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Berliner grüne Jugend gegen Schwarz-Grün"Die CDU ist die dunkle Seite der Macht"

Die Grüne Jugend fürchtet im Künast-Hype um das linke Profil ihrer Partei. Ihre SprecherInnen Madeleine Richter und Armin Feistenauer fordern mehr Radikalität. Eine Koalition mit der CDU ist für beide tabu.

Grün genug für die Grüne Jugend? Renate Künast macht die Faust Bild: dpa
Interview von Stefan Alberti

taz: Frau Richter, Herr Feistenauer, haben Sie eigentlich gerade im Wendland gegen den Castortransport protestiert?

Madeleine Richter: Ja.

Armin Feistenauer: Klar.

Im Interview: 

Armin Feistenauer (23) ist seit 2009 Sprecher des rund 400 Mitglieder starken Berliner Landesverbands der Grünen Jugend. Er studiert Informatik an der FU.

Madeleine Richter (21), seine Kovorsitzende, ist seit diesem Frühjahr im Amt. Sie studiert Psychologie, ebenfalls an der FU.

So klar war das nicht. Renate Künast etwa war nicht da. Angeblich war sie lieber shoppen, statt wie Sie dort im Regen zu stehen. Wie finden Sie das?

Richter: Schade. Aber das ist ihre persönliche Entscheidung, da muss sie wissen, wo ihre Schwerpunkte liegen. Ich persönlich fand es extrem wichtig, da zu sein.

Es gibt ja die Vermutung, Frau Künast sei deshalb nicht da gewesen, um keine bürgerlichen Wähler zu vergrätzen. Zugleich titelt der Spiegel diese Woche über die Grünen: "Die neue deutsche Volkspartei".

Richter: Da habe ich ein Gänsehautfeeling, da läuft mir ein Schauer den Rücken runter - aber nicht vor Begeisterung. Ich frage mich schon, was das für Konsequenzen hat und wohin sich die Partei bewegt.

Was befürchten Sie denn?

Richter: In meinen schlimmsten Albträumen ist es so, dass wir unser linkes Profil verlieren.

Sie fürchten um das linke Profil, der scheidende Bundeschef der Grünen Jugend sorgt sich um das linke Programm - was heißt denn "links" konkret?

Feistenauer: Da ist zum Beispiel die Diskussion über Hartz IV. "Links" heißt für mich, zu sagen, dass das Prinzip des Förderns und Forderns gescheitert ist. "Links" heißt für mich, nicht auf Kosten der Armen Politik zu machen. Die Grüne Jugend hätte ja auch gern ein Grundeinkommen.

Festhalten am linken Programm - auch auf Kosten von Wählerstimmen?

Richter: Auf jeden Fall. Klar, die Welt verändert sich, aber man muss sich zu gewissen Grundwerten bekennen und da auch eine gewisse Radikalität zeigen - radikal im Sinne von: bei den Wurzeln bleibend. Natürlich kann man dadurch Wähler verschrecken, aber das ist man sich auch schuldig, wenn man authentisch bleiben will.

Feistenauer: Ich glaube, dass die Grünen gerade deshalb so erfolgreich sind, weil sie ihre Linie so konsequent vertreten und nicht wie der CSU-Chef Seehofer ihre Meinung der Stimmung anpassen. Wir müssen anecken, bei den Grünen muss gelten: Nicht wir passen uns den Leuten an, sondern wir überzeugen die Leute von unseren Ideen. Im Zweifelsfall verkaufen wir uns nicht.

Dass Sie lieber authentisch sein und auch Stimmenverluste in Kauf nehmen wollen - haben Sie das auch Frau Künast so gesagt? Die braucht jede Stimme, um Regierende Bürgermeisterin zu werden.

Feistenauer: Natürlich würde auch die Grüne Jugend nicht fordern, dauernd in Opposition zu sein. Renate Künast sagt: Wir machen es an den Inhalten fest, das sagt jeder, das kann jede Partei unterschreiben. Die Frage ist, wie viele Punkte man hat, die nicht verhandelbar sind. Da ist die Grüne Jugend radikaler und sagt eher: Dann lassen wir es ganz bleiben.

Löst Künast denn bei der Grünen Jugend echte Begeisterung und Euphorie aus?

Richter: Das ist sehr unterschiedlich.

Feistenauer: Es gibt Kritiker, denen das Verfahren nicht gefällt, wie sie Spitzenkandidatin geworden ist, und denen es auch nicht gefällt, dass wir nun schon wieder eine Reala als Spitzenkandidatin haben. Da muss man aber einschränkend sagen: Die Alternative zu ihr wären zwei andere Realpolitiker gewesen …

Volker Ratzmann und Ramona Pop.

Feistenauer: … da wäre also für die Linke auch nichts zu gewinnen gewesen. Aber als Renate Künast jetzt zu Besuch bei uns war, hatten wir mit 70 Leuten ein volles Haus - normalerweise sind wir 30, 35. Sie wurde auch mit Applaus begrüßt. Eine gewisse Begeisterung ist also schon da - nicht unbedingt für ihre Positionen, aber für die Möglichkeiten, die sie den Grünen eröffnet. Wenn sie uns an die Regierung bringt, dann können wir auch mit ihr leben.

Inzwischen haben auch linke Grüne, für die eine Koalition mit der CDU lange tabu war, kein Problem mehr, über so ein Bündnis zu reden. Die einst klare Front ist aufgeweicht.

Feistenauer: Bei der Grünen Jugend hält sie noch.

Richter: Egal ob Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz - mit so was kann man bei uns nicht ankommen.

Feistenauer: Unser Landesverband würde zerbrechen, weil so viele Aktive keine Lust mehr hätten und wegbleiben würden. Das wäre anders als bei Schwarz-Grün in Hamburg, wo es zwar auch Widerstand gab, aber mehr auch nicht.

Wenn sich die Grünen also zwischen Rot-Grün und Grün-Schwarz entscheiden müssten, wären Sie lieber kleiner Partner der SPD statt Chef in einer Koalition mit der CDU?

Feistenauer: Auf jeden Fall. In der ganz großen Mehrheit gibt es bei uns keine Sympathien, mit der CDU zusammenzugehen.

Richter: Die CDU, das ist die dunkle Seite der Macht.

Sie haben doch vorhin so viel Wert auf Wahrhaftigkeit gelegt. Renate Künast unterstellt Klaus Wowereit Lustlosigkeit und wirft ihm vor, Berlin sei blockiert. Wäre es noch glaubwürdig, ihm nach der Wahl zu helfen, dass er im Amt zu bleibt?

Feistenauer: Wenn am Ende mehr Leute die SPD wählen und sie vor den Grünen liegen sollte, dann ist sie eben die stärkere Partei, dann muss man das in einer Demokratie akzeptieren. Eine absolute Mehrheit werden wir nicht bekommen, also brauchen wir noch jemanden und nehmen eben die Partei, mit der wir die größte Schnittmenge habe. Und das ist die SPD oder vielleicht die Linke.

Die Linke?

Feistenauer: Ja. Es ist zwar immer nur von der SPD die Rede, vielleicht um die Wähler nicht zu erschrecken - aber vielleicht haben wir ja mit der Linken noch mehr gemeinsam. Das hätte noch einen großen Vorteil: Die Linke ist ja immer noch eine Ostpartei, wo die Grünen weiterhin ein bisschen ein Problem haben. Zusammen könnten wir Berlin besser abbilden. Von daher würde ich allen, die mit Grün-Schwarz ankommen, entgegenhalten: Wieso nicht Grün-Dunkelrot?

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12 Kommentare

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  • H
    Hartmut

    Jung, Grün und vor allem: Stachlig.

     

    Anders als bei den beiden etablierten Volksparteien CDU und SPD gibt es bei den Grünen eine Hand voll Themen, die unverhandelbar sind und sich nicht dem Diktat der Wählermode unterwerfen. Dieses festhalten an Werten kann man durchaus (wert-)konservativ bezeichnen. Andererseits kann man den Grünen nicht vorwerfen, dass sie fortschrittsfeindlich wären.

     

    Es zählen die Inhalte und ich freue mich, dass die beiden VertreterInnen der Grünen Jugend Berlin klare Standpunkte durchaus stachlig vertreten - grüner Mainstream wäre was anderes gewesen.

     

    Künast und Co. wissen, dass die GJ immer für eine Überraschung gut und ein kantiger Wahlprüfstein im eigenen Haus ist. Obwohl ich schon kritisch einwerfen möchte, dass die Politik der GJ schon darauf ausgerichtet sein sollte, sich in Verantwortung zu beweisen.

     

    Viele Grüße an den Berliner württembergischen Ursprungs ;-)

  • G
    GRÜN-DUNKELROT

    Zu schwarz-grün hat Gernot Hassknecht glaube ich alles gesagt, was man dazu sagen kann:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=djpNQvpKLCE (ja, der Kommentar ist sexistisch...)

     

    Ich denke man kann und sollte Koalitionen auch ausschließen.

  • X
    xVegAnarchistx

    Es gibt keine helle oder dunkle Seite der Macht, Macht is die dunkle Seite des Lebens, nicht mehr, nicht weniger!

     

    Das im Wahlkampf viel gelabert wird ist klar, aber auch die Grünen sind an Strukturen gebunden die sich nicht durch das Auswechseln der "Spieler" ändern werden.

     

    Auch mit ihnen werden Ausbeutung, Kriege, Armut und all die anderen Probleme kein Ende nehmen, da diese Strukturell bedingt sind, und man das System ändern/abschaffen muss anstatt ewig an den Symptomen herum zu doktorn!

  • M
    Meike

    "Links heißt für mich, nicht auf Kosten der Armen Politik zu machen" ist eine sehr klare Aussage, die den Unterschied zwischen beiden Flügeln der Grünen sehr deutlich zusammenfasst und auf den Punkt bringt. Zumal sie nicht eine allgemeingültige Definition von dem Begriff links geben wollten, sondern deutlich gemacht haben was für SIE links innerhalb der Grünen Politik bedeutet.

     

    Nur weil es einen Teil der Grünen gibt, der im Osten verankert ist, heißt dass nicht dass die Grünen dort mehrheitsfähig sind. Eine Koalition mit der Linkspartei, die im Osten auf große Zustimmung stößt, würde einfach größere Teile der Stadt und eine größere Gruppen der Menschen die in ihr leben vertreten. Dazu kommt dass inhaltlich auf Berliner Ebene die Überschnediungen mit der Linkspartei am größten sind.

  • K
    Kamu

    Das war ein Heimpsiel für die beiden. Die Samthandschuhe wurden an keiner Stelle des Interviews ausgezogen. Vor allem die sehr dünne Antwort auf die Frage "Was ist eigentlich links?" ist ärgerlich. Da hätte ich mir doch ein bisschen mehr als wirre Phrasen gewünscht.

    Offenbar liegt an diesem Punkt genau die Schwäche des linken Grünen Flügels...

  • FK
    Franz Kien

    Hmm, merkwürdig ist das schon: Zum einen wollen die beiden Junggrünen bei den Wurzeln der Partei bleiben. Zum anderen halten sie ein Koalition mit der Partei Die Linke für möglich.

     

    Das Interview zeigt, dass die beiden Junggrünen sich zwar als "links" bezeichnen, dieser Begriff aber nicht weiter ausgefüllt ist. Was sie als "links" bezeichnen, waren wiedergegebene Phrasen. "Links" hat ein breites Spektrum: Vom Stalinismus bis zum linken Flügel der CDU. Die beiden Junggrünen haben den Begriff "links" nicht mit den Inhalten zu füllen gewusst, für die die Grünen einstehen. Vermutlich ist "links" für die beiden ein Lifstylebekenntnis, welches sie aufgrund ihrer westberliner Sozialisation mit ihrer Zugehörigkeit zu Partei "Die Grünen" zum Ausdruck bringen.

     

    Wer weiß, welche Art "Links" die Grünen ausmacht, nämlich Ökologie und linksliberale Bürgerrechte, wird den gravierenden Unterschied zur Partei "Die Linke" erkennen, die ihre Wurzeln im real existierenden Sozialismus hat und auch sieht. Grüne und Linke sind zwar "links", nehmen aber völlig unterschiedliche Grundüberzeugungen ein, was die Freiheit der Menschen angeht: Die Grünen fokussieren "Bürgerfreiheit", die Linke fokussiert "Befreiung der Arbeiter und Bauern vom kapitalistischen Joch".

     

    Die Junggrünen kennen diesen Unterschied offensichtlich nicht. Das ist schlecht, wenn man meint "grüne Politik" machen will, ohne zu wissen, was das bedeutet. Es ist auch schlecht, darauf zu verweisen, dass "Die Linke" im Osten verwurzelt ist, was eine Koalition rechtfertigen Würde. Wer die Parteigeschichte der Grünen kennt, der weiß, dass der Zusatz "Bündnis 90" gerade aus dem Osten kommt (nämlich aus der Bürgerrechtsbewegung, was wiederum das Linkssein der Grünen anzeigt).

     

    Die beiden Junggrünen sollten ihre Partei ersteinmal kennenlernen, bevor sie meinen, in führenden Position mitsprechen zu können.

  • K
    Klaus

    Was die beiden zu erzählen haben, das wird niemanden interessieren.

  • V
    vic

    schöner hätt ich`s nicht sagen können...

  • HL
    Hauke Laging

    Unsere liebe Grüne Jugend...

     

    "Links heißt für mich, zu sagen, dass das Prinzip des Förderns und Forderns gescheitert ist." – Das ist doch keine Rechts-links-Frage, sondern objektive Beobachtung. Allerdings nicht beim Prinzip, sondern bei der Umsetzung, die von den Grünen schon lange kritisiert wird.

     

    Links ist, das Prinzip abzulehnen (Gruß ans bedingungslose Grundeinkommen) und deshalb davon zu sprechen, es sei gescheitert.

     

    Es hat keinen "Rechtsruck" bei den Berliner Grünen gegeben, der diesen demoskopischen Aufstieg ermöglicht hätte, oder ich habe ihn verpasst. Wenn man aber ohne Verrenkungen an die 30%-Marke kommt, warum sollte man sich dann noch verrenken?

     

    Die Grünen müssen auch nicht vor schwarz-grünen Tendenzen beschützt werden, die gibt es nicht. Es ist in Ordnung, weder eine Koalition mit der Linken noch mit der CDU auszuschließen, aber es ist für mich nicht erkennbar, dass relevante Teile der Partei eins davon wollen. Mir begegnet maximal Indifferenz. Das ist der Notnagel, falls die SPD sich querstellt. Was sie nicht tun wird, dafür wird ihre Basis schon sorgen.

     

    Es wäre auch interessant zu erfahren, wie denn das bessere Verfahren der Kandidatenaufstellung hätte aussehen können. Das unstrittig zum selben Ergebnis geführt hätte.

  • I
    ich

    "GRÜN-DUNKELROT"!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

     

    Das sollte es werden!

  • T
    tageslicht

    Ziemlich toll, die beiden. Es ist schade, dass dieser Idealismus in der Grünen-Spitze so nicht mehr zu finden ist, und ich denke sehr wohl, dass Künast, wenn sie die Gelegenheit bekommt, mit den Schwarzen zusammengeht. Dass jetzt selbst führende, "linke" Grüne das nicht mehr ausschließen, sollte deutlich genug sein.

     

    Schon traurig, dass die Grünen damit wieder der Partei zur Macht verhelfen, die Berlin in die größe Finanzkrise seiner Geschichte gestürzt hat. Es sollte bei den Grünen mehr Richters und Feistenauers geben.

  • G
    Grüner

    Naja, die CDU eckt ja auch ganz schön an, Kernenergie, S21...warum wird das das dann kritisiert? Soll die CDU einknicken? Sowas wird doch immer kritisiert.

     

    Ich würde es auf jeden Fall begrüßen wenn die Grünen mit der CDU arbeiten würden, besser als die rechtsstaatliche Nachfolgepartei der SED.