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Fettsucht breitet sich ausAfrika wird immer dicker

Die Zahl der Übergewichtigen nimmt in Afrika dramatisch zu, weil die städtische Oberschicht sich kaum noch bewegt. Jetzt hält ein Lehrer in Kenia dagegen - mit Tanzunterricht.

Fast Food und Soft Drinks werden auch in Afrika immer beliebter. Bild: reuters

Die Afrikaner werden immer dicker. Etwa 35 Prozent Übergewichtige mehr leben heute in Afrika als vor zwanzig Jahren, hat der internationale Verein für Fettsuchtforschung (IASO) herausgefunden. Fettleibigkeit und Folgekrankheiten nehmen dramatisch zu. Das Herzinstitut Ugandas prognostiziert, dass in zehn Jahren Herzversagen wegen Fettleibigkeit die wichtigste Todesursache in Afrika sein wird - vor Malaria und Aids.

In Afrikas bevölkerungsreichstem Land Nigeria sind 6 bis 8 Prozent der 140 Millionen Einwohner übergewichtig. Noch vor kurzem gab es in Nigeria sogar spezielle Heime, wo junge Frauen gemästet wurden, um ihre Heiratsaussichten zu verbessern. In Kenia, wo beinahe die Hälfte der 38 Millionen Einwohner regelmäßig hungert, gelten 12 Prozent der Bevölkerung als zu dick.

"Das sind ungefähr 4,5 Millionen Menschen mit Gesundheitsproblemen", sagt der kenianische Kinderarzt David Gitanga, spezialisiert auf Kardiologie. Fettsucht einerseits, Hunger andererseits - das sei "Afrikas doppelte Last". Vor allem in den reichen Vierteln der Städte werde zu viel Junkfood gegessen, die Menschen bewegten sich zu wenig. "Das betrifft vor allem die Jugend. Momentan leiden fünf von 120 Kindern an der schlimmsten Form der Zuckerkrankheit, vor allem verursacht durch Fettsucht. Kinder mit Herzversagen werden immer jünger."

Traditionell gelten in Afrika dicke Menschen als erfolgreich. Sie haben offensichtlich genügend Geld, um viel zu essen, und ihre Bäuche tragen sie gern zur Schau. Über Schlanke geht hingegen schnell das Gerücht um, dass sie an Aids leiden, im Volksmund Magerkrankheit genannt.

Welternährungstag

"Der ausufernde Fleischkonsum in den Industrieländern ist die Hauptursache für die außer Kontrolle geratende Fettleibigkeit und gleichzeitig für den Hunger in der Welt", erklärt die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" anlässlich des Welternährungstags am 16. Oktober. In den Industrienationen sei die Hälfte der Menschen übergewichtig, zwei Drittel der Getreideproduktion der Welt gingen in die Tierzucht. Zugleich sterben jedes Jahr 2,2 Millionen Kinder auf der Welt durch Mangel- und Unterernährung, erklärt die Deutsche Welthungerhilfe. Weltweit hungern nach UN-Schätzungen rund 925 Millionen Menschen. Das sind zwar weniger als 2009, als die Zahl der Hungernden erstmals die Milliardengrenze überschritt, aber noch immer 16 Prozent der Weltbevölkerung.

In den Städten von Südafrika, Kenia oder Nigeria greifen Fast-Food-Ketten immer mehr um sich. Gebackenes, Frittiertes und Milk Shakes sind dort relativ billig. Man geht am Wochenende zum Essen im großen Familienkreis dorthin, um sich etwas Besonderes für wenig Geld zu leisten. In Supermärkten sieht man oft, wie Kinder sich aus großen Plastiktüten Süßigkeiten in den Mund stopfen, während die Eltern einkaufen. Und während Slumkinder stundenlang mit selbstgemachten Bällen im Staub Fußball spielen, sitzen die Kinder der Wohlhabenden vor Fernsehern und Computern.

Diana Lwanda (26) wurde nie krank, "aber es war keine schöne Zeit", erinnert sich die kenianische Studentin, die jetzt schlank ist, aber früher dick war. "Ich war in einem Internat, wo das meiste Essen frittiert oder gebacken wurde. Nicht in Pflanzenöl, sondern in ungesundem Fett. Und ich war unersättlich." Der Wendepunkt war ein Tanzkurs. "Ich fand Tanzen wahnsinnig toll und wollte immer besser werden. Ich tanzte jeden Tag und es war überhaupt nicht schwer, dabei Gewicht zu verlieren. Je schlanker ich wurde, desto mehr Selbstvertrauen bekam ich."

An Dianas alter Schule arbeitet Tanzlehrer Mike Muriithi. "Ich las viel darüber, wie man in den USA Tanzen einsetzt, um dicke Kinder dazu zu bringen, sich zu bewegen", sagt er. "Schließlich ist dort die Fettsucht am schlimmsten." Kinder mit Übergewicht möchten oft keinen Sport machen, weil ihr Körper sie dabei behindert und andere Schüler sie auslachen. Aber bei Tanz ist ein fülliger Körper weniger ein Problem.

Gerade in Afrika eröffnen sich damit ungeahnte Möglichkeiten, ist sich Muriithi sicher. "Auf dem ganzen Kontinent und auf jeden Fall hier in Kenia ist Tanz ein fester Bestandteil der Kultur und der Traditionen. Bei den meisten Zeremonien wird getanzt. Wir Afrikaner tanzen von Kindheit an, bis wir nicht mehr auf den Beinen stehen können. Und es macht nichts, ob wir gute oder schlechte Tänzer sind, es ist ein Teil von uns und macht Spaß."

So besuchte Muriithi Schulen, um seine Idee zu erklären. Mittlerweile unterrichtet er an mehreren Schulen modernen Tanz, Hiphop oder Salsa. Die Schüler sind meistens begeistert. Spaß und Schweiß sind besser als Fernsehen und Computer.

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11 Kommentare

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  • D
    dudel

    @Benjamin

     

    Ein minderwertiges Protein ist z.B. Gelatine

     

    Gelatine fehlt die essentielle Aminosäure Tryptophan, es gilt nicht als vollwertiges Eiweiß.

  • S
    Suuna

    Kann mich erinnern, von diesem Problem auch schon in ugandischen Zeitungen gelesen zu haben. Denke auch nicht, dass es auf wenige Länder beschränkt ist. Allerdings stinkt die ganze Geschichte schon ein wenig nach "man bites dog": Gestern haben sie noch gehungert und heute...die Reichen beuten doch nur aus und bekommen sowieso zuviel Entwicklungshilfe...

     

    Man sollte zudem noch betonen, dass die in vielen Ländern gängige klassische Food&Soup-Kombination auch eine mächtige Form der Mahlzeit ist und man nicht alles dem Fastfood anlasten kann.

  • O
    Orisha

    Stigmatisierung und Homogeniesierung eines ganzes Kontinents sehe ich auch als großes Problem, gerade was Afrika angeht. Die Überschrift an sich geht also gar nicht, aber man sollte den Artikel auch richtig lesen: es wird darauf verwiesen, dass dies die städtischen Bevölkerungen betrifft. Ich finde, dass dieser Artikel auf ein Problem aufmerksam macht, was nun einmal den Tatsachen entspricht. Ich war selbst öfter in verschiedenen afrikanischen Ländern und habe gesehen, das gerade die städtische Bevölkerung unter Fettleibigkeit leidet. Das dieses Problem vergleichsweise gering ist gegenüber dem Hungerproblem ist klar. Ich finde nicht, dass der Artikel diesen Umstand herunterspielt. Differenziert lesen!

  • G
    Geisterhoernchen

    Solange Afrika der ärmste Kontinent der Welt ist und mit einem riesigen Anteil an den täglich 30.000 Toten aus Wassermangel und Hunger die Horrorquote anführt, halte ich so einen Artikel "Afrika wird immer dicker" für sogar brandgefährlich und polemisch!

     

    Denn er verzerrt das Bild gewaltig und das halte ich, ich sage es nochmal, damit es auch den Dümmsten für immer klar ist, für einen Fehler und Teil einer Scheindebatte wie die fehlende Integration!

     

    Angesichts der Realität in der Welt und vor allem in Afrika: Artikel in den Müll, aber mit ungeheurem Schmackes!

  • F
    Frank

    Übergewichtigkeit ist eine weltweite Epidemie, selbst Säuglinge, die allein Muttermilch trinken sind heute häufig übergewichtig. Ernährungsforscher wissen sehr genau den Grund hierfür: es ist das Verhältnis der essentiellen Fettsäuren Omega 3 zu Omega 6, welches nicht mehr, wie noch vor 40 Jahren, 1 zu 4-5 sondern heute 1 zu 25-30 beträgt, sowie der Verzehr von ungesättigten Fetten wie z.B. Palmöl. Der Omega 3-Mangel läßt die Anzahl der Fettzellen im Körper wachsen , die, wenn einmal vorhanden, nur darauf lauern sich zu füllen. Sicherlich spielt der zu große Verzehr von Süßspeisen eine Rolle, jedoch nicht die primäre Rolle. Omega 3 Mangel ist ebenfalls der Grund für viele sogenannte Zivilisationskrankheiten, für das Entstehen für chronische Entzündungsherde im Körper.

     

    Dieser Zustand könnte behoben werden, wenn der politische Wille bestände, die Art und Weise der Tierernährung wieder zurück auf eine Omega 3 haltige Kost zu bringen. Hier wehrt sich die Agrarlobby aller Länder mit Händen und Füßen, da dies eine leichte Verteuerung bedeuten würde und niedrigere Erträge.

     

    Die Fettzusammensetzung der Milch heutiger Hochleistungs-Stallkühe hat nichts mehr zu tun mit derjenigen der weidenden Kühe, ebenfalls nicht die Butter und der Käse aus dieser Milch. Dasselbe gilt für Hühnereier und viele andere Nahrungsmittel.

     

    Die Übergewichtigkeit nimmt überall dort dramatisch zu, wo sich die Menschen auf die modernen, billigen agroindustriellen Nahrungsmittel umstellen. Dies ist grundsätzlich in allen städtischen Regionen dieser Welt der Fall, in Indien, in China, in Thailand, in Afrika, Südamerika, überall. Die Menschen in diesen städtischen Regionen haben keine Wahl mehr, es gibt keine Omega 3 reiche Nahrungsmittel mehr. Ob das Esssen aus diesen Nahrungsmitteln in einem Fastfood oder zuhause eingenommen wird, ist völlig unwichtig.

     

    Schade, dass in diesem Artikel nicht auf die echte Ursache hingewiesen wird.

  • P
    puh

    oh mann.

    die taz stigmatisiert und generalisiert einen ganzen kontinent -und in diesem falle auch noch zu einem sehr prekären und diametralen thema- schon in der überschrift. was ist mit den ca.95% der bevölkerung, die "hungern" in den genannten 3 staaten bzw.bezogen auf den titel gesamtafrika?!

  • G
    guapito

    Die Welternährungssituation ist eine ekelhafte Sache und so unnötig.

    Wer z.B. hier in Deutschland jeden Tag Fleisch frisst (am besten noch das billigste vom Discounter) kann nur dumm oder ignorant sein.

  • SH
    Storch Heinar

    Die Überschrift stinkt nach kolonialen Denkmustern. Der Rest des Textes wird damit vollkommen uninteressant. Es müsste hier auf taz.de einen Autor_innen-Filter geben, damit man solch rassistisch eingefärbten Schwachsinn nicht mehr lesen muss.

  • B
    Benjamin

    @Lotte Das ist ja hochinteressant! Aber wie kommt denn das Cholesterin in den Mais, weil der hat naemlich, wie alle Planzen, gar keines:

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Cholesterin

     

    Und, das wuerde mich auch interessieren, was sind denn minderwertige Proteine?

  • L
    Lotte

    schlecht recherchiert, ich kann mich erinnern, in einem Buch einen möglichen Grund der Fettleibigkeit gelesen zu haben. Es handelte über einen Dänen der von Kanada in Richtung Mexico reiste ohne Geld und bei vielen Menschen zu Gast war. Es erklärte in den 70ern die Umständer von Übergewicht im Süden der USA. Dabei ging es nicht um hochwertige Proteine sondern eher um minderwertige Colesterine. Die Ernährung bestand meist aus Maisfladen,Maisbrot und ähnlichen. Solche Erkenntnisse fehlen hier völlig. Der Background fehlt in diesem Artikel meiner Meinung nach.

     

    by

  • MN
    Mein Name

    Afrika wird immer dicker. Oder geht es doch nur um einen kleinen Teil der Bevölkerung Kenias, Südafrikas und Nigerias? Die Homogenisierung eines Kontinents, auf dem mehr als eine Milliarde Menschen leben, ist ein Zeichen der weit verbreiteten, europäischen Ignoranz. Die tanzen da doch alle von Kindheit an und die Slumkinder spielen im Staub mit selbst gemachten Fußbällen.