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Prozess in Den Haag gegen BembaEin äußerst fragwürdiges Verfahren

Der Prozess gegen Kongos Ex-Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag steht politisch und juristisch auf schwachen Füßen.

Jean-Pierre Bemba vor dem internationalen Strafgerichtshof, fotografiert am 2.12.2009. Bild: reuters

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beginnt am Montagnachmittag der bisher höchstkarätige Prozess in der kurzen Geschichte des IStGH. Jean-Pierre Bemba, der frühere Vizepräsident der Demokratischen Republik Kongo, muss sich wegen Kriegsverbrechen verantworten, die die Soldaten der einst von ihm geführten Rebellenarmee MLC (Kongolesische Befreiungsarmee) in der Zentralafrikanischen Republik begangen haben sollen.

Die Verwicklung zweier Länder und der Status des Angeklagten dürften dafür sorgen, dass dieses Verfahren den IStGH vor eine harte Probe stellt, zumal die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung seit einem neuen Gerichtsbeschluss vom Freitag erneut infrage steht.

Bemba hatte zwischen Oktober 2002 und Januar 2003 auf Bitten des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Ange Félix Patassé, Einheiten in die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui entsandt, die direkt an der Grenze zum damaligen MLC-Gebiet im Nordkongo liegt. Patassé war unter Bedrängnis einer Revolte seines Armeechefs François Bozizé geraten und brauchte mangels Soldaten auswärtige Hilfe.

Das Eingreifen Bembas sowie Libyens rettete Patassé vorerst; die MLC-Einheiten, in Bangui als "Banyamulenge" tituliert, sollen aber verbreitete Plünderungen und Vergewaltigungen begangen haben, wie schon damals berichtet wurde. Langfristig half das Patassé sowieso nichts: Im März 2003 eroberte Bozizé Bangui und ergriff die Macht, die er bis heute hält.

Während Patassé aber mittlerweile in der Zentralafrikanischen Republik amnestiert ist und zu den Präsidentschaftswahlen 2011 gegen Amtsinhaber Bozizé antreten will, sitzt sein Helfer Bemba in Den Haag in Haft. Nicht nur dies hat bei Bembas nach wie vor zahlreichen Anhängern im Kongo Zweifel an der Neutralität des Gerichtshofs genährt.

Der MLC-Führer, der noch 2006 bei der Stichwahl um Kongos Präsidentschaft 42 Prozent gegen Wahlsieger Joseph Kabila geholt hatte und danach ins Exil ging, wurde im Mai 2008 just zu dem Zeitpunkt in Brüssel verhaftet, als er sich anschickte, als parlamentarischer Oppositionsführer nach Kinshasa zurückzukehren. Der Zeitpunkt der Verhaftung rettete also vor allem Kabila vor der Rückkehr seines gefährlichsten politischen Gegners. Nicht wenige vermuten, dass Bembas Ausschaltung der Preis ist, den der IStGH zahlt, damit er ansonsten frei in der Demokratischen Republik Kongo arbeiten kann.

Die Anklage gegen Bemba steht nicht nur politisch, sondern auch juristisch auf schwachen Füßen. Während es im bisher einzigen laufenden IStGH-Prozess in Den Haag gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga allein um den leicht zu belegenden und nicht besonders schwerwiegenden Vorwurf der Rekrutierung von Kindersoldaten geht, dreht sich im Falle Bembas alles um seine Vorgesetztenverantwortlichkeit für Kriegsverbrechen, die seine Soldaten begangen haben sollen.

Dieser Vorwurf schließt ein, dass Bemba, selbst wenn er diese Verbrechen nicht selbst oder direkt anordnete, von Kriegsverbrechen gewusst haben muss und diese auch hätte verhindern können. Dies dürfte schwer nachzuweisen sein, zumal Bemba ja 2002-2003 seine Soldaten in Bangui unter das Kommando des zentralafrikanischen Präsidenten Patassé gestellt hatte.

2009 war die Anklage gegen Bemba deswegen bereits abgeschwächt worden, und im August 2009 hatte der Gerichtshof sogar Bembas Freilassung unter Auflagen verfügt. Weil sich kein Land fand, das ihn aufnehmen wollte, und eine Rückkehr nach Kongo außer Frage stand, wurde die Freisetzung schließlich außer Kraft gesetzt und ein Einspruch Bembas dagegen am 28. Juli 2010 abgelehnt.

Aber just am vergangenen Freitag kassierte Den Haag wegen Formfehlern seinen eigenen Beschluss und ordnete eine erneute Überprüfung der möglichen Freilassung Bembas an. Wie unter diesen Umständen der Prozess gegen ihn überhaupt möglich ist, ließ das IStGH offen. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Problem und nicht die Anklage selbst den Prozessbeginn dominiert.

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5 Kommentare

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  • A
    Annette

    zu Heinz Rothenpieler: Bitte nicht so voreilig. Die Afrika-Berichterstattung der taz ist unverzichtbar, denn anderswo kommt Afrika gar nicht mehr vor.

     

    Dass es Kindersoldaten gibt, ist sehr traurig und das muß aufhören. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber es gibt ökonomische Gründe dafür

     

    Erstens gibt es in der Regierungsarmee selbstverständlich auch Kindersoldaten. Seltsamerweise wird das nicht angeklagt, sondern nur die Kinderrekrutierung durch die Rebellen. Finden Sie das nicht auch seltsam?

    Zweitens ist NICHT nur von Zwangsrekrutierung die Rede, sondern auch von freiwilligen Kinderrekruten, Kinder, die also von sich aus zu den Milizen gehen.

    Und drittens: welche reale Alternative haben die Kinder, vor allem die Waisen? Wie viele Waisenhäuser gibt es dort? Wovon sollen sie leben? Die einzige Alternative die sich diesen Kindern dann oft bietet, bleibt leider die Prostitution, Klauen, Betteln oder die Arbeit in den Bergbau-Regionen. Das ist genau so schlimm.

     

    Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Vorstellungen den taz-Lesern einmal darstellen könnten.

  • S
    Sven

    Klar, dass man den Gegenkandidat J.Kabilas so lang außer Gefecht setzt, bis der korrupte Erb-Prinz die "demokratische Wahl" gewonnnen hat.

    KEIN Einziger Kandidat/Warlord in der Region hat eine reine Weste, aber manch einer hat die besseren Beziehungen zum Geld im Norden, Westen oder Osten... egal woher.

     

    Es schüttelt einen...

  • S
    Sonja

    Ellen Gutzler und Heinz Rothenpieler:

     

    Bei der Frage, wie schwerwiegend die Rekrutierung von Kindersoldaten in diesem Falle ist, darf nicht vergessen werden, dass es in der regulären kongolesischen Armee ebenfalls Kindersoldaten gibt. Wer soll nun dafür zur Verantwortung gezogen werden?

     

    Diesem Vergehen müssen andere Verbrechen gegenübergestellt werden, wie Vergewaltigung, Plünderung, Verstümmelung, Mord, die in manchen Gegenden der D.R. Kongo fast alltäglich sind. Auch beinhaltet der Vorwurf der Rekrutierung nicht unbedingt die Zwangsrekrutierung.

     

    Vor diesem Hintergrund ist der Vorwurf der Rekrutierung wahrhaftig "weniger schwerwiegend".

    Schließlich behauptet niemand, dass die Rekrutierung von Kindersoldaten eine gute Tat sei. Oder kommt das hier so rüber?

  • IG
    IEllen Gutzler

    Der Vorwurf der Rekrutierung von Kindersoldaten ist "nicht besonders schwerwiegend"?? Also wirklich, so ein faut pas sollte in der taz nicht vorkommen!!!

  • HR
    Heinz Rothenpieler

    Wenn die Rekrutierung von Kindersoldaten, wie im Artikel behauptet, nicht besonders schwerwiegend ist, dann sollte die taz ihre Afrikaberichterstattung ersatzlos einstellen.