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Kommentar WikileaksBlick unter die Bettdecke

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Ob die jüngsten Wikileaks-Veröffentlichungen der US-Politik schaden, wird sich erst noch zeigen. Vor allem die Presse profitiert von den auflagenstarken Exklusivnews.

V errat im Dienste der aufgeklärten Öffentlichkeit: Heute werden wir wissen, für wie dämlich die US-Administration Guido Westerwelle hält, was dort für eine Meinung über die politischen Akteure im Nahen Osten vorherrscht und welche Einschätzung Washington über moldawische Innenpolitiker hat. Ob diese Informationen zu mehr taugen als zu einem Blick unter die diplomatische Bettdecke, werden wir sehen. Schon vor der Veröffentlichung war aber klar, dass mit der Enthüllung der Diplomatenpost ein politisches Erdbeben zum Nachteil der USA verbunden ist.

In jedem Fall aber erzielt Wikileaks einen weiteren Bedeutungsgewinn. Dabei wird gerne übersehen, dass Wikileaks selbst am wenigsten von den Informationen profitiert. Die eigentlichen Nutznießer sind die klassischen Medien wie New York Times, Guardian und Spiegel. Wikileaks hat erkannt, dass es dem interessierten Zeitgenossen wenig hilft, wenn er oder sie mehrere hunderttausend Dokumente vorgesetzt bekommt. Erst die Auswahl und Aufbereitung der Papiere macht diese auch lesbar. Erst die Arbeit von Journalisten macht damit auch den Erfolg von Wikileaks aus. So viel zum angeblichen Bedeutungsverlust der Presse im Zeitalter des Internets.

Diese Arbeitsteilung ist praktisch. Wikileaks erledigt die Schmutzarbeit, große Magazine erhalten auflagenstarke Exklusivnachrichten, die Leser klopfen sich auf die Schenkel, und die USA stehen dumm da. Ob das aber eine auf Dauer tragfähige Kooperation ist, muss sich noch herausstellen. Wer weiß schon noch, worum es in der vorletzten Wikileaks-Enthüllung ging? Damit könnte das Enthüllungsportal bald dort ankommen, wo schon viele vermeintlich weltbewegende Geschichten gelagert sind: in den unendlichen Weiten des Archivs.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

8 Kommentare

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  • H
    hancock

    deutschland sucht den superstar

     

    die einschaetzungen deutscher politiker durch wl sind nun wirklich nicht besonders skandaloes oder informativ, doch was an aussagen arabischer potentaten zum thema gewuenschter amerikanischer agression im iran bzw. militaerischer vertuschungen im jemen zu lesen sind schon.

    ich aergere mich ueber den grossteil der deutschen presse inklusive der taz, die mehrheitlich ueber die bekannten peinlichkeiten deutscher politiker berichten aber anscheinend kaum ueber den nationalen tellerrand hinausschauen.

    ist das nun ignoranz oder teil einer ablenkungsstrategie

  • N
    nbo

    @jugen:

     

    worin besteht denn die "ursprünglichste aufgabe seines berufsstandes?" wie sollte die taz deiner meinung nach mit den wikileaks-statelogs umgehen?

  • M
    MikaL

    interessant: bürger können nun dank wikileaks und internet immer mehr vom verlogenem spiel der politik erfahren, an ihrem glanz und ansehen knabbern und sehen, was wirklich da los ist...und dann kommen sie alle aus politik (Özdemir zB) und medien und meinen, das sei schlecht...

    vielleicht, weil sie uns gerne weiterhin ohne aufsehen anlügen können wollen?

    die große aber heimliche zentrale sprachregelungskontrolle in den medien der brd funktioniert schon gut: alle haben die gleiche tendenz

  • V
    vantast

    Die Veröffentlichungen sind nicht die Welt, aber die Regierungen werden sich 'was einfallen lassen, den Wiki-Chef zu ruinieren. Heute hört man schon, daß die australische Regierung etwas gefunden hat, was man gegen ihn verwenden kann. Alle Geheimdienste werden ihn wohl jagen, bis er erledigt ist. Schließlich müssen westliche Werte verteidigt werden.

  • I
    IAdam

    Es ist schon ein Tollhaus und hat wenig mit Journalismus zu tun was die Medien zur zeit bringen. Es gibt eine vielzahl unterschiedlicher Bewertungen zu Merkel und ein Blut-Junger Diplomat der gerade nach Obamas Sieg rüber machten durfte, hat einpaar Deutsche Zeitungen gelesen und den Müll dann ans State Department geschickt. Wenn die TAZ aber auch andere mediale Kopiermaschinen nun behaupten USA finden Merkel "wenig kreativ" dann ist das ein freche Lüge. Denn die US Regierung muss sich nicht internes Geschwätz zurechnen lassen, zumal der Dumme Demokratische Diplomat aus Zeitungen abgeschreiben hat, weil er zu faul war selbst was zu schreiben. Außerdem darf ich daran erinnern das der Spiegel nur gesteuerte Informationen Lanciert um Auflage und Medienresonanz zu bekommen, wenn also viele andere positive Berichte über Merkel drin stehen , würde die TAZ es gar nicht wissen , denn bisher hat nur der Spiegel die Informationen. Außerdem sind solche Berichte auch Launenabhängig, d.h. wer der Schreiberling der Einträge einen schlechten Tag gehabt hat, so what, ein wirkliches Bild über Merkel , Westerwelle und andere Politiker setzt sich aus mehr als den bruchstückhaften Lügen des Spiegels zusammen.

  • R
    Ralph

    Vielleicht konnte Herr Hillenbrand es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Kommentars nicht wissen, aber dieser Datensatz unterscheidet sich grundlegend von den für Normalbürger eher kryptischen Kriegstagebüchern. Hier lässt sich konkret nach Ereignissen, Themen und Schauplätzen sortieren. Die Texte sind für jedermann verständlich. Die bisherige Arbeit des Spiegels ist inhaltlich absolut überflüssig und dient höchsten dazu, den gemeinen Bahnhofskiosk-Kunden zu erreichen.

     

    Ich erinnere mich übrigens noch sehr gut an die Veröffentlichung der Studie über die Beitragsentwicklung in der privaten Krankenversicherung, die von Politikern in den Giftschrank geschlossen wurde um ihre gesundheitspolitische Linie entgegen jeder Vernunft weiter fahren zu können. Der ganze Vorgang hat sich in den etablierten Medien nicht nennenswert niedergeschlagen, wenn ich mich recht entsinne.

     

    Ich verwende Meldungen und Beiträge aller Art schon lange nur noch als Ausgangspunkt und Quellenlieferant. Dem außerordentlich eingeschränkten Informationsgehalt z.B. einer gedruckten Zeitung ausgeliefert zu sein, kann ich mir absolut nicht mehr vorstellen. Ich hoffe, dass noch mehr Menschen diese Entwicklung erfahren. Für klassische Journalisten wäre dies natürlich wenig genehm, denn man würde ihre Arbeit - sehr transparent - an ihren Quellen messen.

  • S
    Steffi

    Nun, da ist zwar so weit jede Menge dran, aber der entscheidende Hinweis fehlt:

    Dass die Wahrheit kein Sau interessiert und auch niemand bereit ist, irgendwelche Konsequenzen daraus zu ziehen, heißt ja noch lange nicht, dass es nicht eine notwendige und ehrenvolle die Wahrheit zu ermitteln und zu verbreiten.

     

    Man muss dabei halt nur damit rechnen, dass die Welt, einschließlich sämtlicher Leser und Wähler letztendlich darauf scheißt und n Bier trinken geht. Macht den Job vermutlich verdammt frustrierend. Sollte man sich vorher klar machen.

     

    Wenn man sieht, wie nervös die Arbeit von Wikileaks den amerikanischen Geheimdienst jedesmal macht, darf man sich ihrer potentiellen Sprengkraft getrost sicher sein.

    Es besteht nur halt weder eine Garantie, dass die Wähler aus diesen Erkenntnisen jemals auch nur irgendetwas machen werden (deswegen sind Journalisten so frustriert) noch dass sie es lassen werden (deswegen ist der amerikanische Geheimdienst so nervös).

     

    Dieses Phänomen hat übrigens weder originär mit Wikipedia noch auch nur mit Geheimhaltung zu tun. Auch Skandale, die vor aller Augen liegen, jucken doch keine Sau. Wie war das Angela, "Ich bin erschüttert, weil ich weiß, dass im Irak Massenvernichtungswaffen lagern." Im Gegensatz zum am. Verteidigungsminister hat sie das meines Wissens sogar bis heute nie zurückgenommen; tut ihrer Karriere keinen Abbruch; finden die Wähler geil.

  • J
    jugen

    Naja, wenn Klaus Hillenbrand, Chef vom Dienst der taz dieser Meinung ist zeigt das doch nur welch journalistisches Unterseeboot er ist und wohin er den Weg der Taz lenken will.

     

    Er sollte einmal darüber nachdenken worin die ursprünglichste Aufgabe seines Berufsstandes besteht und endlich anfangen auch danach zu handeln.