufwandes. Im Mai dieses Jahr setzte sich im FIG-Exekutivkomitee ein Antrag durch, infolgedessen die Lizenz nur noch für Weltcups, kontinentale Meisterschaften, Weltmeisterschaften und Großereignisse notwendig ist. Vielen Trainern ist das Alterslimit eh ein Dorn im Auge: Im Frühjahr sprachen sich die russischen und rumänischen Cheftrainer dafür aus, auch jüngere Turnerinnen bei den Seniorenwettbewerben an den Start gehen zu lassen.
Warum Nordkorea seine Turnerin Hong Su Jong nun zweimal jünger gemacht hat, wird ein Geheimnis des Verbandes bleiben. Gueisbuhler nimmt an, sie sei wirklich 1989 geboren und 2004 für die Olympiateilnahme in Athen älter gemacht worden.
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