Vorbereitungen Ski-WM: Die große Durchleuchtung
Vor der Ski-WM in Garmisch werden Journalisten einmal mehr geheimdienstlich überprüft. Medienvertreter wehren sich bislang vergeblich dagegen.
In gut zwei Monaten beginnt die Alpine Skiweltmeisterschaft. Die Vorbereitungen auf das Großevent laufen auf Hochtouren. Neulich hat ein Hubschrauber 27 Tonnen Material auf den Berg geflogen, damit die Fernsehkameras schöne Bilder von der Kandahar-Strecke schießen können.
Die WM in Garmisch-Partenkirchen beginnt mit der Abfahrt der Frauen am 8. Februar. Gut möglich, dass Maria Riesch, die Lokalmatadorin, dann auf dem Podium steht und eine Medaille um ihren Hals baumelt. Unweit von ihr werden Journalisten in der Mixed Zone auf sie warten, die Blöcke gezückt und mit Aufnahmegeräten in der Hand. Riesch dürfte dann mit den Reportern ein bisschen plaudern.
Unter ihnen wird sich wahrscheinlich kein Berichterstatter der taz befinden, denn für das Ereignis im Schnee wurden wieder einmal die sogenannten Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt, eine Praxis, die immer mehr um sich greift und sogar Journalisten ereilt, die sich für ein vergleichsweise kleines und unbedeutendes Turnier wie die Baseball-WM in Deutschland akkreditieren wollen.
Angefangen hatte es mit den Sicherheitsüberprüfungen bei der Fußball-WM im Jahre 2006: 148.351 Datensätze wurden damals überprüft, 2.055 Personen fielen durch. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, schrieb in seinem Jahresbericht 2006: "Eine Übertragung dieser Eingriffsmaßnahme auf andere Sport- und Kulturveranstaltungen halte ich im Hinblick auf die Einmaligkeit des WM-Turniers für nicht vertretbar."
Schaar stieß auf taube Ohren: Wer jetzt, fünf Jahre später, bei der Ski-WM eine Akkreditierung will, muss sich damit einverstanden erklären, von Polizeibehörden und gegebenenfalls auch von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst durchleuchten zu lassen. Wegen einer ähnlichen Praxis hatte die taz die Leichtathletik-WM 2009 in Berlin boykottiert.
Die Ski-WM wird von privater Hand veranstaltet, der "FIS Alpine Ski-WM Veranstaltungs GmbH". Diese Gesellschaft arbeitet mit dem Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) zusammen. Die Daten der Journalisten werden vom BLKA elektronisch erfasst und bis mindestens Februar 2012 gespeichert. In einem Schreiben der Veranstalter heißt es: "Ihre Daten werden mit verschiedenen polizeilichen Dateien abgeglichen, die bei den Polizeidienststellen für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung geführt werden." Gerastert wird in Polizeiverbunddateien wie Inpol und Staatsschutzdateien.
Diese "Zuverlässigkeitsprüfung" wird pauschal durchgeführt und trifft jeden Journalisten, der um Akkreditierung ersucht. Es besteht kein Prinzip der Freiwilligkeit. Die WM GmbH, die eine hundertprozentige Tochter des Deutschen Skiverbands (DSV) ist, stellt unmissverständlich klar: "Es unterliegt Ihrer freien Entscheidung, Ihre Einwilligung in die hier dargestellte Datenverarbeitung, insbesondere in die Zuverlässigkeitsüberprüfung, zu erteilen. Sollten Sie diese allerdings verweigern, kann eine Akkreditierung nicht erfolgen."
Auch das Überprüfungsverfahren vor der Leichtathletik-WM wurde auf die Einwilligung der Betroffenen gestützt. Zu Unrecht, wie der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix in einem Beitrag für die taz festgestellt hat. "Letztlich verhängt ein privater Veranstalter Berichterstattungs- und Beschäftigungsverbote", so Dix.
Die Garmischer WM GmbH verweist dagegen auf ihr Hausrecht, wonach sie allein entscheiden kann, wen sie zur Weltmeisterschaft zulässt und wen nicht. Doch dieses Vorgehen ist umstritten, da der private Veranstalter diese Zuverlässigkeitsüberprüfungen auf Geheiß der Innenministerkonferenz bzw. des Polizeipräsidiums Oberbayern durchführt; der Internationale Skiverband (FIS) hat damit nichts zu tun, wie Sprecherin Riika Rakic der taz bestätigt. "Das ist eine deutsche Angelegenheit."
Es kommt also zu einer problematischen Zusammenarbeit von privater Hand und Exekutive. Darüber hinaus gibt es weitere gute Gründe, sich diesem Prozedere zu verweigern: die pauschale Überprüfung ohne Verdachtsmoment, die auf eine Kriminalisierung von Journalisten hinausläuft; die Einschränkung der Pressefreiheit, die durch den Ausschluss von Reportern, die sich der Akkreditierungspraxis nicht beugen wollen, evident ist - sowie die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Nach dem WM-Boykott der taz hat sich eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) gebildet, die unlängst ein Grundsatzpapier "zur Änderung der Akkreditierungspraxis bei politischen und sportlichen Großveranstaltungen" vorgelegt hat. Beteiligt waren der Deutsche Presserat, ARD und ZDF, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, das Privatfernsehen, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger - eine breite Allianz der Medien.
In dem Papier heißt es: "Journalisten haben grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Akkreditierung. [...] Entsprechend kann die Akkreditierung nur dann versagt werden, wenn entweder in der Person liegende Versagungsgründe bestehen oder die vorgegebenen räumlichen Umstände eine Begrenzung der Zulassung erforderlich machen." Eine Zuverlässigkeitsprüfung sei nicht geeignet, den Rechtsanspruch auf Akkreditierung zu beseitigen.
Kurzum: Eine pauschale Überprüfung darf es nicht geben. Im Einzelfall darf nur gerastert werden, "wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der um eine Akkreditierung nachsuchende Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit der Veranstaltung stören oder die Gesundheit von Teilnehmern der Veranstaltung gefährden will". Der DJV würde sogar noch weiter gehen.
Der DJV-Vorsitzende Michael Konken sagt: "Der Presseausweis muss Legitimation genug sein. Alles andere ist zusätzliche Schikane." Der DJV hat den Veranstaltern der Ski-WM das Papier zukommen lassen, in München kam sogar ein Gespräch zustande - mit dem Ergebnis, dass die Ausrichter nichts an ihrer Akkreditierungspraxis ändern werden.
Michael Dyckerhoff, für die Medienakkreditierung bei der Ski-WM zuständig, berichtet davon, dass es Anfang Oktober "ein sehr konstruktives Gespräch mit den Medienverbänden" gegeben habe. "Am Akkreditierungsverfahren gibt es natürlich keine Änderung", sagt er der taz, "das ist auch eine Sache, die auf der oberen politischen Ebene diskutiert werden muss. Eine Ski-WM kann gar nichts entscheiden. Da gibt es klare Vorgaben, was den Überprüfungsvorgang betrifft."
Der DJV hat die Innenministerkonferenz um eine Stellungnahme gebeten, doch bei ihrem Zusammentreffen Ende November in Hamburg fiel das Thema unter den Tisch. Sprecher Ralf Kunz findet die Akkreditierungsdebatte "sehr spannend, weil hier Grundrechte aufeinandertreffen", und hält es immerhin für möglich, dass sich die Herren um Thomas de Maizière im Frühjahr mit dem Thema befassen.
Nicht nur die Innenminister der Länder haben sich noch nicht so recht mit dem Kompromisspapier befasst, auch die Sportredaktionen von Deutschlands größten Zeitungen und Zeitschriften kennen es nicht. Sie haben sich auf die Bedingungen der Garmischer Veranstalter eingelassen, sind aber unzufrieden mit der Überprüfung durch Sicherheitsbehörden. "Ich finde die Praxis unmöglich, wir würden aber nicht so weit gehen, deswegen die Ski-WM zu boykottieren", sagt Stephan Draf vom Stern.
"Das sind sicherheitsrelevante Veranstaltungen", sagt Jörg Hahn von der Frankfurter Allgemeinen, "wir müssen einiges an Überprüfungen in Kauf nehmen. Wir gucken natürlich, was die von uns verlangen, würden aber wegen einer Sicherheitsüberprüfung nicht davon absehen, um eine Akkreditierung zu ersuchen." Ähnliches hört man auch von der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau. Der Spiegel will sich erst näher mit dem Papier befassen, bevor er sich äußert.
Unterdessen wird das Akkreditierungsverfahren für die Frauenfußballweltmeisterschaft im Sommer 2011 vorbereitet, das größte Sportereignis des kommenden Jahres in Deutschland. Ab März können sich die Berichterstatter anmelden. Bis jetzt ist eine Sicherheitsüberprüfung von Journalisten nicht geplant, wie Stephan Eiermann, Sprecher des Organisationskomitees, bestätigt hat. Anders als bei der Männer-WM 2006 werden auch keine personengebundenen Eintrittskarten verkauft, womit eine totale Überwachung aller Turnierbesucher möglich wäre.
Eiermann sagt aber auch: "Letztlich liegt das nicht in unserer Hand. Wenn die Sicherheitsbehörden bis dahin eine besondere Gefährdungslage feststellen, werden wir um eine Überprüfung nicht herumkommen." Dagegen könnte sich dann Widerstand in den Redaktionen regen. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich dann neben der taz auch andere Medien mit Nachdruck gegen die polizeiliche und geheimdienstliche Überprüfung ihrer Mitarbeiter positionieren könnten.
Die Berichterstattung aus Garmisch-Partenkirchen wird indes noch ohne stärkere Proteste von bestens durchleuchteten Journalisten gewährleistet werden. Es gibt nur einen, der dies noch verhindern könnte: einen Grundstücksbesitzer. Dem gehört ein Teil des Zielbereichs der Abfahrtsstrecken. Diese will er der WM GmbH nur zur Verfügung stellen, wenn ihm eine eigentlich rechtswidrige Baugenehmigung erteilt wird. Die größte Gefahr für die Ski-WM geht derzeit von einem Grundbesitzer aus - nicht von Journalisten.
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