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Gentests an EmbryonenKein Fraktionszwang bei Abstimmung

Bei der Abstimmung zur Präimplantationsdiagnostik soll es keinen Fraktionszwang geben. Darauf einigten sich die Spitzen von Schwarz-Gelb.

Die Ansichten zur Präimplantationsdiagnostik gehen weit auseinander. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Parlament soll "zeitnah" und in freier Abstimmung über die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) entscheiden. Darauf einigten sich die Koalitionsspitzen von Union und FDP am Dienstag.

Bei der Frage, ob künstlich gezeugte Embryonen auf Erbkrankheiten getestet werden dürfen, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden, handele es sich um eine Gewissensentscheidung. FDP, SPD und Grüne kündigten fraktionsübergreifende Gruppenanträge an.

Die CDU gibt damit ihre Forderung nach einem zweijährigen PID-Moratorium auf, mit dem sie Zeit gewinnen wollte im koalitionsinternen Streit um die medizinische Ethik. "Das ist schade", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn. Das CDU-Grundsatzprogramm erklärt die PID für unzulässig. Auch die Kanzlerin ist für ein Verbot.

Die FDP-Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach, die sich für eine Liberalisierung der PID stark gemacht hatte, sagte: "Jetzt geht es um die ethische Bewertung jedes einzelnen Abgeordneten." Bündnispartner sieht Flach "in allen Fraktionen". Die Grüne Priska Hinz, Sprecherin für Biotechnologie, hält "ein gänzliches Verbot der PID nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs für nicht haltbar".

Ähnlich äußerte sich der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach: Er befürworte "eine Liste von Erkrankungen, wofür die PID eingesetzt werden kann". Man müsse abwägen, ob PID auch zur Diagnostik von Erbkrankheiten zulässig sei, die erst nach Jahren ausbrechen. Es gebe auch Gene, die eine Erkrankung auslösen könnten, die aber nicht eintreten müsse.

Im Juli hatte der Bundesgerichtshof die PID als vereinbar mit dem Embryonenschutzgesetz erklärt und damit das bislang geltende PID-Verbot aufgehoben. Mit der Untersuchung wollen Eltern, die selbst eine vererbbare Krankheit oder die Disposition dazu haben, verhindern, ein schwerstkrankes Kind zu bekommen. Der Nationale Ethikrat ging 2003 davon aus, dass - bei restriktiven Bedingungen - jährlich in Deutschland 80 bis 100 Paare eine PID in Anspruch nehmen würden.

Die FDP rechnet damit, dass der Bundestag spätestens im Januar abstimmen wird. Offen sei, wann und ob es eine Parlamentsdebatte um ein weiter reichendes Fortpflanzungsmedizingesetz geben werde, in dem Gendiagnostik, Embryonenschutz, Stammzellforschung, ethische Arzneimittel- und Sozialgesetzgebungsfragen zusammengeführt würden.

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7 Kommentare

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  • K
    Karl

    Wofür hat man Regierung und Parlament? Sie sollen bei vertretbaren Wünschen Einzelner einen mehrheiltlich als legitim gedachten Ordnungswillen im Staat umsetzen. Ändern sich die Verhältnisse, so müssen die Gesetze angepasst werden. Vor hundert oder mehr Jahren sind erbkranke Kinder in der Regel bald gestorben. Unsere Vorfahren lebten mit der Grausamkeit der Natur. Inzwischen verlangt die hoch entwickelte Medizin nach einem humanen Ersatz des Grausamen, um nicht in starrem Ethikverhalten neue Grausamkeit produzieren zu müssen. Ein diffiziles Feld, aber es muss etwas geschehen. Wir sollten Alle darüber nachdenken, was ein Mensch, was menschliches (und tierisches) Leben ist. Menschenwürde verlangt dann m. E. auch würdevolles Verhalten, nach Können. Würde ist, was wir alle miteinander ausstrahlen. Viel Trauriges können wir mit ein bisschen Liebe mittragen, aber zu oft lassen wir Mütter allein.

  • D
    danielj

    Art. 38 GG

    (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

    http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_03.html#inhalt

  • F
    Frank

    Präimplantationsdiagnostik (PID)

     

    Gegner dieser wissschaftlichen Diagnose fuehlen sich an die nationalsozialsozialistische Rassenhygiene errinnert.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistische_Rassenhygiene

     

    Befuerworter denken an die praeventive Verhinderung von bekannten, und bereits im Embryonalstadium, "angelegten" Krankeitsmerkmalen.

     

    Das PID soll, heute, helfen.

     

    Ich bin kein Arzt und kann deshalb nur meinen Standpunkt zu dieser Angelegenheit beschreiben.

    Was ist, wie entsteht ein Abwehrsystem des menschlichen Koerpers? Kann es sein, dass gerade durch die "Konditionierung" des Genoms eine Reaktionsschwaeche, ein zeitlicher Entwicklungsvorteil der Erreger von Krankheiten, durch den Wegfall des "Lernmaterials" geradezu zum Gegenteil von Vorsorge mutiert ?

    Hier sind Aerzte und innen gefragt !?

     

    Bitte, informieren Sie uns (allgemeinverstaendlich, lassen Sie sich Zeit, und bitte so ausfuehrlich wie moeglich, der Relevanz des Themas angemesssen; S.o)

    (der Abstimmungstermin, von politischer Seite, ist bereits festgelegt!!)

  • L
    Lichtgestalt

    Finde es immer wieder lustig-grotesk, wenn Politiker scheinbar großzügig den Fraktionszwang aufheben:

    Ein Fraktionszwang widerspricht dem Grundgesetz - es darf ihn daher NIE geben.

    Wäre ungefähr so, als wenn eine berüchtigte Bankraub-Gang via Presseerklärung verkündet, für morgen, den 27.10.2010, großzügigerweise auf Überfälle zu verzichten.

  • C
    Chris

    Das ist aber großzügig von Schwarz-Gelb, dass man sich auf die Einhaltung eines Grundgesetzes einigt.

     

    Denn nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz sind die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“.

     

    Was bedeutet, dass es gar keinen Fraktionszwang geben DARF.

  • B
    Berthold

    Für mich ist es unsittlich, mit Absicht einen Keimling eines Menschen zu (er)zeugen und wachsen zu lassen, von dem man weiß oder dank Technik leicht wissen kann, dass er erbrank ist.

     

    Ein Mensch hat schon vor der Zeugung das natürliche Recht, als möglichst gesund und als herzlich willkommen gezeugt, ausgetragen und geboren zu werden.

     

    Eine Fatalismus-Lotterie nach Merkel-Art ist inhuman und verantwortungslos, denn je weniger Kranke zur Welt kommen, desto eher ist es möglich, sich dieser beim besten Willen nicht vermeidbaren Kranken gut anzunehmen.

  • A
    atypixx

    Schon im Grundgesetz steht, dass es keinen Fraktionenzwang gibt und der Abgeordnete lediglich seinem Gewissen unterworfen ist. Die politische Realität straft dies regelmäßig Lügen. Und nun soll eine Vereinbarung von Schwarz-Gelb mehr wert sein als das GG?