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Neuer "Harry Potter"-FilmDie Kindheit ist vorüber

Vorbei der Bildungstraum, hier ist das Ungewisse: David Yates' "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1" führt den Zauberernachwuchs fort von Hogwarts.

Übel verzaubert: Ralph Fiennes. Bild: dapd / warner bros.

Erwachsen zu werden ist ein Verlustgeschäft. Das lernen die gerade volljährig gewordenen Zauberschüler Harry, Ron und Hermine im neuen Harry-Potter-Film auf die harte Tour. Weil das Böse die Macht übernimmt, müssen die Freunde ihr Zuhause verlassen: das Magieinternat Hogwarts. Die drei verlieren den Schutz derer, die bisher auf sie aufgepasst haben, und sie verlieren die Gewissheit, dass diese Menschen wieder ins Lot bringen, was immer falsch laufen wird. Dafür gewinnen sie nichts als Zweifel und die Aufgabe, allein den Oberschurken Lord Voldemort zu besiegen.

Nach seiner Machtergreifung lässt der Fiesling alle Magier jagen, die nicht reinblütig sind - also von Nichtzauberern abstammen. Und die normalen Menschen sollen auch bald dran sein. Von den Gefolgsleuten Voldemorts gejagt, irrt das Trio in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" mit Zelt und Strickpullover umher und versucht herauszufinden, wie der Unhold ums Eck zu bringen sei.

Wie das genau funktionieren soll, wissen Harry und seine Freunde nicht. Albus Dumbledore, der im vorangegangenen Film getötete Chefzauberer der Guten, hat es nicht verraten. Harry zweifelt deshalb bald post mortem an seinem Mentor.

Der siebte Teil der Harry-Potter-Reihe, "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1" von David Yates, ist ein Film über das Älterwerden als Reise ins Ungewisse. Das Publikum ist mit den Helden gewachsen. Deren Kindheit ist nun endgültig vorüber. Drei kleinen Punkten gleich ziehen die Wanderer durch leere Landschaften, vorbei an verlassenen Industrieanlagen und Autobahnbrücken. Es sind die kalten Bilder eines Endzeitfilms, und sie bilden einen harschen Gegensatz zum steinummauerten Kerzenlicht der Zauberschule Hogwarts mit ihrer Gebärmutteratmosphäre.

Zum ersten Mal im Potter-Epos ist das Internat nicht zu sehen und doch stets gegenwärtig als Leerstelle für die verlorene heile Welt. Hogwarts war ein konservativer Bildungstraum, hier lernt eine Elite, bei der auch Migranten und Arme mitmachen dürfen, solange sie nur das Zauber-Gen haben. Die Bedrohungen für die Schüler kommen stets von außen, Missbrauchsfälle durch Machtpersonen wie Lehrer finden keinen Eingang in die Internatslegenden.

Der neue Film zeigt die Fortsetzung dieses Bildungstraums mit anderen Bildern: Auch ohne Abschluss können die Jungzauberer Weltenretter werden, sie gehören ja zur richtigen Schicht.

Das Unbehagen darüber macht jedoch nicht komplett den Spaß beim Zuschauen zunichte. Nun hat man Hermine, Ron und Harry schon so lange begleitet, jetzt will man auch wissen, wie es weitergeht - es ist die Lust an der Seifenoper. Insbesondere die Figur der Hermine ist im Film an weiten Stellen ziemlich taff, sie ist kein Prinzesschen, das ständig von den Jungs gerettet werden muss.

"Die Heiligtümer des Todes" ist ein Novemberfilm in welkem Braun, Schwarz und Grau - nur selten durchbrochen vom Weiß des Schnees oder dem strahlenden Blau des Winterhimmels. Eine Landschaft zum Verzagen.

Denn Hoffnungslosigkeit möge die Helden angesichts der schier aussichtslosen Aufgabe ergreifen, so wollen es jedenfalls Plot und Regie. Leider klappt das nicht so recht: Gerade wenn sich Gefühle entfalten sollen, wird schnell vorgespult. Beispiel: Ron verlässt nach einem Streit seine Freunde. Als er nach Wochen unerwartet wiederauftaucht und Harry das Leben rettet, macht der einfach weiter im Text, als hätte es die Trennung nicht gegeben. Wiedersehen - zurück an die Arbeit. Den emotionalen Part dabei muss Hermine ausfüllen, sie muss trotz manch harten Zugs dann doch die Frau geben.

Absurd wirkt diese Eile, weil Joanne K. Rowling die verfilmten Abschnitte im Buch recht langsam erzählt. Dennoch scheint es, als könne der Regisseur David Yates die Geschichte der Autorin nicht einholen. Echte Verzweiflung braucht Zeit, und die hat der Film nicht - das Problem teilt er mit seinen Vorgängern.

Yates nimmt sich keine Freiheiten, erzählt nicht mit eigenen Mitteln. Nur an einer Stelle traut er sich, eine Szene zu erfinden. Als Ron die beiden verlassen hat, tanzen Harry und Hermine ungelenk zu Nick Caves "Oh Children", ein Lied über den Verlust der kindlichen Unschuld. Das ist anrührend und fängt das geschwisterliche Verhältnis der beiden in einem schwebenden Moment ein. Doch dann hoppelt der Film wieder dem Buch hinterher.

Das eilige Erzählen verstärkt auch eine grundlegende Schwäche der Geschichte, die nach dem Muster "Wenn nur der Führer nicht gewesen wäre …" funktioniert. Alle Gefahr geht von Voldemort aus, seine Gehilfen scheinen keinerlei eigene Ambitionen zu haben. Im Buch ist das ein wenig anders, doch der Film hat keinen Raum für Ambivalenzen. Den Zuschauer weht das öde Gefühl an, im DDR-Geschichtsunterricht zu sitzen. Dort gab es den Begriff "Hitlerdeutschland", um auszudrücken, dass allein der Chef für alles verantwortlich war. Klar, der Film ist für Jugendliche und Kinder gedacht, aber auch die sind nicht doof und langweilen sich bei der Vorahnung: Wenn der böse Strippenzieher fällt, ist die Gefahr vorüber und alles wird gut. Schade.

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11 Kommentare

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  • S
    sully

    Ich stimme Monsieur Marcus zu.

    Ich finde den Artikel/die "Rezension" des Filmes von Herrn Schulz recht übertrieben. Es schwingt so viel Verbitterung und recht lachhafte, erzwungene Kritik gegen Yates Werk mit. Das ist schade, denn ich denke, dass diese Verfilmung dem Buch relativ nahe kam und eine gute Atmosphäre in sich birgte. Dass da die ein oder andere Szene etwas lahm oder zu berechenbar erscheint, ist klar Und liegt jedoch auch im Auge des Betrachters. Ich bekam wirklich noch nicht mit, dass ein Zuschauer unzufrieden über HP - Und die Heiligtümer des Todes (Teil 1) war.

     

    Harry Potter ist eine herrliche Welt, wie Monsieur Marcus schon schrieb, die für Kinder,wie auch Erwachsene so, so schön zu lesen und entdecken ist.

     

    Ich empfehle diese Verfilmung weiter und finde den Artikel blöd. Aber teilweise ebenso sehr belustigend (was ich auch gerne zugebe: Gebärmutteratmosphäre, haha.)

     

    Gute Grüße!

  • MM
    Monsieur Marcus

    Ganz ehrlich, was ein Blödsinn in diese Geschichte reininterpretiert und ihr dabei noch vorgehalten wird, was nicht in die Interpretation passt!

     

    Harry Potter ist eine Fantastische Geschichte für Kinder und Jugendliche und auch Erwachsene finden gefallen an der Traumwelt. Dass diese Parallelen bzw. eher Anspielungen auf die Realität beinhaltet, verpflichtet sie doch nicht, dass dann am besten noch im Sinne der Taz auzustaffieren.

    Wer weiß ob der Autor die Bücher alle gelesen hat,

    man kann nämlich - so macht man das mit fantastischen Geschichten - eine Geschichte immer so lesen, wie man sie gerne hätte und sie in die eigenen Vorstellungen integrieren.

    Das kann man auch positiv lesen.:

     

    Im Knallharten Kampf Gut gegen Böse, kommt es nicht darauf an, welche Herkunft die Eltern haben und wie viel Geld sie für die Ausbildung ihrer Kinder sie sich leisten können, das mutigste aller "Häuser" beherbergt alle möglichen Außenseiter, die sich im Laufe der Geschichte der Bedrohung des Dunklen stellen.

    Es werden Verbindungen wohlhabender faschistisch-sympathisierender Familien ins Zauberreiministerium gezeichnet, die Helden der Geschichte sind wenn man so will Dissidenten, Untergrundkämpfer.

    Es ist Nicht (!) ausschließlich der dunkle Führer, der eine Gefahr bedeutet,

    aber wie das in Piraten, Western, Ritter und sonstigen Geschichten nunmal so ist, arbeitet man mit PERSONEN.

    Während die einen für DAS GUTE stehen, symbolisieren die anderen das DUNKLE, BÖSE. Den Rest können sich die Kinder und die Erwachsenen dazudenken, das macht eine solche, wenn auch kitschige Geschichte auch so wertvoll.

    Alles in Allem passt sie damit doch hervorragend zur Taz.

    Viel offen lassen, bisschen Schwarz-Weiß hier und da.

     

    Mein Fazit. Auch überzeugte linke Spinner wie ich können Harry Potter (ge)lesen (haben) ohne dass das es das eigene Weltbild erschüttert oder man für die "Konservative Elite Schule Hogwarts" mal ein Auge zudrücken muss"

    viele Grüße aus Düsseldorf!

    Ps. Die "Umfrage" zur feministischen Hermine ist auch ein schöner Witz.

    Alle Mädchen fanden sie toll, alle Jungs auch. Und gut ist.

  • C
    Christian

    Einer Kindergeschichte vorzuwerfen, sie sei an manchen Stellen einfach gestrickt, finde ich etwas überkandidelt. Gut gegen Böse, klar ist die Schule da gut und der Böse halt böse. Und dass alles in sich zusammenfällt, wenn man der Schlange den Kopf abschlägt, hat ja sogar Graf von Stauffenberg geglaubt.

     

    Die klaren Sympathisanten von der Todesser-SS mussten sich nach dem letzten Sturz Adolf Voldemorts übrigens versteckt halten, obwohl manche Parallelen bezüglich Nazis in Machtpositionen hier tatsächlich tragen. Andererseits hätte man den Büchern grade vorwerfen können, ein zu einfaches Bild zu zeichnen, wenn dem nicht so gewesen wäre, oder?

  • P
    Peter

    Hm, sogar in einem Artikel über einen Harry-Potter-Film kriegt man die Kurve, um irgendwie doch noch auf die seit 20 Jahren verblichene DDR einzuprügeln, wie grotesk. Und noch dazu völlig falsch. Gerade in der DDR wurde die Malaise des Faschismus eben NICHT allein dem Herrn Hitler angelastet, sondern wurde auf die breite Mitwirkung und Zustimmung von Rüstungskonzernen, reaktionären Junkern, Wehrmachtskreisen, entwurzeltem Kleinbürgertum u.a. hingewiesen.

    Noch leben Leute, die sich gut an die DDR erinnern, lieber Herr Schulz.

  • C
    Christian

    Wie kann man denn nur so holzhaft an nen fantasy film rangehn? Und wie weit müsste Yates denn dem Buch hinterhertraben wenn er nicht sogar fast 5 std insgesamt zur Verfügung hätte? Is halt schwer, aber is immer schwer. Und Säulen der Erde vereisst Ihr ja auch, obwohl 8 std film.

  • R
    rintintin

    Was bin ich froh das mir Harry nebts Hermine, Ron und allem was dazu gehört schlicht wo vorbei geht.

    Wenn beide "Endzeitteile" auf DVD erhältlich sind werde ich sie mir (meinem Mann zu Liebe) mit meinem Mann anschauen - das heisst ich werde vermultich nach 10 Minuten einschlafen.

     

    Für alle die Harry doch noch was abgewinnen möchten und mal so richtig lachen wollen: Harry auf Niederländisch. Das kann man sich 20 Minuten lang geben und dann ists auch wieder gut.

  • RC
    Rosina Cake

    Was ist denn eine "Gebärmutteratmosphäre"? Hatte der Autor etwa während des Filmgenusses bestimmte pränatale Erinnerungen? Merkwürdiger Artikel...

  • P
    Potterfan

    @Riin

     

    Ist eine Frage der Interpretaion würde ich sagen. Snape ist ja eigentlich ein Guter, wie man weiß. Und alle anderen Bedrohungen wie zB Quirrel oder die Folter-Lehrer nach Voldemorts Machtübernahme kommen ja tatsächlich von außen, von Voldemort nämlich. Von daher würde ich sagen, stimmt das schon so.

  • R
    Riin

    "Die Bedrohungen für die Schüler kommen stets von außen, Missbrauchsfälle durch Machtpersonen wie Lehrer finden keinen Eingang in die Internatslegenden."

     

    Jo, stimmt. Außer im 1., 4., 5., 6. und 7. Band natürlich ;)

  • F
    Frank

    Mal ehrlich, das ist Harry Potter, ein Geschichte von Zauberern, fliegenden Pferden und Riesen - zwischen ein paar Buchdeckeln. Muss denn in alles diese paranoide Klassenkampfrhetorik reingedroschen werden?

  • R
    Rautenklausner

    Im DDR-Geschichtsunterricht lernte man, dass nur 'der Führer' schuld an allem gewesen sei?

    - Gott, jetzt vergisst man schon bei der taz, dem land vorzuwerfen, dass es da mal so eine monopolgruppen-theorie des faschismus und einen gossweiler gab.